Death Cab For Cutie

Das Werk eines Musikarbeiters

Ben Gibbard, Sänger der Band "Death Cab for Cutie" auf der Bühne
Ben Gibbard, Sänger der Band "Death Cab for Cutie" auf der Bühne © imago stock&people
Von Christoph Möller · 16.08.2018
Death Cab For Cutie lieferten einst die Begleitmusik für den Herzschmerz vieler Teenager. Doch mit der Band sind auch deren Themen gealtert. Ihre neuen Songs handeln von Gentrifizierung und davon, worauf es im Leben wirklich ankommt.
Es ist so lange her. Wie ein Mantra singt Ben Gibbard diese Zeile im Song "I Dreamt We Spoke Again".
Vor 20 Jahren gründete Gibbard Death Cab For Cutie in Bellingham, Washington, einer Kleinstadt an der Westküste der USA. Die ersten Songs – aufgenommen im Keller seiner WG, mittlerweile entsteht neue Musik in Seattle – in einem Büro.
"Musikmachen ist für mich ein Bürojob. In dem Sinne, dass ich tatsächlich einen Raum in einem Bürogebäude nutze. Ich mag es, auf diese Weise zu arbeiten, denn Songwriting ist für mich wie Sport: Du musst deine Muskeln ständig trainieren, damit sie nicht verkümmern. Du kannst nicht auf Inspiration hoffen – du musst jeden Tag hart arbeiten."

Ein Album wie ein Fabrikwerk

Manchmal schreibe er wochenlang keinen einzigen Song, sagt Gibbard. Dann gehe er schon nach dem Mittagessen wieder nach Hause. Aber wenn er dann mal eine gute Idee hat, merke er: Das Warten hat sich gelohnt. Und sowieso: Er sei eben keiner von denen, die ständig gute Ideen haben.
"Ich wünschte, ich wäre einer dieser kreativen Menschen, die ständig Dinge tun und als Künstler geboren wurden. Die fangen einfach an zu malen und es entsteht etwas Großartiges, oder sie fangen an zu schreiben und schreiben direkt einen Roman! So bin ich nicht. Kreativ sein war für mich immer eine intellektuelle Herausforderung."
Ben Gibbard: Ein Musikarbeiter. Das Album klingt dann auch eher als sei es in einer Fabrik zusammengestellt worden, und nicht nach dem großen Wurf eines Genies: Zehn ambitionierte Songs. Die Harmonien anschmiegsam, Gibbards nicht ganz perfekter Gesang ist immer leicht entfremdet: Manchmal klingt es, als singe er durch ein Megafon, meist singt er im Chor mit sich selbst. Kleine Fehler werden so geschickt übertönt.
Insgesamt ist "Thank You For Today" ein mittelmäßiges Album. Höhepunkte sind Stücke, die abweichen vom gängigen Strophe-Refrain-Schema. Etwa "When We Drive", eine träge Hymne, die mit Wiederholung arbeitet und ein Gefühl von Endlosigkeit vermittelt.
Ein Liebeslied. Die Platte ist eine Rückkehr zum Sound der Anfangsjahre. Weniger Experiment, mehr Gitarre. Eine Retroplatte. Aber ist es nicht wichtig, wenigstens ein bisschen die Gegenwart im Blick zu haben?
"Nein, das glaube ich nicht. Als Musikfan gibt es kaum etwas, das ich weniger mag, als Bands, die so lange Musik machen wie wir, und versuchen, um jeden Preis irgendwie gegenwärtig zu klingen. Auf mich wirkt das wie ein verzweifelter Versuch, kulturell relevant zu bleiben."

Emotionale Songs für Musikfans Ende 30

Der Versuch, in Würde zu altern – auch im Pop. Verständlich. Gibbard konzentriert sich auf das, was er gut kann: Emotionale Songs, bloß nicht mehr für Teenager, sondern für Musikfans Ende 30. Da geht es dann nicht mehr um junge Liebe, sondern um den Verlust nahestehender Menschen, um Gentrifizierung und – im besten Song der Platte, "60 & Punk", um die Frage, worauf es ankommt im Leben, und ob man früher, als Jugendlicher, wirklich glücklicher war?
"Ich war früher nicht glücklicher, das Leben war bloß einfacher."
Und, sagt Gibbard, es gehe nicht immer nur darum, etwas zu erreichen, manchmal müsse man mit dem glücklich sein, was man gerade hat. Etwa mit diesem Album, "Thank You For Today", das keine großen Weisheiten vermittelt, aber für den Moment ein angenehmer Zeitvertreib ist. Gar nicht so retro, aber eben auch nicht wirklich zeitgemäß.
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