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Bundeshaushalt
"Wir geben das Geld dahin, wo es ausgegeben wird"

Finanzminister Olaf Scholz setzt in seinem ersten Haushaltsentwurf auf die schwarze Null. Investieren wolle man vor allem bei den Ländern und Kommunen, sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD Johannes Kahrs im Dlf. Auch das Verteidigungsministerium brauche mehr Geld - müsse jedoch erst mal strukturelle Probleme lösen.

Johannes Kahrs im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 03.05.2018
    Johannes Kahrs, Chef des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, spricht im Bundestag.
    Johannes Kahrs ist Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss (dpa / picture-alliance / Michael Kappeler)
    Dirk-Oliver Heckmann: Finanzminister Olaf Scholz hat dem Bundeskabinett gestern seinen ersten Haushaltsentwurf zugeleitet, und der sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 341 Milliarden Euro vor. Das ist ein Plus von 3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Heißt im Klartext: Die schwarze Null bleibt auch in den kommenden Jahren. Dabei steht Deutschland auch international unter Druck, mehr Geld zu investieren, auch um dem eklatanten Handelsüberschuss entgegenzuwirken. Die Opposition kritisiert, dass die Chance für echte Investitionen vertan werde.
    Am Telefon ist jetzt für uns Johannes Kahrs von der SPD, deren haushaltspolitischer Sprecher. Guten Morgen, Herr Kahrs.
    Johannes Kahrs: Moin, Herr Heckmann!
    Heckmann: Macht Scholz jetzt den Schäuble?
    Kahrs: Er macht eine solide und eine vernünftige Finanzpolitik. Das ist etwas, was wir in den Koalitionsverhandlungen vereinbart haben, was im Koalitionsvertrag steht, und das ist auch gut so.
    Mehr Geld für Länder, Kommunen und Bildung
    Heckmann: Robert Habeck - und er ist nicht der einzige -, der Grünen-Chef sagt aber, die Große Koalition fährt Deutschland auf Verschleiß.
    Kahrs: Ich halte das für Unfug. Es ist so, dass wir mehr Geld für Investitionen ausgeben. Aber es geht nicht immer über die gleichen Haushalte. Das heißt, der Bund gibt sehr viel Geld an die Länder und Kommunen, die damit auch investieren. Das heißt, man muss nicht Geld nur auf Bundesebene ausgeben; man kann Investitionen auch steigern, indem man Länder und Kommunen stärker und handlungsfähiger macht.
    Heckmann: Aber die Frage ist ja, ob diese Investitionen ausreichen, und da ist sich die Opposition uni sono einig: Nein, es reicht überhaupt nicht, gerade vor dem Hintergrund der Ansprüche, die die SPD immer wieder gestellt hat.
    Kahrs: Das kann man sehen wie man will. Wir haben im Koalitionsvertrag beschlossen, dass wir in dieser Legislaturperiode 46 Milliarden mehr ausgeben. Das ist ein ganzer Haufen Geld. Mehr hätten die Grünen übrigens auch nicht zur Verfügung gehabt, wenn die denn dann Jamaika gemacht hätten.
    Wir geben es aus, indem wir zum Beispiel mehr Geld für die Senkung der Kita-Gebühren und für Qualitätsverbesserung in den Kitas ausgeben, für ein Ganztagsschulprogramm zum Beispiel, beim Meister-Bafög, bei Verbesserungen beim Bafög selber. Ich glaube, da gibt es viele Sachen, die wichtig sind, und da wird investiert.
    "Wir geben es dahin, wo das Geld ausgegeben wird"
    Heckmann: Unsere Telefonverbindung ist nicht die allerbeste, Herr Kahrs. Vielleicht können Sie gucken, dass Sie noch ein bisschen näher ans Fenster beispielsweise herangehen. - Trotzdem noch mal zurück auf die Frage: Sie sagen, viele Investitionen gehen indirekt über die Länder, werden in erster Linie nicht richtig dargestellt als Investitionen, sondern als Durchleitung, also technische Gründe. Trotzdem hat man den Eindruck, dass die schwarze Null jetzt zum Dogma wird.
    Kahrs: Von der schwarzen Null reden wir Sozialdemokraten nicht. Davon sitzen genug im Parlament. Was wir machen ist, dass wir keine neuen Schulden machen, und ich glaube, das hat was mit Generationengerechtigkeit zu tun. Wir haben sprudelnde Steuermehreinnahmen. Da muss man nicht jetzt ums Verrecken mehr Geld ausgeben. Da muss man nicht neue Schulden machen, sondern man kann vernünftig wirtschaften und gleichzeitig auch gut investieren.
