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Bundesbankchef Weidmann
"Situation der konjunkturellen Normalauslastung"

Zum Deutschen Wirtschaftsforum in Frankfurt am Main kamen wieder viele hochkarätige Gäste aus Politik, Wirtschaft und Finanzwelt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble oder auch der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, präsentierten eine Bestandsaufnahme zum Wirtschaftsstandort Deutschland.

Von Brigitte Scholtes | 05.12.2014
    Die deutsche und die europäische Sicht der Dinge stimmen nicht immer ganz überein. Das zeigt am besten die Kontroverse in der Europäischen Zentralbank über die weitere Ausrichtung der Geldpolitik. Gestern erst hatte EZB-Präsident Mario Draghi bekräftigt, man sei, falls nötig, bereit, die Wirtschaft mit noch mehr billigem Geld anzukurbeln. Das hieße also auch, dass die Notenbank wahrscheinlich im Frühjahr Staatsanleihen am Finanzmarkt aufkaufen könnte. Doch sowohl Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble als auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann sprachen sich heute gegen eine expansive Geld- und Finanzpolitik, so wie sie etwa auch Larry Summers, der frühere Finanzminister der USA dem Euroraum empfiehlt. Europa sei nicht mit den USA zu vergleichen, sagt Schäuble heute morgen:
    "Ich bin im Gegenteil der Auffassung, dass dieser Ansatz nicht die Lösung ist, sondern eher die Ursache wiederholter Krisen und sich drehender Schuldenspiralen."
    Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann hält die Erfolgsaussichten nicht für groß:
    "Ich glaube, es ist klar, dass die Rezepte, die vielleicht in den USA Erfolg gehabt haben, oder die in Japan angewandt werden, dass man die nicht einfach auf den Euroraum übertragen kann. Wir sind eben gerade kein Staatengebilde, sondern wir sind ein Zusammenschluss von Ländern, die sich darauf geeinigt haben, eine gemeinsame Geldpolitik zu haben, aber sich gleichzeitig entschlossen haben, dass sie ihre fiskalpolitische Eigenverantwortung behalten wollen."
    Entscheidend seien private Investitionen
    Die USA als zentraler Staat begebe Anleihen, die sehr sicher seien, der Euroraum aber sei nicht zentralstaatlich organisiert. Bundesfinanzminister Schäuble hält es im Euroraum für wichtiger, ohne neue Schulden auszukommen:
    "Eine Abkehr vom Verzicht auf neue Schulden würde das mühsam wachsende Vertrauen in die Stabilitätspolitik Europas wieder zerstören. Entscheidend für das Wachstum in Deutschland wie in Europa sind ja die privaten Investitionen. Es wird ja zur Zeit viel geredet und geschrieben von einer generellen Investitionslücke in Deutschland. Die gibt es nicht."
    Die Wirtschaft in Deutschland wächst zwar, wenn auch nur sehr langsam. Das erklärt der Bundesbankpräsident so:
    "Wir haben keine Krise, keine außergewöhnlich schlechte Entwicklung. Die Arbeitslosigkeit ist recht niedrig, die Beschäftigung nimmt stetig zu. Im Grunde können wir davon ausgehen, dass wir in einer Situation der konjunkturellen Normalauslastung sind. Und das wird auch über den Prognosehorizont so bleiben bei den zugegebenerweise schwachen Wachstumsraten. Aber unser Potenzial wächst auch sehr schwach, das heißt, unsere Auslastung nimmt eher noch zu und nicht ab."
    So rechnet die Bundesbank für das kommende Jahr auch nur noch mit einem Wachstum der deutschen Wirtschaft von 1,0 Prozent statt wie bisher mit 2,0 Prozent. Es bestehe aber die Hoffnung, dass die aktuelle Schwächephase vorübergehend sei, hieß es. Immerhin kamen heute positive Nachrichten aus Deutschland: Die deutsche Industrie hat im Oktober 2,5 Prozent mehr Aufträge erhalten als im September. Beobachter hatten nur mit einem Plus von 0,5 Prozent gerechnet.