Christiane Grefe: "Global Gardening"

Verständliche Einführung in die Bioökonomie

Eine Schale mit Biokohle aus Pflanzenresten steht am 17.07.2013 am Rande einer Pressekonferenz in Berlin auf einem Tisch. Das Bundeskabinett hat eine "Politikstrategie Bioökonomie" beschlossen, mit der die biobasierte Wirtschaft in Deutschland gestärkt und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu vermindert werden soll.
Eine Schale mit Biokohle aus Pflanzenresten © picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke
Von Johannes Kaiser · 08.04.2016
Die Zukunft unserer Industrie, Landwirtschaft und Biospähre steht auf dem Spiel - das macht das Buch "Global Gardening" deutlich. Die Autorin Christiane Grefe lässt alle Akteure zu Wort kommen und zeigt dabei auch, dass in der Industrie ein Gesinnungswandel stattfindet.
Retortenleben und Ökosystemschutz, Gentechnik und Bioanbau - die Bioökonomie umfasst zahlreiche Aspekte, wie die Journalistin Christiane Grefe in ihrem aktuellen Reportage-Buch anschaulich beschreibt. Sie hat die Forschungsstätten großer Unternehmern besucht und mit Wissenschaftlern, Technikern, Landwirten und Politikern gesprochen.
Kein Aspekt bleibt unerwähnt, jedes noch so kleine Detail wird anschaulich erklärt. Das ist wichtig, denn schnell wird klar: Nicht weniger als die Zukunft unserer Industrie, unserer Landwirtschaft und unsere Biosphäre steht auf dem Spiel. Das Zeitalter des Erdöls geht zuende. Natürliche Ressourcen müssen es ersetzen. Sie sollen als Biomasse Energie liefern, als Rohstoffe für die chemische Industrie dienen, und die Ernährung sichern - all das bei einer zunehmenden Weltbevölkerung.

Gentechnik in der Bäckerei? Längst in Anwendung

In sieben Kapitel zeigt Christiane Grefe, welche Wege die Bioökonomie derzeit einschlägt. In Laboren rund um die Welt suchen Forscher nach Pilzen, Mikroben und Enzymen aus der Natur, um sie modifiziert zum Beispiel in der Lebensmittelproduktion einzusetzen. Bereits heute werden beim Backen gentechnisch veränderte Enzyme eingesetzt, um die Backwaren länger haltbar und knuspriger zu machen.

Dank der "CRISPR cas 9" genannten Genschere kann man heute die DNA eines Organismus gezielt auseinanderschneiden und neu zusammensetzen. Man hofft auf neue Medikamente, veränderte abbaubare Kunststoffe, ertragreichere Agrarpflanzen. Die synthetische Biologie, die sich ebenfalls zur Bioökonomie zählt, hofft, zukünftig Organismen mit völlig neuen Eigenschaften künstlich erschaffen zu können.

Die technische Revolution in der Landwirtschaft

Zur Bioökonomie gehört auch die Präzisionslandwirtschaft, die die Eigenschaften von jedem Quadratzentimeter Ackerboden genau erfasst. Entsprechend kann gedüngt, gespritzt und bewässert werden. Wertvolle Ressourcen sollen so gezielt und sparsam eingesetzt werden. Selbst der Bioanbau könnte davon profitieren und seine Produktion steigern. Agrarökologie nennt sich die neue Richtung. Dazu gehören äußerst wirksame Veränderungen bei kleinbäuerlichen Betrieben in den Entwicklungsländern. So haben zum Beispiel kleine, kreisrunde Schutzwälle um Ackerpflanzen in der Sahelzone dafür gesorgt, dass vertrocknete Äcker wieder grün wurden, Bäume wuchsen und der Grundwasserspiegel anstieg.

Christiane Grefe vermeidet in ihrem Buch Schuldzuweisungen, sie lässt in Streitgesprächen gegensätzliche Positionen zu Wort kommen, so dass sich die Leser ein eigenes Bild machen können. Dass ihre Sympathien eher bei ökologischen Methoden als bei Agrobusinesstechnologien liegen, ist zwar unschwer zu erkennen, aber sie zeigt auch, dass bei den großen Chemie- und Agrarunternehmen ein Gesinnungswandel stattfindet. Christiane Grefe bildet die aktuelle Debatte einsichtig und verständlich ab. Wer mitreden will, sollte ihr Buch lesen. Es bietet einen perfekten Überblick über die derzeitige Debatte rund um die Bioökonomie.

Christiane Grefe: "Global Gardening. Bioökonomie - neuer Raubbau oder Wirtschaftsform der Zukunft?"
Kunstmann Verlag 2016 272 Seiten, 22,95 Euro

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