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Wiederwahl Putins
Steinmeier gratuliert, Merkel nimmt zur Kenntnis

Bundespräsident Steinmeier hat dem russischen Staatschef Putin zu seiner Wiederwahl gratuliert. Er möge seine Amtszeit nutzen, um der Entfremdung zwischen Russen und Deutschen entgegenzuwirken, schrieb er in einem Brief an Putin. Kanzlerin Merkel ließ ihren Sprecher ausrichten, sie habe den Ausgang der Wahl zur Kenntnis genommen.

19.03.2018
    Putin steht an einem Rednerpult und schaut in das (auf dem Foto nicht zu sehende) Publikum.
    Der alte und neue Präsident Russlands, Wladimir Putin. (dpa/TASS/Alexei Druzhinin)
    In Steinmeiers Brief an Putin heißt es weiter, die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland habe stets als wichtige Stütze für die Bemühungen um eine dauerhafte Friedensordnung in Europa gegolten. Von diesem Ziel sei man derzeit beunruhigend weit entfernt. Misstrauen, Aufrüstung und ein Klima der Unsicherheit trügen zur Instabilität bei, so Steinmeier. Regierungssprecher Seibert sagte in Berlin, Bundeskanzlerin Merkel habe den Ausgang der Präsidentenwahl in Russland zur Kenntnis genommen. Sie werde Putin sehr bald in einem Telegramm gratulieren.
    Bundesaußenminister Maas hatte zuvor den Ablauf der Abstimmung kritisiert. Am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel sprach er von einem "nicht in allen Punkten fairen Wettbewerb". Das Ergebnis der russischen Präsidentenwahl sei genauso wenig überraschend gewesen wie die Umstände der Abstimmung. Der SPD-Politiker nannte es nicht akzeptabel, dass die Wahl auch auf dem völkerrechtswidrig annektierten Gebiet der Krim stattgefunden habe. Russland bleibe ein schwieriger diplomatischer Partner. Verteidigungsministerin von der Leyen meinte hingegen, Präsident Putin sei schon lange kein Partner mehr. Sie würde aber nicht so weit gehen, ihn als Gegner zu bezeichnen.
    Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hat Putin die Präsidentenwahl mit 76,6 Prozent klar gewonnen. Es ist sein bisher bestes Wahlergebnis. Seine Bestätigung für eine vierte Amtszeit stand für viele Beobachter allerdings schon vor der Abstimmung außer Zweifel. Die sieben Mitbewerber um das Präsidentenamt galten allesamt als chancenlos. Die zweitmeisten Stimmen nach Putin holte der Herausforderer der Kommunistischen Partei, Grudinin. Er kam auf gerade einmal 13 Prozent.
    Putins prominentester Rivale, der Oppositionspolitiker Nawalny, war von der Wahl ausgeschlossen worden. Der heftige Streit mit der britischen Regierung über den Giftanschlag auf den Ex-Agenten Skripal dürfte Putin weitere Wähler zugetrieben haben. Putins Wahlkampfsprecher Kondraschow bedankte sich ironisch bei London: "Immer wenn Russland laut und ohne Beweise beschuldigt wird, was macht das russische Volk? Es schließt sich um das Zentrum der Macht zusammen."
    Die Wahlbeteiligung lag bei 67 Prozent - und damit etwas höher als 2012 (65 Prozent). Die Beteiligung galt als wichtiger Indikator für Putins Rückhalt in der Bevölkerung. Entsprechend beharrlich hatte die russische Führung die Bürger aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Erstmals durften auch die Bewohner der annektierten Halbinsel Krim wählen. Die Abstimmung fand am vierten Jahrestag der Annexion durch Russland statt.
    Putin trat am Abend in Moskau vor hunderte Anhänger und dankte ihnen für ihre Unterstützung. Er werte das Wahlergebnis als Zeichen des "Vertrauens und der Hoffnung" des russischen Volks, sagte er. Es sei auch eine "Anerkennung" dafür, dass unter schwierigen Bedingungen vieles erreicht worden sei. Um voranzukommen, sei es "sehr wichtig, diese Einheit zu erhalten".
    Beobachter melden tausende Manipulationsversuche
    Überschatttet wurde die Wahl von Manipulationsvorwürfen. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Röttgen, hält es für erwiesen, dass bei der Wahl in Russland Druck auf die Wähler ausgeübt worden ist. Der CDU-Politiker nannte im Deutschlandfunk als Beispiel, dass Putins größter Konkurrent, Nawalny, an der Kandidatur gehindert und Putins anderer großer Gegner, Nemzow, ermordet worden sei.
    Portrait von Norbert Röttgen, dazu das Zitat: "Putin ist beliebt, er hat Rückhalt - und trotzdem waren das natürlich keine freien Wahlen."
    Norbert Röttgen zur Wiederwahl Waldimir Putins (dpa/Deutschlandfunk)
    Russische Nichtregierungsorganisationen und Oppositionelle beklagten massive Unregelmäßigkeiten. Die Organisation Golos sprach von mehr als 2.700 Verstößen, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und Änderungen bei der Wählerregistrierung. Golos äußerte den Verdacht, dass so eine höhere Beteiligung erzielt werden sollte. Zudem seien Wahlurnen außer Sichtweite von Beobachtungskameras platziert worden. Viele Wähler erklärten, sie seien von ihren Arbeitgebern unter Druck gesetzt worden, ihre Stimme abzugeben. Nach Einschätzung der staatlichen Wahlkommission hat es keine ernsthaften Verstöße gegeben. Es seien nur halb so viele Unregelmäßigkeiten registriert worden wie bei der Abstimmung vor sechs Jahren.
    Kreml-Kritiker Nawalny hatte die Wahl bereits im Vorfeld als Farce bezeichnet und zum Boykott aufgerufen. Er sprach am Wahltag von "beispiellosen" Manipulationen.
    Stimmzettel seien gefälscht worden und Wähler mit Bussen in die Wahllokale gefahren worden. Er kündigte an, die Regierung durch Proteste weiter unter Druck zu setzen.
    Reaktionen auf Wahlsieg
    Zu den ersten Gratulanten Putins in Deutschland zählte die rechtspopulistische AfD. Die Parteivorsitzenden Meuthen und Gauland erklärten, die AfD werde sich weiter für einen "Dialog mit Russland auf Augenhöhe" und den Abbau von Sanktionen einsetzen. Unions-Fraktionsvize Wadepuhl rief Putin zu einem "Kurswechsel" auf. Eine engere Zusammenarbeit mit dem Westen liege "im beiderseitigen Interesse".
    Weitere Reaktionen auf die Wahl in Russland gibt es auch in unserer Presseschau.
    Die Ergebnisse aus den einzelnen Regionen können Sie unserer interaktiven Wahlkarte entnehmen:
    (rm/tep)