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Bundesregierung senkt Wirtschaftsprognose
Sorge um Europas Musterschüler

Noch im April hatte die Bundesregierung für dieses Jahr einen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von 1,8 Prozent vorhergesagt. Nun wurde die Prognose abgesenkt: auf 1,2 Prozent. Dennoch mag Wirtschaftsminister Gabriel kein düsteres Bild malen. Im Gegenteil. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sei gut.

Von Stefan Maas | 14.10.2014
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Gut sind die Zahlen nicht, die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Mittag in Berlin präsentiert.
    "Insgesamt erwarten wir für dieses Jahr eine Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts um 1,2 Prozent, für das nächste Jahr um bis zu 1,3 Prozent."
    Gegenüber der Schätzung im Frühjahr gleich zweimal ein deutliches Minus. Im April hatte die Bundesregierung für dieses Jahr noch einen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von 1,8 Prozent prognostiziert, für nächstes Jahr sogar zwei Prozent.
    Die Gründe für die gesenkten Prognosen, so der Wirtschaftsminister, lägen vor allem außerhalb Deutschlands. Der Ukraine-Konflikt und die deshalb verhängten Sanktionen gegen russische Unternehmen haben auch deutsche Firmen getroffen. Und die weltwirtschaftliche Lage habe sich spürbar abgekühlt.
    "In vielen Schwellenländern bleibt die Entwicklung hinter der Dynamik der letzten Jahre zurück. Vor allem aber die Erholung im Eurogebiet. Unser nach wie vor größter Absatzmarkt mit gut 40 Prozent unserer Exporte kommt nur langsam voran. Deutsche Exporte werden deshalb in diesem und voraussichtlich auch im nächsten Jahr weniger stark zunehmen, als noch im Frühjahr erwartet."
    Gute Entwicklung auf dem heimischen Arbeitsmarkt
    Dennoch mag der Wirtschaftsminister kein düsteres Bild malen von der Entwicklung der heimischen Wirtschaft. Im Gegenteil. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sei gut.
    "Im Jahr 2013 werden 325.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Die allermeisten davon ganz reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse."
    Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt ermögliche angemessene Lohnsteigerungen, die Nettolöhne und Gehälter je Arbeitnehmer würden in diesem Jahr um 2,6 Prozent und im kommenden Jahr um 2,7 Prozent steigen. Das bedeute auch mehr Geld für den privaten Konsum, der in diesem und nächsten Jahr Haupttreiber des Wirtschaftswachstums sei. Insgesamt lasse sich aus diesen Daten erkennen, sagte Gabriel, dass hektische Rufe nach einer anderen deutschen Finanzpolitik der falsche Weg seien.
    "Die Bundesregierung jedenfalls geht davon aus, dass sie ihren Haushalt ohne neue Schulden - die berühmte schwarze Null - mit den jetzt prognostizierten Wachstumszahlen von 1,2 Prozent im Jahr 2014 und bis zu 1,3 Prozent im Jahr 2015 erreichen kann."
    Damit reagierte Gabriel auf Forderungen aus der eigenen Partei, angesichts der eingetrübten Konjunkturaussichten den Sparkurs der Regierung zu überdenken. Haushaltskonsolidierung sei kein Selbstzweck, hatte der stellvertretende Parteivorsitzende Ralph Stegner erklärt und höhere Investitionen in Bildung und Infrastruktur gefordert. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, den Gabriel im September zum Leiter einer Expertenkommission berufen hat, die bis zum Frühsommer Vorschläge für eine Investitionsagenda der Regierung vorlegen soll, sprach sich für eine Abkehr von der Sparpolitik aus. Die Regierung müsse signalisieren, dass sie alle Möglichkeiten habe, die Wirtschaft zu stabilisieren - und wenn notwendig, auch Ausgaben zu erhöhen und Konjunkturprogramme aufzulegen. Gabriel wies diese Forderung zurück. Schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme seien der falsche Weg. Und würden die Wirtschaft außerhalb Deutschlands auch nicht stimulieren.
    "Mehr Schulden in Deutschland schaffen kein Wachstum in Italien, Frankreich und Griechenland."