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Neuer Denisovaner-Fund
Prähistorisches Date mit den Neandertalern

Mit der Entdeckung des prähistorischen Denisova-Menschen, einer weiteren Urmenschform, gelang Leipziger Forschern bereits eine anthropologische Sensation. Ein neuer Knochenfund legt nun nahe, dass Denisovaner und Neandertaler auch gemeinsame Kinder zeugten.

Von Christine Westerhaus | 23.08.2018
    Neandertaler-Schädel während der Gastausstellung - Wege zum Menschen - im Museum für Naturkunde in Berlin anlässlich des 200. Geburtstages von Charles Darwin.
    Verwandtschaft mit Denisova nachgewiesen: Neandertaler-Schädel im Museum für Naturkunde in Berlin (imago / Steven Lambert)
    Manchmal haben Forscher ganz einfach Glück. Schon 2008 machten Svante Pääbo und sein Team mit dem Knochen eines Denisova-Menschen einen Sensationsfund. Er belegte, dass zeitgleich neben Neandertaler und modernem Menschen noch eine weitere Menschenform existierte. Jetzt haben die Forscher am selben Fundort in der Denisova Höhle im Altai-Gebirge einen Einblick in das Intimleben der Denisovaner gewonnen: Ein neuer Knochenfund beweist, dass die Denisovaner dort oder in der Nähe mit Neandertalern angebändelt haben und gemeinsame Kinder bekamen. Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig:
    "Es hat mich natürlich total überrascht, dass wir so viel Glück haben werden, dass wir über eine erste Generation, so ein Kind stolpern, das wirklich ein Elternteil von einer Gruppe und ein Elternteil von der anderen Gruppe haben. Wir hatten schon die Ahnung, dass sie sich auch getroffen haben. Aber jetzt haben wir sozusagen den richtigen Hinweis bekommen."
    Dieser Hinweis stammt von einem Knochenfragment, das nur etwa zwei Zentimeter lang ist. Es gehört zu einem Mädchen, das vor mehr als 50.000 Jahren in der Höhle gelebt hat und mindestens 13 Jahre alt war, als es starb. Die Analyse ihrer Erbsubstanz ergab, dass ihr Vater Denisova-Mensch war, ihre Mutter jedoch Neandertalerin. Und noch etwas konnten Pääbo und sein Team vom Max-Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig aus dem Erbmaterial des Mädchens herauslesen: Auch die Vorfahren ihres Vaters, der ja zu den Denisova Menschen gehörte, hatten sich irgendwann einmal mit Neandertalern eingelassen.
    Prähistorische Techtelmechtel
    "Wir konnten auch noch zeigen, dass es kleine Stücke auf den Chromosomen gibt, wo auch der Denisova-Vater Neandertal-DNA-Fragmente hat. So geht es weiter zurück in der Familiengeschichte, ziemlich viele Generationen zurück, da gab es auch noch eine Mischung mit Neandertalern. So zeigt zeigt es sich, dass diese zwei Gruppen sich miteinander vermischt haben, wenn sie sich getroffen haben. Wir wussten das eigentlich schon von Untersuchungen der Genome, aber jetzt haben wir den richtigen Hinweis, dass das tatsächlich passiert."
    Besonders häufig waren diese prähistorischen Techtelmechtel jedoch nicht, meint Svante Pääbo. Auch wenn das vermutlich nicht an mangelndem sexuellem Interesse lag.
    "Es deutet darauf hin, dass man sich oft gemischt hat, wenn man sich getroffen hat. Aber man hat sich wahrscheinlich nicht so oft getroffen. Es waren wahrscheinlich nicht viele Menschen vorhanden damals, man hat zum größten Teil getrennt gelebt: Der Denisova-Mensch in Asien, der Neandertaler in Europa und im westlichen Asien - und nur wahrscheinlich in diesem Gebieten im Altai Gebirge ist man aufeinander getroffen."
    Ein auf August 2010 datiertes Handout des Max-Planck-Institutes für evolutionäre Anthropologie Leipzig zeigt den Backenzahn eines Menschen, der in der Denisova-Höhle im südlichen Sibirien gefunden wurde. Bei den Ausgrabungen hat ein internationale Forscherteam das Kerngenom eines mindestens 30.000 Jahre alten Fingerknochens analysiert. Foto: Viola Bence/Max-Planck-Institut | Verwendung weltweit
    Backenzahn eines Menschen aus der Denisova-Höhle in Sibirien (Viola Bence/Max-Planck-Institut)
    Außerhalb dieses Gebiets in Sibirien, in dem auch die Denisova-Höhle liegt, sind die verschiedenen Frühmenschenformen also offenbar unter sich geblieben. Nur der moderne Mensch hat alle Kontinente erreicht, erklärt Anthropolge Pääbo:
    "Eine große Frage ist natürlich immer noch: Wieso hat nur der moderne Mensch eigentlich überlebt, wieso sind die anderen Menschenformen nicht mehr da? Eine Erklärung oder ein Teil der Erklärung ist ganz sicher das Verhalten von modernen Menschen. Irgendwas macht den modernen Menschen einzigartig, indem er Kultur und Technologie entwickelt, was einem erlaubt, über die ganze Welt sich zu verbreiten und sehr zahlreich zu werden. Und vielleicht wurden dann diese anderen Formen einfach absorbiert in der modernen menschlichen Bevölkerung, wurden einfach aufgenommen und machten dann zwei Prozent ungefähr aus in Eurasien."
    Denisovaner-DNA bei heute lebenden Menschen
    Denn zwei Prozent der Erbanlagen, die Forscher im Genom von jetzt lebenden Menschen in Europa und Vorderasien finden, stammen von Neandertalern. Und auch der Denisovaner hat sich vor mindestens 40.000 Jahren mit dem modernen Menschen eingelassen: Im Erbgut von heute lebenden Menschen in Südostasien und Ozeanien finden sich Spuren von Denisovaner-DNA. Ob es in der Denisova-Höhle auch zu intimen Begegnungen zwischen modernem Menschen und Neandertaler kam, ist bisher unklar. Aber Svante Pääbo und sein Team arbeiten unter Hochdruck daran, mehr über die spannenden Begegnungen in der Denisova-Höhle heraus zu bekommen.
    "Das ist die einzige Höhle, wo wir wissen, dass dort sowohl Neandertaler wie Denisova Menschen, als auch moderne Menschen gelebt haben. Wir werden mehr Individuen untersuchen, von dieser Höhle, und wir werden auch DNA von den Sedimenten, von jeder Schicht in der Höhle, untersuchen und hoffen, dass wir dann wirklich die Populationsgeschichte in der Denisova-Höhle feststellen können. Es scheint klar, dass Denisovaner zuerst da waren, dann kamen Neandertaler. Aber wann die zusammen da waren und ob die wechselweise da waren - sowas hoffen wir, dass wir anhand von DNA Sedimenten feststellen können."