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Bund will schneller abschieben
"Abschiebeprozesse auch sicherstellen"

Der Bund müsse verhindern, dass die Menschen kurz vor einer Abschiebung abtauchen, sagte der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, im DLF. Bei den geplanten Bundesausreisezentren von "Internierung" zu sprechen, sei diskreditierend. Zuverlässige Abschiebung gewährleiste auch mehr Sicherheit.

Rainer Wendt im Gespräch mit Daniel Heinrich | 09.02.2017
    Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, spricht beim Landeskongress der DPolG in Berlin.
    Der Bundesinnenminister nehme seine Aufgabe sehr ernst. Er sehe einen Zusammenhang zwischen "Abschiebung und Sicherheit", sagte der Chef der DPoIG im DLF. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Daniel Heinrich: Ich spreche mit Rainer Wendt, dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft. Herr Wendt, 16-Punkte-Plan, Rückführung, gemeinsame Kraftanstrengung, nationale Kraftanstrengung - das klingt markig, das suggeriert Tatkraft. Macht das auch Sinn?
    Rainer Wendt: Ja, das macht ganz bestimmt Sinn, denn die Deutschen warten darauf, dass wir jetzt wieder die Kontrolle über die Prozesse erlangen, die in der Gesellschaft stattfinden. Es gibt ja den politisch formulierten Willen seit Langem. Diejenigen, die hier keine Bleibeperspektive haben und für die es sichere Heimatländer oder sichere Regionen in ihren Heimatländern gibt, die müssen dann das Land auch wieder verlassen, damit wir unser Land und unsere Strukturen auch nicht überfordern. Denn wir brauchen viel Kraft für diejenigen, die bei uns Schutz suchen und ihn auch bekommen sollen.
    "Zu viele Behörden, die mit diesen Prozessen befasst sind"
    Heinrich: Aber reichen die bisherigen Instrumentarien, die wir zur Hand haben, nicht aus?
    Wendt: Das hat man ja am Fall Amri und auch an anderen Fällen gesehen, dass unsere Architektur dann ausreicht, wenn es nicht um viele Menschen geht, aber dass sie sehr schnell überfordert ist, unsere Architektur, wenn es viele Menschen sind, die zu uns kommen, und genau das ist ja der Fall. Man hat jetzt gesehen, dass der Bund mehr Verantwortung übernehmen will, und ich finde, er sollte es auch tun.
    Heinrich: Lassen Sie uns mal auf das Papier blicken. Bisher sind die Länder für die Abschiebungen zuständig. Im Zuge der Reform soll der Bund mehr Kompetenzen bekommen. Ein gemeinsames Zentrum für Rückführungen ist unter anderem geplant. Zentralisierung gleich besser?
    Zu große Unterschiede bei Abschiebequoten in den Bundesländern
    Wendt: Das ist nicht in jedem Falle besser. Aber in diesem Fall auf jeden Fall, weil es zu viele Behörden sind, die mit diesen Prozessen befasst sind. Da sind kommunale Behörden sehr schnell überfordert und deshalb ist es richtig, wenn der Bund hier mehr Verantwortung übernimmt und das nicht nur zentral koordiniert, sondern auch tatsächlich durchführt.
    Heinrich: Aber sind die Kompetenzen vor Ort, die Länder nicht viel besser in der Lage zu entscheiden, was wichtig ist, was notwendig ist?
    Wendt: Wir haben ja in den vergangenen Monaten gesehen, dass in den Ländern je nach politischer Führung völlig unterschiedliche Rechtsverhältnisse herrschen. Es kann nicht sein, dass von einem Land zum anderen die Chance, nicht abgeschoben zu werden, sechsfach so hoch ist wie in einem anderen Land. Das hat nichts mehr mit einheitlichen Rechtsverhältnissen zu tun. Insofern ist es richtig, sich auf ein einheitliches Verfahren zu verständigen, damit wir jetzt nicht noch innerhalb von Deutschland neue Wanderungsbewegungen auslösen.
    "Der Abschiebeprozess ist bei der Bundespolizei in den richtigen Händen"
    Heinrich: Letzten Endes bedeutet das mehr Kompetenzen für die Bundespolizei?
    Wendt: Ja, das bedeutet mehr Kompetenzen, und das ist auch richtig so. Bei der Bundespolizei gibt es diese Fähigkeiten. Es ist ja ein Kernthema für die Bundespolizei, eine Kernkompetenz. Darauf hat ja der Präsident der Bundespolizei, Dr. Roman, richtigerweise hingewiesen, dass sowohl die Kontaktaufnahme mit den Herkunftsländern, aber auch der Abschiebeprozess selbst bei der Bundespolizei in den richtigen Händen ist. Die wird man natürlich jetzt auch entlasten müssen, das steht völlig außer Frage. Die hat natürlich keine Hundertschaften im Keller, die nur darauf warten, diese Aufgaben zu übernehmen. Aber der Bund hat ja auch beschlossen, die Bundespolizei wird ja auch verstärkt.
