Donnerstag, 28. März 2024

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Bundesanwaltschaft
Strafverfahren gegen Journalisten wegen Landesverrats

Die Bundesanwaltschaft hat gegen mehrere Journalisten ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf Landesverrat und die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen eingeleitet. Das bestätigte die Behörde nach entsprechenden Berichten von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung". Demnach richten sich die Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Blogs "Netzpolitik.org".

31.07.2015
    Screenshot von "Netzpolitik.org"
    Screenshot von "Netzpolitik.org" mit einem Posting zu dem Strafverfahren der Bundesanwaltschaft. (Netzpolitik.org)
    Das Verfahren wurde nach der Prüfung einer Anzeige von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beim Landeskriminalamt Berlin aufgenommen, wie der Rechercheverbund meldete. Diese sei dann an die Bundesanwaltschaft weitergeleitet worden. Den Angaben zufolge ist es das erste Mal seit Jahrzehnten, dass Journalisten Landesverrat und die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen vorgeworfen wird.
    Maaßen habe in drei Fällen Strafanzeige erstattet. Zwei davon betreffen laut Bundesanwaltschaft die Veröffentlichung von Auszügen aus Verfassungsschutz-Dokumenten. Das Blog hatte in zwei Artikeln die Pläne zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben und dazu Inhalte von Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes veröffentlicht. Im dritten Fall geht es den Medien zufolge um einen geheimen Bericht über eine V-Mann-Affäre im Umfeld der rechtsextremen Terrorzelle NSU, über den NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" berichtet hatten. In diesem Fall prüften die Strafverfolger in Karlsruhe noch, ob der Vorwurf für ein solches Verfahren reicht.
    Informationen aus DLF-Bericht
    In einem Interview mit "tagesschau24" sagte Netzpolitik-Gründer Markus Beckedahl: "Wir haben vor drei Wochen aus einem Deutschlandfunk-Bericht gehört, dass wegen unserer Berichterstattung ermittelt wird, weil der Präsident des Verfassungsschutzes Strafanzeige gestellt habe." Es habe zunächst geklungen, als ob nur gegen die Quellen von "Netzpolitik.org" ermittelt worden sei. Nun wird aber wegen Verdachts auf Landesverrats persönlich gegen die Journalisten ermittelt.
    In dem Deutschlandfunk-Beitrag heißt es: "Am 25. Februar hat ein Internetdienst wesentliche Teile des Wirtschaftsplans des Verfassungsschutzes von 2013 veröffentlicht, am 15. April wesentliche Teile des Plans für 2015. Darin sind auch operative Details aufgeführt. Deswegen ist er zu großen Teilen als geheim eingestuft." Mit diesem Internetdienst ist "Netzpolitik.org" gemeint.
    "Netzpolitik.org": Angriff auf die Pressefreiheit
    Beckedahl vermutet hinter den Ermittlungen einen Einschüchterungsversuch, nicht nur gegen die Journalisten selbst. Gegenüber dem DLF sagte er: "Hier sehen wir durch diese Strafanzeigen und die Ermittlungen quasi einen Schuss gegen alle potenziellen und tatsächlichen Quellen, dass der Staat, unsere Geheimdienste jetzt mitteilen, dass sie das nicht mehr einfach so hinnehmen, sondern scharf zurückschießen."
    Der Deutsche Journalisten-Verband kritisierte die Ermittlungen als Justizposse. Es sei ein "unzulässiger Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen". Das Vorgehen des Generalbundesanwalts sei völlig überzogen und stelle einen Angriff auf die Pressefreiheit dar.
    Bereits länger Drohungen mit Strafanzeigen
    Tatsächlich läuft die Auseinandersetzung zwischen Regierung, Opposition und Medien über den Umgang mit Geheimdienstinformationen seit Monaten, wie DLF-Hauptstadtkorrespondentin Gudula Geuther berichtet. Das Kanzleramt hatte immer wieder mit Strafanzeigen gedroht. Allerdings nicht wegen Landesverrats, sondern "nur" wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen, Journalisten können sich dabei in der Regel nicht strafbar machen. Dahinter steht auch das Grundrecht der Pressefreiheit, das seit der Spiegel-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Abwägung mit strikter Geheimhaltung besonderes Gewicht hat.
    Das Nachrichtenmagazin hatte 1962 unter dem Titel "Bedingt abwehrbereit" Informationen veröffentlicht, wonach die Bundeswehr für einen Atomkrieg nicht gerüstet sei. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) war sauer, gegen das Magazin wurde wegen Landesverrats ermittelt. Der Bundesgerichtshof lehnte ein Verfahren allerdings ab.
    (hba/vic/ach)