    Heckmann: Es geht ja nicht darum, ums Verrecken mehr Geld auszugeben, Herr Kahrs. Es war aber doch bisher immer Konsens, auch innerhalb der SPD, dass der Investitionsstau riesig ist.
    Kahrs: So ist das und deswegen muss mehr investiert werden. Wir haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass viel Geld einfach zurückkommt. Zum Beispiel der Breitbandausbau verzögert sich weiter, weil das zuständige Verkehrsministerium das Geld gar nicht ausgeben kann. Es fließt gar nicht ab. Das heißt, wir packen immer mehr Geld drauf, aber der Abfluss verzögert sich.
    Heckmann: Aber dann müsste man doch dafür sorgen, dass das Geld vielleicht investiert wird und nicht die Mittel zu kürzen.
    Kahrs: Das stimmt und deswegen tun wir das ja. Das Geld wird investiert und wir geben es auch dahin, wo das Geld ausgegeben wird, in Länder, und Kommunen, und da wird es dann auch ausgegeben. Der Bund hat so viel Geld investiert, dass es teilweise in bestimmten Bereichen schon schwierig wird, dass Geld abfließt.
    "Wir haben ein strukturelles Problem im Verteidigungshaushalt"
    Heckmann: Das sehen die einzelnen Bundesminister, die sich jetzt zu Wort gemeldet haben, ein bisschen anders. Entwicklungshilfeminister Müller fordert mehr Geld, ebenso wie Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen von der CDU. Der Wehrbeauftragte Bartels von der SPD, Ihr Parteikollege, der hat gestern bei uns im Deutschlandfunk gesagt, in der Tat, natürlich braucht die Bundeswehr mehr Mittel. Muss Olaf Scholz da also nachlegen?
    Kahrs: Die Bundeswehr braucht mehr Geld. Ich bin Oberst der Reserve. Natürlich sehe ich das auch so. dann muss man aber das Geld, was man kriegt, auch ausgeben können. Frau von der Leyen hat in den letzten Jahren fast jedes Jahr eine Milliarde nicht ausgegeben und aus dem Investitionstitel zurückgegeben an den Finanzminister. Wir haben ein strukturelles Problem im Verteidigungshaushalt und das liegt daran, …
    Heckmann: Ist das Missmanagement?
    Kahrs: Ja, natürlich! Das Ministerium funktioniert nicht. Seit 2005 stellt die CDU/CSU die Minister. Da fliegen die Flugzeuge nicht, die Panzer fahren nicht und die Schiffe fahren nicht. Das liegt einfach daran, dass nicht investiert worden ist, dass wir keine Ersatzteilpakete gekauft haben. Das liegt daran, dass man innerhalb des Ministeriums die Inspekteure aus dem Haus geschmissen hat und dass viele Strukturen so gebastelt worden sind, wie die Union sie haben wollte, und jetzt funktioniert das Haus nicht. Das Geld fließt nicht ab.
    Olaf Scholz hat gesagt, dass für vernünftige Rüstungsprojekte immer Geld da ist, aber es muss auch abfließen, und die kriegen 5,5 Milliarden in dieser Legislaturperiode mehr, mehr als Schäuble ihnen geben wollte, und das ist auch so im Koalitionsvertrag vereinbart worden.
    Heckmann: Das heißt, Sie denken, wenn die Ministerin dieses angebliche Missmanagement abstellt, dann sind die Geldprobleme bei der Bundeswehr gelöst?
    Kahrs: Seit Jahren prangern wir das an. Seit Jahren sagt der Wehrbeauftragte das gleiche. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz hat 2.500 unbesetzte Stellen. Das sind die Personen, die das Geld einsetzen müssen, die es umsetzen müssen, und wenn die Stellen nicht besetzt sind, dann funktioniert das nicht. Wenn man selbst bei Munition und bei Treibstoff Probleme hat, das zu besorgen, dann ist das eine Frage, wie man dieses Haus führt.
    "Steuererhöhungen möchte keiner"
    Heckmann: Das heißt, ich verstehe Sie aber richtig, wenn diese Mängel abgestellt sind, dann könnte es durchaus sein, dass da noch mal nachgelegt wird im Verteidigungshaushalt? Es gibt ja auch das Zwei-Prozent-Ziel innerhalb der NATO, von dem Deutschland noch meilenweit entfernt ist. Wenn Olaf Scholz nachlegen muss, ist dann das Ziel der schwarzen Null möglicherweise obsolet, oder gibt es nur Geld für die Bundeswehr oder mehr Geld für die Bundeswehr, wenn zusätzliches Geld in die Kasse kommt, und wie verantwortlich wäre eine solche Politik?
