Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Bundesbank
Ermunterung zu höheren Tarifabschlüssen

Der Chefökonom der Deutschen Bundesbank hat die Gewerkschaften angeregt, nicht bescheiden bei Tarifverhandlungen aufzutreten. Hinter diesem Vorgang stecken handfeste wirtschaftliche Sorgen.

Von Brigitte Scholtes | 21.07.2014
    ILLUSTRATION - Ein Eurozeichen spiegelt sich am 08.01.2014 in Frankfurt am Main (Hessen) im Auge einer Frau (Aufnahme gespiegelt). Foto: Daniel Reinhardt/dpa
    Deutschland könne unter Umständen die Inflationsrate beeinflussen. (dpa/Daniel Reinhardt)
    Es ist ungewöhnlich, dass die Deutsche Bundesbank die Arbeitnehmer ermuntert, höhere Lohnzuwächse in Deutschland durchzusetzen. Sie stelle nur fest, was ohnehin an zahlreichen volkswirtschaftlichen Daten zu erkennen sei, meint David Milleker, Chefvolkswirt der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment:
    "Deutschland schöpft seinen gesamtwirtschaftlichen Verteilungsspielraum eher unzureichend aus. Dementsprechend gibt es in Deutschland über die Lohnkostenseite auch einen deutlichen Druck auf sehr sehr moderate Inflationsraten, die deutlich unterhalb dem sind, was die EZB so als Zielvorstellung rausgibt. Und die deutsche Lohnseite kann jetzt schon mal ein bisschen stärker zulangen, nachdem man seit 1995 diesen Verteilungsspielraum nie ausgeschöpft hat und der deutsche Arbeitsmarkt in der Nähe von Vollbeschäftigung befindet, dass man auch mal ein bisschen über Lohnzuwächse redet."
    Deutscher Einfluss auf Inflationsrate
    Die EZB hält ja eine Preissteigerung von unter, aber nahe bei zwei Prozent für wünschenswert. Aktuell aber ist der Euroraum mit einer Inflationsrate von 0,5 Prozent weit davon entfernt. Und so könnte Deutschland nun einen Beitrag dazu leisten, dass die Inflationsrate nicht noch weiter sinkt, sagt Holger Bahr, Leiter Volkswirtschaft der Dekabank:
    "Die deutsche Volkswirtschaft macht eben ein Drittel dieses europäischen Durchschnitts aus. Insofern würde damit die gesamte europäische Inflationsrate wieder angehoben werden. Und es gehört zur Krisenbewältigung dieser Staatsschuldenkrise, dass eben Länder, die sehr sehr stark wachsen, dass die eine überdurchschnittliche Inflationsrate in den nächsten Jahren haben werden, und dass die Länder, die noch Wettbewerbsfähigkeit aufbauen müssen, durch geringere Inflationsraten real ein Stück weit abwerten, damit Wettbewerbsfähigkeit gewinnen und innerhalb der Eurozone weiter gesunden können."
    Das sieht David Milleker ähnlich:
    "Die Bundesbank macht sich, glaube ich, zunehmend Sorgen darüber, dass der Euroraum in Gänze - sollte sich Deutschland weiter so verhalten wie in der Vergangenheit - dieses Ziel überhaupt nicht erreichen kann. Und letztlich, muss man ja auch sagen, bei Null-Leitzins sind die Handlungsmöglichkeiten einer Zentralbank ausgeschöpft und dementsprechend braucht sie jetzt Hilfestellung beispielsweise von den deutschen Tarifpartnern."
    Nicht zu hohe Tariferhöhungen empfohlen
    Gegen Deflation gibt es kaum ein Mittel, weil sich die Unternehmen und Verbraucher mit immer weiter fallenden Preisen rechnen und deshalb Investitions- und Konsumentscheidungen hinauszögern. Dabei ermuntere die Bundesbank die Tarifpartner aber nicht zu sehr hohen Tarifabschlüssen, meint Holger Bahr von der Dekabank:
    "Wenn wir da auf drei Prozent kommen würden, dann wäre das sicher im Sinne der Bundesbank und auch im Rahmen dieses Spielraums nicht wettbewerbsdestabilisierend."
    Eine Tariferhöhung von drei Prozent oder etwas mehr haben in diesem Jahr von den größeren Branchen schon Bau- und Chemieindustrie, die Deutsche Telekom als auch der Öffentliche Dienst durchgesetzt. Im kommenden Jahr aber stehen Verhandlungen in der großen Metall- und Elektroindustrie an. Da darf man gespannt sein, ob sich die Tarifpartner die Mahnung der Bundesbank zu Herzen nehmen.