Donnerstag, 25. April 2024

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Historikerin über die Demütigung
Weggucken leistet "Entzivilisierung Vorschub"

Bei Demütigungen gebe es immer ein Machtungleichgewicht, sagte die Historikerin Ute Frevert im Dlf. Soziale Medien machten sie leichter und gefährlicher. Sie plädiert für ein Einüben von respektvollem Verhalten als erzieherische Aufgabe. Einer Gesellschaft dürfe Demütigung nicht egal sein.

Ute Frevert im Gespräch mit Birgid Becker | 26.12.2019
Ein Mensch hält seine Hände zum Schutz vor sein Gesicht.
Ute Frevert sagt, dass soziale Medien Demütigungen leichter und gefährlicher machen würden (imago / Pixsell)
Bei einer Demütigung geht es darum, bei einer Person, die sich keine eigene Verfehlung zuschulden hat kommen lassen, sie zu degradieren, zu entwürdigen, weil sie einer Gruppe zugehört, der man selbst feindlich gegenüber steht, definierte die Historikerin Ute Frevert im Dlf. Es gebe keinen Anlass in dem Sinne - im Unterschied zur Beschämung. Demütigung könne auch nur dann als solche verstanden werden, wenn jemand Macht über eine andere Person habe.
Auch die Presse habe auch ihre Mittel genutzt, Personen an den Pranger zu stellen. Es sei aber auch schwierig, die feine Linie zu beachten zwischen berechtigter Kritik und einer nicht akzeptablen Demütigung.
Soziale Medien machen Demütigungen leichter
Es gebe immer ein Machtungleichgewicht. Soziale Medien machten Demütigungen leichter. Sie seien gesichtsunabhängiger; es sei leichter, jemanden zu demütigen, dem man nicht gegenüberstehe. Und die sozialen Medien würden Demütigungen auch gefährlicher machen, weil es sich verbreite.
Man müsse aber da noch einmal den Unterschied machen zu Hassmails und Vernichtungsandrohung - da ginge es nicht um Demütigung, sondern um Vernichtung. Mit offiziellen Verboten würde sie sich deshalb zurückhalten.
Ute Frevert lehnt an eine Wand und lächelt in die Kamera.
Die Historikerin Ute Frevert plädiert für Aufklärung und Erziehung, um Demütigungen abzubauen (imago/Hans Scherhaufer)
Aber Frevert plädiert für eine echte Aufklärung und Erziehung und auch ein Einüben von respektvollem Verhalten. Einerseits seien alle wahnsinnig sensibel, wenn es um ihre Ehre und ihre eigene Identität gehe. Andererseits gehe man unglaublich bedenkenlos mit der Würde von anderen um. Diese Paradoxie ins Bewusstsein zu heben, sei eine pädagogische Aufgabe.
Eine Gesellschaft signalisiere durch das Weggucken, dass ihr die Form des respektvollen Aushandelns auch von Streit und von Unstimmigkeiten und Machtkämpfen, dass ihr das vollkommen egal sei und sie damit einer Entzivilisierung Vorschub leiste.
Das komplette Interview können Sie in der Audiothek nachhören.