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Bundespräsidentenkandidat der Linken
Butterwegge on tour

Der emeritierte Sozialwissenschafts-Professor Christoph Butterwegge startet in diesen Tagen seinen Wahlkampf als Kandidat für das Bundespräsidentenamt. Er tritt für die Linkspartei an und will vor allem mit sozialen Themen punkten. Der Ex-Sozialdemokrat gilt allerdings als chancenlos.

Von Anke Petermann | 12.01.2017
    Der Armutsforscher Christoph Butterwegge
    Christoph Butterwegge will der nächste Bundespräsident werden - hat aber kaum Chancen. (imago)
    "Ja, dann herzlich willkommen euch und Ihnen!"
    Der Saal unterm Dach des Hessischen Landtags hat sich gefüllt: Linken-Fraktionschefin Janine Wissler begrüßt Abgeordnete und Stadtverordnete, Mitglieder und Vorstände ihrer Partei. Und drei Grüne, die der parteiübergreifenden Einladung zur Präsentation des Kandidaten gefolgt sind. Christoph Butterwegge selbst ist 2005 wegen der Hartz-Reformen aus der SPD ausgetreten und parteilos, wird vom Publikum aber geduzt wie ein Genosse. Viele kennen ihn aus den Medien: Zum Thema soziale Spaltung ist der Kölner Armutsforscher häufiger Gast in Talkshows. Ein Outsider, aber kein Unbekannter.
    "Ich freu' mich unheimlich, dass du kandidierst, das ist ganz großartig", schwärmt Michael Erhardt, stellvertretender Landeschef der Linken.
    Schöpfer des Begriffs "Paternoster-Effekt"
    Der hauptamtliche IG-Metaller sieht Gewerkschaftspositionen bei Butterwegge "eins zu eins" aufgehoben. Der Professor und Buchautor kreierte einst den Begriff "Paternoster-Effekt", damit argumentierte er gegen die Hypothese an, dass der Aufschwung alle im Fahrstuhl nach oben mitnimmt und die Massenarbeitslosigkeit alle nach unten. Arm und reich fahren getrennt, hält Butterwegge dagegen.
    "Die einen fahren nach oben, und die anderen fahren nach unten, und zwar zur selben Zeit, und zwar deshalb, weil arm und reich zwei Seiten derselben Medaille sind. Niedrige Löhne bedeuten hohe Gewinne. Deshalb kann man durch Reichtumsförderung nicht die Armut bekämpfen, sondern man muss die Armut bekämpfen, indem man den Reichtum antastet."
    Der Armutsforscher redet gern über Reiche, auch mit Namensnennung. Der Polarisierer, der Bundespräsident werden will, sieht keinen Anlass zur Zurückhaltung, zum Beispiel BMW-Großaktionären gegenüber.
    "Sie sind zu wenig präsent, auch in Bezug darauf, dass sie stärker besteuert gehören und dass auf dieser Art und Weise der Staat in den Stand gesetzt werden müsste, soziale Probleme zu lösen.
    Anwalt der Benachteiligten
    Positionen, mit denen Butterwegge beim linken Publikum in Wiesbaden punktet. Weder professoral noch präsidial wirkt der Kandidat im knallroten Polo-Shirt unterm steingrauen, etwas groß geratenen Sakko. Der knapp 66-Jährige sieht jünger aus. Ältere Linke kennen ihn seit 35 Jahren aus der Friedensbewegung. Damals forschte Butterwegge in Bremen über Rüstungskonversion, später zum Rechtsextremismus und zur Migration, irgendwann landete er beim Thema Kinderarmut.
    Den Sohn einer alleinerziehenden Mutter lässt das Thema bis heute nicht los – selbst fühlte er sich als Schüler abgewertet – wegen seiner sozialen Herkunft. Deutschland, eine sozial tief gespaltene Gesellschaft, so hat er es früh erlebt. Wäre er derzeit Bundespräsident - die Große Koalition hätte sich wahrscheinlich eine Rüge von ihm eingefangen - für die Nullrunde bei Hartz IV für Kinder. Als Anwalt für die Benachteiligten zu polarisieren, daran findet der Kandidat der Linken nichts Schlechtes.
    "Auch die Reden von Bundespräsidenten könnten durch aus politisch und weniger pastoral sein." – Beifall – "Dafür würde ich mich jedenfalls einsetzen", meint der Außenseiter mit einem Seitenhieb auf den scheidenden Joachim Gauck.
    Soziale Frage neu besetzen
    Ein Diplomat wie Steinmeier will Ex-Sozialdemokrat Butterwegge keinesfalls sein, das ist ganz nach dem Geschmack der Linkspartei. Der linke IG Metaller Michael Erhardt hofft, dass Butterwegge mit seiner kämpferischen Art auch die Sozis unter den Gewerkschaftern in der Bundesversammlung auf seine Seite zieht. Vor allem aber gehe es darum:
    "Die soziale Frage so zu besetzen, dass nicht Ausgrenzung, Nationalismus und Abschottung die Antwort ist, sondern dass die Antwort ist, das Geld da zu holen, wo es ist, nämlich bei den Superreichen."
    Vermögenssteuer einführen, Erbschaftssteuer erhöhen – das kann zwar kein Bundespräsident. Aber Butterwegge hat ja auch kaum Chancen, es zu werden. Was seine Kandidatur dann bringt, außer das Thema soziale Ungerechtigkeit auf der Tagesordnung zu halten? Ein Signal will er setzen - für ein rot-rot-grünes Bündnis. Nach Berlin und Thüringen ist jetzt die Bundesebene dran, dazu bläst jedenfalls der rote Präsidentschaftskandidat im roten Polo-Shirt.