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Bundesliga-Kommentar
Stiller Trend ohne Pointe?

83 Tage bis zur nächsten Bundesliga-Saison. Nur für den HSV gibt es noch keine Ruhe. Das Urgestein der Liga muss oder darf wieder in die Relegation. Und sonst – an was werden wir uns noch erinnern von dieser ersten Spielzeit nach dem WM-Titel?

Von Moritz Küpper | 23.05.2015
    Die Spieler des FC Bayern München feiern mit der Meisterschale
    Die Spieler des FC Bayern München feiern mit der Meisterschale. (Andreas Gebert, dpa picture-alliance)
    Die Bayern sind Meister. Klar. Es gab einen fast beispielslosen Hinrunden-Absturz mit glanzvollem Rückrunden-Comeback bei Borussia Dortmund, es gab die Rückkehr des einstigen Spitzenklubs Borussia Mönchengladbach ins Top-Tableau der Liga und einen aufopferungsvoll kämpfenden Liga-Neuling Paderborn, von dem zumindest ein Rekordtor aus 82 Metern bleibt.
    Einen großen Einschnitt, das Ende einer Ära, gab es zudem in Dortmund: Sieben Jahre lang hat Jürgen Klopp den BVB zu einem Widersacher der Bayern gemacht, Titel gewonnen und letztendlich ein Duell mit dem Rekordmeister geprägt, an dessen Ende die Münchener Klopp fast dankbar sein müssen. War es doch der Dortmunder Coach, unter dessen Regie sich auch der Rekordmeister erneuern musste und verbessert hat. Ob Dortmund in Zukunft weiterhin oder eher gesagt, wieder, Widersacher Nummer eins ist, wird sich aber noch zeigen müssen.
    Fakt aber ist: Die Bundesliga – das hat auch der spannendste Abstiegskampf aller Zeiten mal wieder bewiesen – ist mittlerweile Deutschlands größte Unterhaltungsindustrie, trotz Eurovision Song-Contest heute Abend. Dies ist keine neue Erkenntnis, dessen Konsequenzen sich aber noch nie so deutlich zeigten, wie in dieser Spielzeit – in der kommerzielle Strukturen so weit vorgedrungen sind wie noch nie.
    Wir erinnern uns an die Sommerpause im letzten Jahr, als mit Red Bull Leipzig erstmals ein reines Marketing-Instrument die Lizenz der Deutschen Fußball-Liga bekam. Es war außerdem die Saison, in der mit Dietmar Hopp erstmals ein Privatmensch die Mehrheit eines Bundesligisten übernommen hat – und in der die Nummer zwei in dieser Liste, Martin Kind bei Hannover 96, alle Weichen dafür stellte. Es war die Spielzeit, in der die Kombination VW und VfL Wolfsburg, nicht zuletzt mit dem 30-Millionen-Euro Winterpausen-Transfer von Weltmeister Andre Schürrle, seine Konzern-Ambitionen ziemlich deutlich durchschienen ließ und in der der zweite Werksklub, Bayer Leverkusen, so viel wie noch nie in Transfers investiert hat. Und es ist die Spielzeit, in der mit dem FC Ingolstadt bereits eine weitere, allerdings eher verdecktere, Konzern-Variante den Aufstieg bereits geschafft.
    Die vielgerühmte 50+1-Regel, nach der die Vereinsmitglieder bei Bundesliga-Klubs die Stimmmehrheit halten müssen, sie ist so fraglich – oder härter: scheinheilig – wie nie.
    Nimmt man die börsennotierten Dortmunder hinzu oder die FC Bayern München AG, deren Anteilseigener größtenteils Großkonzerne sind – der Trend schein klar und unaufhaltsam. Natürlich, Bundesliga-Vereine sind mittlerweile Unternehmen, und auch der Hamburger SV hat die Ausgliederung der Profimannschaft beschlossen.
    Doch stellt sich heute die Frage, was bleibt von der Spielzeit 2014/2015? Dann sind es der 25. Bayern-Titel oder das Ende der Ära Klopp beim BVB. In der nächsten Woche könnte es dann der Abstieg des letzten verbleibenden Gründungsmitgliedes der Bundesliga, eben des HSV, sein. Das wäre – ehrlicherweise – das passendere Symbol dieser schleichenden, nicht ganz neuen, aber doch unumkehrbaren Veränderungen in der Bundesliga. Dann wäre die Abkehr der 50+1-Regel fest mit einem Ereignis verbunden.
    Doch selbst wenn diese Pointe ausbleiben sollte, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass in zehn oder zwanzig Jahren von dieser Spielzeit nicht der Bayern-Titel bleibt, nicht das Ende der Ära Klopp, sondern vielmehr der Anfang von endgültigen klaren, wirtschaftlichen Verhältnissen – und das Ende der 50+1-Regel.