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Katzenwesen, ein Surrealist und ein Startenor

Oscar-Preisträger Tom Hooper hat die singenden und tanzenden Katzen fürs Kino adaptiert. Biografisch wird es im Animationsfilm „Buñuel – Im Labyrinth der Schildkröten“ über den spanischen Filmregisseur sowie im Dokumentarfilm „Pavarotti“, der die Karriere des italienischen Opernstars schildert.

Von Jörg Albrecht | 23.12.2019
Szene aus "Cats" - Judi Dench in ihrer Rolle als Old Deuteronomy
Szene aus "Cats" - Judi Dench in ihrer Rolle als Old Deuteronomy (www.imago-images.de)
Wo soll man da anfangen? Wo soll man anfangen bei einem Film, an dem alles furchtbar ist? Vielleicht mit dem, wofür der Film noch am wenigsten kann: der Musik.
"Mondlicht, schau hinauf in das Mondlicht."
Der Gassenhauer "Memory": In der Synchronfassung natürlich – wie alle anderen Lieder des Musicals "Cats" auch – auf Deutsch gesungen, oder treffender gesagt: erst dahingehaucht, dann hinausgeschrien:
"Spür´ mich, komm zu mir und berühr´ mich!"
Lachnummer des Jahres
Gar nicht mal so … gut! Akustisch hat diese Musicalverfilmung also schon einmal versagt. Und der Begriff Katzenmusik ist auch bei "Cats" nicht als Kompliment gemeint. Das aber ist noch nichts gegen die visuelle Katastrophe, die Regisseur Tom Hooper und sein Team zu verantworten haben. Ihre Entscheidung, den Darstellern nachträglich im Computer Katzenhaare zu verpassen, und sie auch noch zu kastrieren, ist die Lachnummer des Jahres.
"Heute Nacht ist eine magische Nacht, in der ich die Katze küre, die ein neues Leben verdient."
Nicht nur, dass den Darstellern, darunter die arme Judi Dench, die aussieht wie das Biest in Jean Cocteaus Märchenfilm "Es war einmal", das virtuelle Fell über die Ohren gezogen wird: Nein – auch die Proportionen zu den Requisiten und Kulissen stimmen nicht. Künstlerisch ist "Cats" eine Bankrotterklärung, dramaturgisch aber auch. Das fast komplett inhaltlose Musical hangelt sich seelenlos von einer verstaubten Gesangseinlage zur nächsten.
"Gut, das wird so nicht funktionieren, oder?"
Man muss sich schon wundern, dass scheinbar niemand im Entstehungsprozess des Films so etwas wie Katzenjammer verspürt und die Notbremse gezogen hat.
"Cats": ärgerlich …
… und auf seine Weise sehr surreal. Womit wir bei Luis Buñuel wären und einem Film über sein Leben. Anders als bei "Cats" ist die künstlerische Gestaltung hier eine naheliegende und auch kluge.
Der Spanier Salvador Simó hat eine Graphic Novel in einen Animationsfilm verwandelt. In dem zeichnet er Buñuels Anfänge als Regisseur nach. 1929 war dieser mit dem Kurzfilm "Der andalusische Hund" über Nacht berühmt geworden. Doch schon ein Jahr später löst Buñuels zweite Regiearbeit "Das goldene Zeitalter" Tumulte aus.
"Blasphemie!"
"Das ist ein Skandal!"
Dächer wie Schildkrötenpanzer
Mit der Karriere scheint es bereits vorbei zu sein, bevor sie richtig begonnen hat. Ein befreundeter Bildhauer verspricht Buñuel daraufhin, seinen nächsten Film zu finanzieren, falls er in der Weihnachtslotterie gewinnen sollte.
"Das wäre wirklich surrealistisch. Ein Lotteriegewinn."
Das Los gewinnt tatsächlich, und Buñuel startet sein neues Projekt. Er will einen Dokumentarfilm über die Region Les Hurdes im Iberischen Gebirge drehen, der damals wie auch heute noch ärmsten Region Spaniens.
"Diese kleinen, engen und verwinkelten Straßen sehen aus wie ein Labyrinth."
"Ein Labyrinth in einem Labyrinth."
"Die Dächer erinnern mich an Schildkrötenpanzer."
Die Dreharbeiten zu "Les Hurdes" stehen im Zentrum von "Buñuel – Im Labyrinth der Schildkröten". Salvador Simós Film ist sozusagen ein nachträgliches "Making of". Immer wieder wird die Animation durch kurze Passagen aus dem Dokumentarfilm ergänzt. Simó eröffnet spannende Einblicke in die Gedankenwelten Buñuels, der nicht nur ein surrealistischer Filmemacher war, sondern auch ein sozialkritischer. Und das umso mehr nach seinen Impressionen aus Les Hurdes.
"Buñuel – Im Labyrinth der Schildkröten": empfehlenswert
"Unser Beruf ist sehr speziell. Man wird nicht von einem Tag auf den anderen bekannt. In diesem Werdegang ist einem noch nicht bewusst, was später passieren wird.
Luciano Pavarotti erzählt. Und wenn nicht der Startenor in alten Fernsehinterviews zu sehen und zu hören ist, dann erzählen die, die ihn gekannt, begleitet und mit ihm zusammengearbeitet haben: Domingo, Gheorghiu, Mehta, Bono. Sie alle bestätigen, welch großartiger Sänger und noch großartigerer Mensch Signor Pavarotti gewesen ist.
Es menschelt
Der Dokumentarfilm als reiner Fanservice: eine von "Da Vinci Code"-Regisseur Ron Howard aus Archivbildern und Interviews kompilierte, chronologische Hommage an einen der größten Opernstars des 20. Jahrhunderts. Je öfter es menschelt in dieser Doku …
"Er sagte: Weißt du, bis jetzt habe ich dich geliebt. Aber ab jetzt bete ich dich an."
… desto mehr wird aus der Großen Oper eine Seifenoper. Wie wenig originell Ron Howards Film ist, zeigt sich allein in der Platzierung von Pavarottis "Nessun Dorma". Sein Auftritt aus dem Jahr 1990 als einer der "drei Tenöre" dient – wer hätte das gedacht?! – als Schlussakkord der Doku.
"Pavarotti": enttäuschend