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Bundestagsdebatte über Kölner Übergriffe
Grüne sehen Versäumnisse beim Sexualstrafrecht

Die Abgeordneten des Bundestags haben die Folgen der Übergriffe in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof debattiert. Mitglieder aller Fraktionen forderten die konsequente Bestrafung der Täter. Bundesjustizminister Maas sagte, die Hilfe für Millionen Flüchtlinge werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass einige Hundert von ihnen kriminell seien.

13.01.2016
    Katrin Göring-Eckardt wirft der Regierung vor, Gesetzesverschärfungen verschleppt zu haben.
    Katrin Göring-Eckardt wirft der Regierung vor, Gesetzesverschärfungen verschleppt zu haben. (picture alliance/dpa - Jörg Carstensen)
    Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eröffnete die Debatte mit einer Ansprache zum Anschlag in Istanbul mit zehn deutschen Todesopfern. Man werde sich nicht der Angst ausliefern, die Terroristen in Metropolen und Städte tragen wollen. Trauer schweiße zusammen.
    Herkunft nicht als Vorwand oder Erklärung für Taten
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stellte drei Aspekte ins Zentrum seiner Rede. Erstens dürfe sich in Deutschland, unabhängig vom Pass, niemand über Recht und Gesetz stellen. Zweitens gebe es für sexuelle Übergriffe keine Entschuldigung und Rechtfertigung. Der kulturelle Hintergrund sei als Erklärung nicht akzeptabel. Drittens müssten Kriminelle für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Bei kriminellen Ausländern sei auch die Ausweisung eine solche Konsequenz. Das sei nicht nur angemessen, sondern auch notwendig.
    Die Politik dürfe nicht zulassen, dass sich Bürger Sorgen um die Handlungsfähigkeit des Staates machen. Auch Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer forderten laut Maas, dass die Täter vom Silvesterabend hart bestraft würden. Auch "Schutzlücken" im Sexualstrafrecht sollen geschlossen werden, kündigte Maas an.
    Das "Triumphgeheul von Populisten und Rassisten" sei widerlich und Krawalle von rechtsradikalen Hooligans seien genauso empörend wie die Ereignisse von Köln. "Wir werden unsere Hilfe für Millionen Flüchtlinge in Not nicht dadurch in Frage stellen lassen, dass einige Hundert von ihnen kriminell sind", so der Bundesjustizminister.
    Göring-Eckardt: Opfer müssen möglicherweise Versäumnisse der Regierung ausbaden
    Die Vorsitzende der Grünenfraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, kritisierte die Bundesregierung dafür, dass sie Gesetzesänderungen im Sexualstrafrecht verschleppt habe: "Sie hätten dieses Gesetz schon haben können. Das baden jetzt möglicherweise Opfer von Köln aus." Sexuelle Übergriffe seien kein neues Problem. Neu sei diese Erscheinungsform, die man zuvor nur aus patriarchalen Gesellschaftsformen wie Indien oder Marokko gekannt habe.
    Die Grünen-Politikerin kritisierte weiter, dass der Vorstoß von Bundesinnenminister Thomas de Maizière und seinem Kabinettskollegen Maas, kriminelle Ausländer schneller abzuschieben, keine ausreichende Lösung sei: "Wohin wollen Sie die Flüchtlinge abschieben? Madaja oder Raqqa? Sie wissen, das geht nicht", sagte sie in Anspielung auf die Verwüstung und die Gefahren im Bürgerkriegsland Syrien.
    Es gebe Probleme, die ließen sich nicht mit dem Bundesgesetzblatt erschlagen, so Göring-Eckardt. Der Schlüssel sei Integration.
    Unterschiedliche Auffassungen über kulturelle Zusammenhänge
    Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sagte, man solle nicht fragen, wie man Ausländer besser abschiebe, sondern wie man Frauen, Männer und Kinder generell besser vor sexualisierter Gewalt schütze. Wer behaupte, sexuelle Gewalt sei ein kulturelles Problem, mache sich zum Helfershelfer von AfD und Pegida. Es dürfe keinen Bonus und keinen Malus für die Herkunft der Täter geben.
    Ole Schröder (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, sagte, die Polizei in Land und Bund sowie die Politik würden alles dafür tun, dass sich so etwas wie die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht in Deutschland nicht wiederhole. Es gebe keine rechtsfreien Räume. Schröder dankte den Polizeibeamten, die vor Ort im Einsatz waren.
    Er betonte, dass diejenigen, die in Deutschland Schutz suchten, aber Straftaten begingen, "hier nichts zu suchen" hätten. Es dürfe nicht verschwiegen werden, woher die Täter kamen und dass auch kulturelle Aspekte eine Rolle spielten. Die Silvesternacht zeige, dass jede Integrationskraft einer Gesellschaft endlich sei.
    Ruf der CDU nach Untersuchungsausschuss im Landtag
    Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Thomas Strobl forderte einen Untersuchungsausschuss zu den Übergriffen der Silvesternacht im nordrhein-westfälischen Landtag. Dort sollen unter anderem Verfehlungen der Landespolizei untersucht werden. Auch der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sprach sich für einen Untersuchungsausschuss aus. Nach einer Sitzung des Bundestags-Innenausschusses sagte Schuster, NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) habe bisher nichts Substanzielles zu einer Bundesübersicht über die Kriminalität von Ausländern beigetragen.
    Im Innenausschuss hatte Innenminister Jäger zuvor über die Angriffe in der Silvesternacht berichtet. Er widersprach der Darstellung, dass Kriminalität von Ausländern in Nordrhein-Westfalen verharmlost würde. "Ich würde es als fatal erachten, wenn die Herkunft von Straftätern verschleiert würde", sagte Jäger. Die Verantwortung für die Vorkommnisse lägen bei der Einsatzführung der Polizei, die keine weiteren Kräfte angefordert habe.
    (vic/fwa)