    Heinrich: Ein weiterer Punkt: die Bundesausreisezentren. Dort sollen abgelehnte Asylbewerber in den letzten Tagen oder Wochen vor ihrer Abschiebung untergebracht werden. Jürgen Trittin spricht in unserem Programm von Internierung. Wie müssen wir uns das vorstellen? Patrouillieren da bald Polizeibeamte durch diese Lager?
    Kommunen "verzweifeln daran", dass Abschiebungen umgangen werden
    Wendt: Ob das Polizeibeamte sind, wage ich mal zu bezweifeln. Aber richtig ist doch zu verhindern, dass kurz vor einer Abschiebung die Menschen wieder abtauchen. Der Ausdruck Internierung ist so ein typischer Trittin-Ausdruck, der natürlich eine solche Maßnahme von vornherein mit dieser Verwendung von Sprache diskreditieren soll. Hier geht es doch darum, die Abschiebeprozesse auch sicherzustellen, und wir erleben ja in den Ländern immer wieder und meine Kolleginnen und Kollegen sowohl in den Kommunen als auch in den Länderpolizeien, die verzweifeln ja daran, dass jede einzelne Maßnahme dann immer wieder unterbrochen wird davon, dass Personen untertauchen und viele, viele andere Wege suchen, um der Abschiebung zu entgehen. Da ist es besser, das kontrolliert vorzubereiten und die Menschen vorher auch mental auf diesen Vorgang vorzubereiten. Das ist allemal besser, als sie morgens abzuholen und direkt zum Flughafen zu bringen. Da ist der mentale Einschnitt viel größer.
    Heinrich: Sie sagen, mentale Vorbereitung. Wer soll denn, wenn nicht die Polizei, die Sicherheit in diesen Lagern gewährleisten?
    Wendt: Das können durchaus auch private zuverlässige Unternehmen machen, denn das haben wir ja jetzt auch. Es ist ja nicht die Polizei überall beispielsweise in Erstaufnahmeeinrichtungen tätig. Das können auch andere Dienste tun, das muss nicht die Polizei sein.
    Heinrich: Und die Polizisten in den umliegenden Wachen kriegen eine Gehaltserhöhung, weil sie so oft ausrücken müssen in der Folge?
    Wendt: Na ja, das wird natürlich eine Herausforderung. Aber die Herausforderung haben wir ja jetzt auch. Sehen Sie, wir müssen über tausend Angriffe auf Asylbewerberheime abwehren. Das ist ja fürchterlich, was wir im vergangenen Jahr erlebt haben. Wir sind ja mit über 22 Millionen Überstunden allein in einem Jahr schon an der Leistungsgrenze angelangt und deshalb ist es richtig, wenn man jetzt neue Wege geht. Denn es kann ja nicht alles so weitergehen, wie es bisher geht, denn es geht zurzeit direkt auf dem Rücken der Beschäftigten nicht nur der Polizei, sondern auch der kommunalen Behörden, und deshalb ist das richtig, dass Thomas de Maizière und Angela Merkel jetzt sagen, wir müssen das ändern und wir müssen neue Wege gehen, die auch kapazitätsschonend sind.
    Zusammenhang zwischen "Abschiebung und Sicherheit"
    Heinrich: Sie sprechen Thomas de Maizière an. Nach dem Anschlag in Berlin auf dem Breitscheidplatz hat er ein Sicherheitspaket angekündigt. Aus den Grünen heißt es nun, das ist ein Abschiebepaket, was wir da erleben. Ist das, was wir da auf politischer Bühne gerade erleben, ist das noch konsensorientiert, oder ist das schon purer Wahlkampf?
    Wendt: Nein, ich glaube nicht, dass das Wahlkampf ist, sondern ich glaube, dass Thomas de Maizière wie im Übrigen in der Vergangenheit auch die Probleme klar beim Namen nennt. Es hat ja schon zwei Asylpakete gegeben. Es hat die Verstärkung der Bundespolizei gegeben, des Bundeskriminalamtes, der Verfassungsschutzbehörden. Ich glaube, dass Thomas de Maizière seine Aufgabe sehr ernst nimmt und auch einen Zusammenhang sieht zwischen Abschiebung und Sicherheit. Denn wenn beispielsweise diejenigen abgeschoben werden, die hier schwere Straftaten begehen, oder als Gefährder in Frage kommen, dann hat das ja einen Sicherheitsgewinn und das muss ein verantwortungsbewusster Innenminister ernst nehmen. Und ich finde, das tut Thomas de Maizière auch.
    Heinrich: Das sagt Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Herr Wendt, vielen Dank für das Gespräch.
    Wendt: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.