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Bundeskulturpolitik
Gerangel um die Nachfolge von Bernd Neumann

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) steht für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung. In Koalitionsgesprächen haben sich CDU/CSU und SPD auf kulturpolitische Inhalte bereits geeinigt, doch die Personalentscheidung ist noch offen.

Von Reinhard Hübsch | 24.11.2013
    In Berlin geht man davon aus, dass die Kultur- und Medienpolitik unter der christdemokratischen Kanzlerin weiterhin von einem Konservativen koordiniert wird, Monika Grütters wird da genannt, die Vorsitzende des Bundestagskulturausschusses, eine erfahrene Fachfrau, der als Berlinerin im ohnehin berlinlastigen Kulturbetrieb kaum Chancen eingeräumt werden, ebenso wenig Oliver Scheytt aus Steinbrücks Kompetenzteam – denn Scheytt ist SPD-Mitglied.
    Mancher hofft, dass aus der Staatssekretärsstelle im Kanzleramt ein eigenes Ministerium wird, und für den Fall haben sich bereits zwei Sozialdemokraten zu Wort gemeldet: Prof. Julian Nida-Rümelin, der unter Gerhard Schröder als Kulturstaatsminister wirkte, doch für die Kulturszene ist der zwar eloquente, aber auch kapriziöse Philosoph nicht gerade erste Wahl, wie auch Klaus Wowereit, der als regierender Bürgermeister von Berlin zugleich als Kultursenator fungiert, wobei die Kärrnerarbeit im Senat aber von André Schmitz geleistet wird. Bliebe noch Prof. Peter Raue, ein unabhängiger, höchst kulturaffiner Jurist - glänzend vernetzt, hatte er einst die MoMA-Ausstellung an die Spree geholt, doch Raue ist, horribile dictu, ebenfalls Berliner. Und dann wird da noch Michael Kretschmer genannt, CDU-Generalsekretär in Sachsen, der 2010 in einer Sponsoring-Affäre unrühmlich auffiel.
    Es könnte aber auch ganz anders kommen, was mancher so kommentiert: Es könnte schlimmer kommen, und zwar aus Gründen der Koalitionsarithmetik: Die CSU besteht nämlich darauf, dreifach am Kabinettstisch vertreten zu sein. Bundesbauminister Ramsauer gilt da als gesetzt (womit die baukulturelle Öffentlichkeit weiter Anlass zur Verzweiflung hat), CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt wird von seinem Chef Seehofer durchgeboxt werden, egal wohin - bliebe am Schluss CSU-Innenminister Friedrich – den aber möchte um jeden Preis Thomas Oppermann von der SPD beerben. Und da die Kanzlerin die Christsozialen zu der Kabinettigkeit verpflichtet hat, zumindest eine Dame zu entsenden, könnte man sich im Gerangel auf eine Kultur-Politikerin der CSU verständigen – was nicht nur in Berlin und nicht nur in der Kultur manchen die Hände über den Kopf zusammenschlagen lässt, weil man sich fragt: Wen, bitte schön?
    Und was soll der oder die Nachfolgerin von Bernd Neumann in den nächsten vier Jahren bewegen? Vieles im Bereich Digitalisierung, wobei dem Urheberrecht eine ganz besondere Rolle zukommt. Die vom Bund zu finanzierenden Einrichtungen benötigen viel Aufmerksamkeit, will heißen: viel Geld. Der oder die Neue wird sich also der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den Berliner Festspielen, dem Haus der Kulturen der Welt und so weiter widmen und, natürlich, dem Humboldtforum. Während das Berliner Schloss gebaut wird, wird man in den nächsten Jahren daran arbeiten müssen, wie die umstrittene Immobilie im Innern gestaltet wird und, vor allem, wer Intendant des Hauses wird. Die Künstlersozialkasse benötigt weiterhin viel Geld und eine bundesweite Kulturstatistik – aber die ist nicht finanzierbar. Kultur in Europa – auch darüber wurde in der Arbeitsgruppe verhandelt und, alle Jahre wieder, ob nicht das Außenministerium die auswärtige Kulturpolitik an den Staatsminister abgeben will, also die Verantwortlichkeit für die Goethe-Institute, für den Deutschen Akademischen Austauschdienst – aber wer immer Guido Westerwelle nachfolgt (und der Kurswert von Ursula von der Leyen ist immer noch sehr hoch), wird aus reinem Egoismus zu solchen Überlegungen Nein sagen – denn die auswärtige Kulturpolitik macht knapp 40 Prozent des Außen-Etats aus – und welcher Außenminister gibt einen solchen Brocken schon gern ab?