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Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen
Konflikte nicht nur in der Parteispitze

Die Grünen wollen auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz in Hamburg weg vom Image der Besserwisser- und Verbotspartei, das ihnen bei der letzten Bundestagswahl zu schaffen machte. Ob sie sich aber geschlossen präsentieren, ist noch offen: Unterschiedliche Meinungen gibt es weiter genug in der Partei.

Von Stefan Maas | 21.11.2014
    Die beiden Grünen-Bundesvorsitzenden Cem Özdemir und Simone Peter. Am 19.10.2013 auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Partei Bündnis90/Die Grünen in Berlin.
    Sind nicht immer einer Meinung: Die beiden Grünen-Bundesvorsitzenden Cem Özdemir und Simone Peter. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Nach vorne schauen wollen die Grünen auf ihrem Parteitag in Hamburg. Das wiederholen die Spitzengrünen bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Unter dem Parteitagsmotto "Mehr Biss" soll es um gutes Leben gehen, um ökologische Landwirtschaft und gesunde Ernährung, um Asyl- und Klimapolitik. Vor allem aber mit ihrer Freiheitsdebatte, die heute Abend geführt werden soll, wollen die Grünen weg vom Image der Besserwisser und Verbotspartei, das ihnen im letzten Bundestagswahlkampf schwer zu schaffen gemacht hat.
    "Ich wünsche mir, dass es ein kraftvolles Signal ist, dass die Grünen spannende Debatten haben, aber am Ende des Tages auch geschlossen rausgehen vom Parteitag", erklärte Parteichef Cem Özdemir diese Woche in Berlin. Spannende Debatten dürfte es in der Tat geben, die erste gleich heute Abend. Beim Tagesordnungspunkt "Grüne Freiheit - Freiheit und Selbstbestimmung".
    "Wir müssen endlich die Angst davor verlieren, in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein", heißt es in einem Antrag aus Hessen, wo die Grünen mit der CDU regieren. Ein Antrag, der schon im Vorfeld des Parteitages für viele Diskussionen gesorgt hat. Weiter heißt es: Gerade weil so vieles über so viele Jahre erstritten werden musste, fällt es einigen schwer, aus dem Kampfmodus gegen die Gesellschaft herauszukommen. Das aber sei erforderlich, wenn die Grünen 2017 im Bund mitregieren wollen. Eine Spitze gegen Ex-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und den linken Parteiflügel. Undiplomatisch, geradeheraus. Längst gibt es einen versöhnlicher formulierten Änderungsantrag.
    "Ich befürchte, dass wir diesmal den ein oder anderen Journalisten enttäuschen werden, weil's zu harmonisch sein wird", versichert Cem Özdemir. Doch die letzten Wochen und Monate haben gezeigt, dass die Partei ihre Richtung noch nicht wieder gefunden hat und auch noch nicht den richtigen Ton. Stellvertretend dafür stehen die beiden Parteichefs. Nach den Äußerungen Joachim Gaucks zu einem möglichen linken Ministerpräsidenten in Thüringen kritisierte Simone Peter den Bundespräsidenten scharf. Cem Özdemir war - öffentlich - anderer Meinung. Simone Peter spricht sich für eine Vermögensabgabe aus, Özdemir dagegen. Özdemir sagte im Deutschlandfunk zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat:
    "Ich bin der Meinung, dass man ISIS stoppen muss und das muss man zusammen mit den Partnern machen, und muss dafür die, die in der Lage sind, ISIS zu stoppen, unterstützen, auch mit Waffen."
    Seine Co-Vorsitzende schloss Waffenlieferungen aus. Alleingänge, keine Abstimmung. Das Verhältnis sei zerrüttet, heißt es in der Partei. Eine Belastung. Der Rückhalt der beiden schwindet.
    Linke und Realos - ein Konflikt nicht nur in der Parteispitze.
    Während die Grünen an bald acht Landesregierungen beteiligt sind, sitzen sie als kleinste Oppositionsfraktion im Bundestag. Das mache es leicht, Maximalforderungen zu stellen, kritisieren Grüne in den Ländern. Als Teil der Regierung müsse man auch an das Wohl des Landes denken. Beispiel: Die Reform des Asylrechts:
    "Das ist ein Kompromiss, der sich sehen lassen kann und kein fauler Kompromiss", verteidigt Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Zustimmung seines Landes im Bundesrat. Als einzige Regierung mit grüner Beteiligung.
    "Ich bedauere das, das ist ein schwarzer Tag für das Asylrecht und für die Flüchtlinge, aber auch für die Grünen." Claudia Roth, Ex-Parteivorsitzende, Parteilinke und heute Bundestagsvizepräsidentin, ist damals nicht die einzige, die scharfe Kritik übt. Kritik daran kommt von Parteichef Cem Özdemir.
    "Was nicht geht, ist, dass manche in der Partei sich über Parteifreunde mit schärferen Worten geäußert haben in der Vergangenheit wie über die Konkurrenz."
    Kretschmann ist morgen als Redner beim Thema Asylpolitik gesetzt.