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Schulprojekt
Tablet und Smartphone als kleines Physik-Labor

In einem Physiklabor an der Universität Kaiserslautern lernen Schüler, wie sie Smartphones und Tablets für Messungen und Experimente verwenden können. Die Visualisierung mit Apps auf vertrauten Alltagsgegenständen verspricht effektiveres Lernen, glauben Didaktiker.

Von Anke Petermann | 23.08.2018
    Die Theorie der allgemeinen Relativität wird in der Schule auf einem Tablet angezeigt | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
    Physikexperimente auf dem Tablet: Einsteins Formel aus der Relativitätstheorie (Bildagentur-online)
    Mit ausgestrecktem Arm auf Schulterhöhe lässt Philipp einen gelben Ball fallen. Jonas zückt ein Tablet und fotografiert ihn. Dabei erklärt der 14-Jährige, was er und sein älterer Mitschüler im Versuchs-Modul iMechanics des Kaiserslauterer Schülerlabors gerade tun:
    "Also, wir machen eine Aufnahme von der Fallbewegung des Balles, die Position des Balles im Verhältnis zur Zeit. Und damit machen wir jetzt eine Messung. Hier oben kann man die FPS einstellen, das heißt, wie viele Frames oder Fotos pro Sekunde aufgenommen werden. Und die Shutter-Zeit bestimmt, wie häufig die Position des Balls - so wie ich's verstanden habe ..."
    Jonas blickt fragend zu Michael Thees. Der Doktorand der Physik-Didaktik assistiert den beiden Zehntklässlern dabei, die Videoaufnahme der Fallbewegung erst scharf zu stellen und dann mit Hilfe einer App auf dem Tablet auszuwerten.
    Tablets sind mehr als elektronische Lehrbücher
    Jonas klickt "Bewegungsanalyse" auf dem Tablet an, ein Kurvendiagramm legt sich über die Ballbewegung der Bilderserie. Der Doktorand fragt die Schüler:
    "Was seht ihr jetzt hier bei den einzelnen Flugphasen, nenn ich's jetzt mal?"
    Jonas analysiert die abflachenden Bewegungskurven des Balls.
    "Die potentielle Energie, die er hat, wird in kinetische umgewandelt, aber er verliert circa immer 50 Prozent seiner kinetischen Energie."
    Philipp geht in die neunte, eine Tablet-Klasse. Doch als physikalisches Messgerät hat er seinen Mini-PC im Schulalltag noch nicht eingesetzt. Sondern:
    "Wir haben unsere Bücher da drauf. Wir haben Messergebnisse direkt vom Reagenzglas abfotografiert."
    Selbst in Tablet-Klassen werden die handlichen PCs oft nur als eine Art E-Book genutzt, fällt Robin Carkadjija auf, Lehramtsstudent und wissenschaftliche Hilfskraft in der Physikdidaktik. Dabei könne man auch im Smartphone die vielen Sensoren für Schall, Bewegung oder Magnetismus ganz einfach für den Physikunterricht aktivieren.
    Physik-Apps und Lehrer-Fortbildung
    "Zu jedem Sensor, der in Ihrem Handy verbaut ist, gibt es eine App, die diese Daten aufnehmen und verarbeiten kann. Wenn Sie 'Magnetsensor' im Appstore googeln, dann kriegen Sie viele Treffer angezeigt. Und wenn sie einen von den ersten Treffern runterladen und den mal ausprobieren und einen Magneten zur Hand haben vom Kühlschrank, und mal dran halten, findet man auch schnell raus, wo der Magnet-Sensor an Ihrem Endgerät verbaut ist. Und je nachdem, wie nah Sie rankommen, entsprechend schwach oder stark ist das Signal, und sie kriegen es angezeigt auf ihrem Smartphone."
    Carkadjijas Erfahrung:
    "Manche Schüler sind so begeistert, die kriegt man davon gar nicht weg. Und ich kann mir vorstellen, dass dies sich zuhause die Apps auf ihre eigenen Geräte laden und einfach mal selbst experimentieren, was ihnen Spaß macht."
    Weniger probierfreudigen Lehrkräften biete der Fachbereich Physikdidaktik in Kaiserslautern eine Liste mit Apps an - und Fortbildung zum Einsatz digitaler Medien im Physikunterricht. Was Pädagogen da mitnehmen können, erklärt Professor Jochen Kuhn:
    "Sie erleben, wie sie mit den Medien selbst lernen können. Also, im Prinzip Modell-Lernen als Schüler. Und zum zweiten zeigen wir ihnen natürlich, wie sie dieses Medium auch als Unterrichtsgegenstand zum Lernen für ihre Schule einsetzen."
    Die Physikdidaktiker verleihen Koffer mit digitalen Medien in Klassenstärke, samt Lernmaterialien. Auf Anfrage gehen sie auch mit in den Unterricht. Begleitend erforschen sie, ob die Hypothese zutrifft, dass Schüler mit dem Alltagsgegenstand Smartphone und den Visualisierungen mit Hilfe der Apps effektiver lernen. Denn, so Professor Kuhn:
    Intuitives Lernen, gerade in den MINT-Fächern
    "Man weiß aus der Lehr-Lern-Forschung in den MINT-Bereichen, dass die Verwendung von solchen Darstellungen und der kompetente Umgang damit Grundvoraussetzung für eine erhöhte Problemlösekompetenz und Konzeptverständnis ist. Und diese Medien stellen solche Darstellungen in sehr einfacher Weise bereit."
    So intuitiv, das die Zehntklässler Jonas und Philipp mit nur wenig Hilfe die Bewegungsanalyse mit dem Tablet selbständig auf ein anderes Experiment übertragen haben.