    Kahrs: Im Ergebnis ist es doch so, dass wir in der Vergangenheit alle gesagt haben, wir wollen keine neuen Schulden machen. Olaf Scholz macht das jetzt bei Steuermehreinnahmen. Gleichzeitig fordert die Union in jedem Ressort, in dem sie ist, mehr Geld. Auf der einen Seite will sie keine neuen Schulden machen, fordert ihre berühmte schwarze Null, und auf der anderen Seite fordert sie überall Mehrausgaben.
    Das hat sie zu Zeiten von Wolfgang Schäuble nicht getan. Das Manöver ist durchsichtig. Und wenn man sich einmal anguckt, was das Zwei-Prozent-Ziel heißt, dann heißt das am Ende, wenn es umgesetzt wird, dass wir jedes Jahr 40 Milliarden mehr ausgeben für Verteidigung. Und wenn Sie sich unseren Haushalt jetzt mal angucken, dann ist das eine glatte Verdoppelung des Verteidigungsetats um 40 Milliarden obendrauf.
    Heckmann: Man hat sich aber darauf geeinigt innerhalb der NATO, auf dieses Ziel, zumindest diesen zwei Prozent nahezukommen.
    Kahrs: Genau, diesem Ziel nahe zu kommen, und das wird gemacht. Olaf Scholz legt zu dem, was Wolfgang Schäuble bewilligt hat, noch mal 5,5 Milliarden drauf. Wir gehen in die Richtung. Aber auf der anderen Seite sagt die Union ja nicht, wo sie streichen möchte, wo sie das Geld wegnehmen möchte, wenn sie denn dieses Zwei-Prozent-Ziel unbedingt haben will. Das geht schrittweise in die Richtung, aber wundersame Geldvermehrung gibt es nicht.
    Steuererhöhungen möchte keiner. Wir haben Mehreinnahmen, wir haben uns auf einen Haushalt verständigt und das haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt und da wird das Geld dann auch ausgegeben. Zum Beispiel wird es auch vier Milliarden mehr geben zur Eingliederung von Menschen, die langzeitarbeitslos sind. Da wird man gucken, dass man die wieder in den Arbeitsmarkt kriegt. Auch das ist eine Investition in die Zukunft.
    "Man muss jetzt konkret mit Europa verhandeln"
    Heckmann: Herr Kahrs, nachlegen muss Olaf Scholz auch für Europa, so wie es aussieht, wenn es jedenfalls nach EU-Kommissar Oettinger geht. Auch der hat ja gestern seine Haushaltsplanungen vorgelegt, und zwar möchte Oettinger bis zu zwölf Milliarden Euro mehr von Deutschland Jahr für Jahr. Der CSU-Politiker Michelbach hat bei uns gestern im Deutschlandfunk gesagt, kommt gar nicht in Frage, und Bayerns Ministerpräsident Söder hat gestern sinngemäß gesagt, das könne nicht sein, dass Deutschland die fehlenden Mittel durch den Brexit alleine schultert. Die SPD ist da offener?
    Kahrs: Wir alle wissen - und das steht auch im Koalitionsvertrag und selbst Herr Söder sollte das wissen -, dass wir mehr Geld für Europa ausgeben wollen. Die Frage ist, wie viel es ist und wie es funktioniert. Wir werden unseren Teil dazu tun. Das haben wir mit der CDU/CSU vereinbart.
    Heckmann: Was heißt das konkret?
    Kahrs: Das heißt, dass die Union und wir uns überlegen müssen, wie wir bis 2022 - denn dann fängt das an - das Geld schultern, wie viel es ist. Man muss jetzt konkret mit Europa verhandeln. Der Herr Oettinger, der ja der gleichen Union angehört wie der Herr Söder, ist derjenige, der jetzt eine Forderung aufgestellt hat. Das wird jetzt verhandelt, im Haushalt ist das noch nicht aufgestellt. Das wird dann 2022 anfangen und sich über die Jahre langsam steigern.
    Heckmann: Olaf Scholz hat gestern angedeutet, zehn Milliarden Euro mehr pro Jahr, das könne Deutschland schultern. Sehen Sie das auch so?
    Kahrs: Das, finde ich, hängt davon ab, wie man das macht. Das ist ja die Frage, ob es Mehreinnahmen der Europäischen Union gibt, ob es direkt Zuschüsse gibt. Wir als Deutschland sind der Hauptprofiteur der Europäischen Union. Uns geht es ganz besonders gut auch wegen der Europäischen Union. Und natürlich werden wir unseren Teil tun. Wir profitieren ja auch davon. Jetzt wird man über die nächsten anderthalb Jahre verhandeln müssen, wie und über welche Wege es geht und wer am Ende direkt was zu zahlen hat.
    Heckmann: Johannes Kahrs war das, der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Herr Kahrs, danke Ihnen für dieses Gespräch zur frühen Stunde.
    Kahrs: Immer gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.