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Bundestag
Opposition: Integrationsgesetz verhindert Integration

Das Integrationsgesetz soll Einwanderern gezielt Angebote machen, sieht aber auch Sanktionen bei einer Verweigerung vor. Die Regierung nennt es einen Meilenstein, Hilfsorganisationen und die Opposition schimpfen über das "Integrations-Verhinderungsgesetz". Heute wird es in erster Lesung im Bundestag besprochen.

03.06.2016
    Integrationskurs in Hannover
    Integrationskurs in Hannover (dpa / picture-alliance / Julian Stratenschulte)
    Das von der schwarz-roten Bundesregierung vorgelegte Integrationsgesetz ist von der Opposition im Bundestag scharf kritisiert worden. Bei der ersten Lesung am Freitag sprach die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen von einem "Integrations-Verhinderungsgesetz", das Lohndumping Vorschub leiste. Sie bezieht sich auf die geplante Schaffung von 100.000 Ein-Euro-Jobs, um Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive noch während des Asylverfahrens an den Arbeitsmarkt heranzuführen.
    Pro Asyl: "Restriktionen statt Integration"
    Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl bemängelt vor allem die Einschnitte bei den Rechten von Geflüchteten. "Anstatt der versprochenen Integration setzt die Große Koalition auf neue Restriktionen", erklärte Pro Asyl. "Die vorgesehenen Maßnahmen sind kontraproduktiv, weil sie Integration behindern und gesellschaftliche Ausschlüsse begünstigen." Die Organisation kritisierte zudem: "Leistungseinschränkungen halten Flüchtlingen ihr Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum vor." Vor einiger Zeit hatte die Organisation bereits beklagt, dass das Gesetz rechte Stimmungen in Deutschland bediene, indem man suggeriere, dass sich Flüchtlinge nicht integrieren wollen.
    Besonders umstritten ist die Wohnsitzzuweisung. Das Gesetz sieht vor, dass der Staat schutzberechtigten Zuwanderern nicht nur einen Wohnort vorschreiben kann, sondern ihnen auch ausdrücklich verbieten darf, an einen bestimmten Ort zu ziehen. "Zwangsweise Wohnortzuweisungen beschneiden unzulässig die Freizügigkeit von anerkannten Flüchtlingen", bemängelte Pro Asyl. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck nannte die Wohnsitzauflage ein "administratives Monster".
    De Maizière: Fehler aus der Vergangenheit vermeiden
    Das sehen die Autoren des Gesetzes anders. Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann beendet das Gesetz die Debatte, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist. "Das ist jetzt geklärt", sagte Oppermann im ARD-Morgenmagazin. "Dieses Integrationsgesetz ist in Wirklichkeit der erste Schritt zu einem Einwanderungsgesetz, mit dem wir die Einwanderung von Arbeitnehmern nach Deutschland besser steuern können", sagte Oppermann.
    Allerdings widersprach ihm Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einem Teil. Eine Debatte über ein Einwanderungsgesetz "geht heute am Thema vorbei", sagte er. De Maizière bezeichnete das Integrationsgesetz als "Zäsur". Den nach Deutschland geflüchteten Menschen mit Bleibeperspektive werde ein Angebot gemacht. Es werde von ihnen aber auch Einsatzbereitschaft und "Respekt für die gemeinsame Grundlage unserer Gesellschaft" erwartet. De Maizière begründete die Wohnsitzauflage damit, dass so Fehler der Vergangenheit und die Ghetto-Bildung in Städten und Gemeinden verhindert würden.
    Merkel: Gesetz ist ein Meilenstein
    Die Rahmenbedingungen des Gesetzes hatte die Bundesregierung nach ihrer Klausurtagung als "Meseberger Erklärung" veröffentlicht. "Ich glaube, es ist ein Meilenstein, dass der Bund ein Integrationsgesetz verabschiedet", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel anschließend. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung Flüchtlingen auf der einen Seite den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern. Auf der anderen Seite sollen sie bei der Integration in die Pflicht genommen werden.
    (nch/kis)