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Bundesdatenschutzbeauftragte
Voßhoff tadelt Regierung und Parlament

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff kritisiert bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichts Mitglieder der Bundesregierung, die eine Abkehr vom Prinzip des Datenschutzes fordern. Zudem beklagt sie, dass ihre Kompetenzen verfassungswidrig beschnitten worden seien. Sie könne deshalb momentan die neuen IT-Vorhaben der Sicherheitsgesetze auch nicht prüfend begleiten.

Von Falk Steiner | 30.05.2017
    Die Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff, gestikuliert.
    Sieht ihre Handlungsspielräume deutlich eingeschränkt: Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (Hannibal Hanschke, dpa picture-alliance)
    Gut 20.000 Eingaben von Bürgern in den Jahren 2015 und 2016, 814 aktive Mitteilungen über Datenschutzverstöße durch die Telekommunikationsanbieter, 50 durch Sozialleistungsträger, dazu 199 Kontrollbesuche der Bundesdatenschutzbeauftragten bei Bundesbehörden, Sozialversicherungsträgern, Jobcentern, Post- und Telekommunikationsanbietern, bei denen 22-mal erhebliche Mängel festgestellt wurden – Datenschutz ist in Zeiten der Digitalisierung Fleißarbeit.
    Die Bundesdatenschutzbeauftragte ist eine Frau der eher leisen Töne – doch an inhaltlicher Schärfe lässt es Andrea Voßhoff heute bei der Vorstellung ihres Tätigkeitsberichtes für die vergangenen zwei Jahre nicht fehlen. Mitglieder der Bundesregierung aus Union und SPD bis hin zur Kanzlerin Angela Merkel hatten zuletzt immer wieder eine Abkehr vom Grundprinzip des Datenschutzes hin zu einem eigentumsbasierten Ansatz unter dem Stichwort Datensouveränität ins Spiel gebracht – das hält Voßhoff für verkürzt.
    "Datenschutz kein Hindernis der Digitalisierung, sondern wesentliche Voraussetzung"
    Der auf dem Menschenwürde-Prinzip basierende Datenschutz müsse der Maßstab bleiben, so die Bundesdatenschutzbeauftragte:
    "Ich würde mich freuen, wenn wir stärker im politischen Raum, auch mal in einer parlamentarischen Grundsatzdebatte diese Fragestellungen der Zukunft thematisieren und dabei erkennen, dass der Datenschutz kein Hindernis der Digitalisierung ist, sondern wesentliche Voraussetzung."
    Vor gut drei Jahren wurde Voßhoff als Nachfolgerin des öffentlich stark wahrgenommenen Peter Schaar vom Parlament gewählt – seit eineinhalb Jahren sind sie und ihre Mitarbeiter auch nur noch dem Parlament selbst direkt verpflichtet und eine unabhängige Behörde. Und die hat viel zu tun.
    Insbesondere die vielen neuen Sicherheitsgesetze und damit verbunden die neuen IT-Vorhaben bei Polizei und Nachrichtendiensten sind für die Datenschutzbeauftrage eine große Entwicklung – genau wie die europäische Vernetzung der IT. Derzeit könne sie die datenschutzrechtliche Kontrolle dieser Vorhaben und neuen Strukturen nicht sicherstellen, sagt Voßhoff – doch das sei eine vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Notwendigkeit.
    Vorwurf: Beschneidung von Kompetenzen
    Und nicht nur das: Bei der Neuregelung der Bundesnachrichtendienst-Befugnisse hat das Parlament der Datenschutzbeauftragten sogar die Rechte beschnitten, berichtet Voßhoff:
    "Es ist mir nicht mehr möglich, mich an den Deutschen Bundestag proaktiv mit Informationen zu wenden, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen. Ich halte das für einen Verstoß gegen meine Unabhängigkeit."
    Voßhoff ruft den Gesetzgeber dazu auf, das große Vertrauen, das in die Arbeit der Sicherheitsbehörden gesetzt würde und gesetzt werden müsse auf diese Art nicht zu verspielen. Es sei so, dass das…
    "…Vertrauen der Bürger in staatliche, heimliche Maßnahmen nur in dieser Weise gewährleistet sein kann, wenn der Bürger auch weiß dass eine effiziente Kontrolle erfolgt."
    Doch Nachbesserungen dürfte der Gesetzgeber allerfrühestens nach der Bundestagswahl am 24. September vornehmen – wenn nicht sogar erst ein Karlsruher Richterspruch das Thema erneut an den Bundestag heranträgt. Denn ohne eine entsprechend effiziente Datenschutzkontrolle, das haben die dortigen Richter in den vergangenen Jahren klar gemacht, sind viele Maßnahmen unzulässig.