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Reformation in Serie
Luthers Thesen - neu gelesen (38)

Die Historikerin Katharina Kunter, die katholische Theologin Johanna Rahner und der islamische Theologe Mouhanad Khorchide kommentieren Luthers 38. These.

09.08.2017
    These 38: "Was der Papst erlässt und woran er Anteil gibt, ist keineswegs zu verachten, weil es die Kundgabe der göttlichen Vergebung ist."
    Katharina Kunter, Historikerin: "Eine finde ich noch recht papstfreundliche These. Er formuliert, dass er keine grundsätzliche Verachtung gegenüber dem Amt des Papstes hat und er sieht den Papst doch noch im engen Schulterschluss mit Gott. Er sagt: Göttliche Vergebung, das ist nicht zu verachten. Auch da spricht wieder das Vertrauen – oder das rhetorische Vertrauen – Luther gegenüber dem Papst aus."
    Johanna Rahner, katholische Theologin: "Luther als Freund und Verteidiger des Papstes? Das passt ganz und gar nicht zu den traditionellen konfessionalistischen Stereotypen, ist aber hier weder strategisches Argument, noch will Luther gut Wetter machen. Es ist viel mehr Beleg dafür, dass Luthers Ablassthesen auf die Reform der Kirche, aber nicht auf deren Spaltung abzielen. Es sind die Vorschläge des theologischen Lehrers zur Verbesserung der konkreten Probleme der Kirche seiner Zeit – nicht das theokratische Programm eines Reformators auf dem Weg in eine neue Zeit."
    Mouhanad Khorchide, islamischer Theologe: "Nach islamischem Glauben kann ausschließlich nur Gott vergeben, denn nur Gott kennt uns Menschen und kennt auch die Hintergründe, so dass wir weder einen Papst haben noch irgendeine religiöse Autorität, die in irgendeiner Form berechtigt ist, Menschen als Sündige zu erklären oder ihnen Vergebung zu vermitteln. Worauf es ankommt, ist das Gewissen des Einzelnen. Entsprechend ist jeder Mensch individuell für sich vor Gott verantwortlich für sein Handeln."
    Konzeption und Realisierung: Christiane Florin, Andreas Main, Christian Röther, Simonetta Dibbern