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Bundesanwaltschaft
"Dieses Weisungsrecht schadet dem Ansehen der Justiz"

Deutschland sei einer der ganz wenigen Staaten, der dem Justizminister ermögliche, Weisungen zu erteilen, sagte Christoph Frank vom Deutschen Richterbund im Deutschlandfunk. Diese Möglichkeit berge die Gefahr, dass Entscheidungen der Staatsanwaltschaft als politisch beeinflusst verdächtigt werden.

Christoph Frank im Gespräch mit Marina Schweizer | 04.08.2015
    Gebäude der Bundesanwaltschaft in Karslruhe, Sitz des Generalbundesanwalts.
    Gebäude der Bundesanwaltschaft in Karslruhe, Sitz des Generalbundesanwalts. (dpa/picture alliance/Uli Deck)
    Marina Schweizer: Das Weisungsrecht des Bundesjustizministers gegenüber dem Generalbundesanwalt ist eines der großen Themen an diesem Tag. Eine Abschaffung dieses politischen Weisungsrechts fordert der Deutsche Richterbund seit Jahren. Ich habe vor der Sendung mit Christoph Frank gesprochen. Er ist Vorsitzender des Berufsverbandes. Zunächst habe ich ihn aber gefragt, wie sehr er von dieser Entlassung überhaupt noch überrascht war.
    Christoph Frank: Es hat mich überrascht, dass nun auch noch die letzte Möglichkeit politischer Steuerung gegenüber der Justiz genutzt worden ist. Bisher ging es immerhin noch um die Sache, jetzt ging es zuletzt um die Person. Wenn der Justizminister das Vertrauen in den Generalbundesanwalt nicht mehr hat, dann hat er das Recht, ihn zu entlassen, auch ohne Begründung zu entlassen. Ob er von diesem Recht Gebrauch macht, ist eine ganz andere Frage, und darüber wird in den nächsten Tagen und Wochen diskutiert werden. Denn bisher haben Justizminister zu diesem Mittel nicht gegriffen. Sie haben andere Möglichkeiten gefunden, sachliche Auseinandersetzungen, die es immer geben wird im Verhältnis Generalbundesanwalt/Justizministerium, auf andere Weise im fachlichen Austausch zu klären.
    Schweizer: Hatte Heiko Maas denn jetzt da noch eine andere Möglichkeit?
    Frank: Das kann ich von außen nicht beurteilen. Ich bin der Meinung, es gibt immer eine Möglichkeit, wenn man Respekt vor den jeweiligen Aufgaben hat, sich in der Sache auseinanderzusetzen. Und hier gibt es ja durchaus Auffassungen, die diskutabel sind und die durch Gutachten gestützt werden. Und es gibt die Pflicht des Bundesjustizministers, bei einer solchen Entlassung auch daran zu denken, wie das in der Bevölkerung ankommt, wenn die Steuerungsmöglichkeiten der Exekutive gegenüber einer unabhängigen Justiz, insgesamt gegenüber der Staatsanwaltschaft so deutlich vorgeführt werden.
    Schweizer: Nun ist es ja so, dass Heiko Maas da innerhalb seiner Möglichkeiten gehandelt hat und vielleicht, wenn man es so sagen will, auch einfach nur seinen Job gemacht hat.
    Frank: Seinen Job zu machen, heißt in dieser Konstellation des Weisungsrechts, dass man in einen sehr frühen Austausch, fachlichen Austausch, eintreten muss, und dann auch die eigene Meinung, wenn man sie denn für richtig hält, in diesem internen Austausch durchsetzen muss. Die Weisung hat sich nach meinem Kenntnisstand, nach dem Kenntnisstand der Öffentlichkeit immer nur, wann immer sie erteilt worden ist, auf die Verwendung des externen Gutachtens bezogen und nicht auf die Einstellung des Verfahrens insgesamt. Da hätte der Bundesjustizminister Möglichkeiten gehabt, die er offensichtlich gescheut hat.
    Schweizer: Was soll denn ein Bundesjustizminister machen, wenn ein Generalbundesanwalt an der Pressefreiheit rüttelt? Soll er dann nicht seine Möglichkeiten ausschöpfen?
    Frank: Der Generalbundesanwalt hat nicht an der Pressefreiheit gerüttelt. Das kann man ihm nun wirklich nicht vorwerfen. Er hatte eine Anzeige zu bearbeiten, er hatte zu prüfen, ob er zuständig ist, und er hat genau diese Zuständigkeit geprüft und hat ein wesentliches Tatbestandsmerkmal seiner Zuständigkeit extern durch einen Sachverständigen überprüfen lassen. Darüber gab es unterschiedliche Auffassungen zwischen Ministerium und Generalbundesanwalt. Wenn dieses Gutachten zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass es sich hier nicht um ein Vergehen des Landesverrats handelt, wäre der Generalbundesanwalt gar nicht zuständig gewesen, sondern die Landesjustiz in Berlin.
    Schweizer: Für Sie ist der Fall also nach wie vor kein Fall Range, sondern ein Fall Maas?
    Frank: Es ist ein Fall des Zusammenspiels zwischen Exekutive und Justiz. Wir haben in Deutschland als einer der ganz wenigen Staaten in Europa dieses Weisungsrecht, das es dem politisch Verantwortlichen, dem Justizminister ermöglicht, in Einzelverfahren Weisungen zu erteilen. Und allein diese Möglichkeit, diese Option birgt die Gefahr, dass Entscheidungen der Staatsanwaltschaft als politisch beeinflusst verdächtigt werden. Das schadet der Justiz, dem Ansehen der Justiz, dem Vertrauen der Bürger in die Justiz. Und zur Entlassung des politischen Beamten: Die Länder, die 16 Länder, haben sich auf unsere Forderungen hin in den letzten Jahren entschlossen, diesen Status abzuschaffen, weil sie ihn für die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft, die streng gesetzesgebunden arbeitet, für schädlich halten. Der Bund hat das nicht getan.
    Schweizer: Aber sind denn nicht eigentlich in Deutschland per Gesetz nur Richter wirklich unabhängig? Ist die Unabhängigkeit der Justiz, wäre das nicht auch eine Gefahr, wenn man da überhaupt keine Aufsicht mehr habe?
    Frank: Es sind nur die Richter unabhängig, das steht in der Verfassung, im Grundgesetz. Staatsanwälte sind streng gesetzesgebunden, das steht in der Strafprozessordnung. Sie sind zur Objektivität verpflichtet, und ihre Entscheidungen sind alle gerichtlich überprüfbar. Ein Status, der die Staatsanwaltschaften nicht unabhängig im Sinne einer Richtergleichheit macht, der sie aber durch die Gesetzesbindung doch schützen soll vor politischer Einflussnahme. Und zugleich haben wir die rechtliche Möglichkeit im Gerichtsverfassungsgesetz, auch für die Justizminister, extern in interne Entscheidungsprozesse der Staatsanwaltschaft einzugreifen, und das wird nicht nur in Europa äußerst kritisch gesehen. Es entspricht nicht dem Verständnis, das ein moderner Staat von einer Staatsanwaltschaft hat, die natürlich kontrolliert werden muss und die natürlich auch in der politischen Verantwortung steht.
    Schweizer: Sagt der Vorsitzende des Richterbundes, Christoph Frank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.