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Bundestagswahl 2017
Rot-rot-grüne Bündnisspekulationen

Es war SPD-Chef Gabriel selbst, der ein Mitte-links-Bündnis für die kommende Bundestagswahl ins Gespräch gebracht hatte. Dabei dürften es vor allem die inhaltlichen Abweichungen zwischen Linkspartei und Sozialdemokraten sein, die ein Regierungstrio mit den Grünen zumindest derzeit unwahrscheinlich erscheinen lassen. Doch Fürsprecher gibt es in allen drei Parteien.

Von Volker Finthammer | 10.07.2016
    Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke)
    Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) hat seiner Partei geraten, "an der Nato-Frage diese Koalitionsmöglichkeit nicht unmöglich zu machen". (dpa / picture-alliance / Martin Schutt)
    Der SPD Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte angesichts der erstarkenden AfD und dem Umfragetief der Sozialdemokraten das Thema selbst ins Rollen gebracht. Gabriel hatte nach den vergangenen Landtagswahlen für ein Mitte-Links-Bündnis als Reaktion auf das Erstarken der Rechten plädiert. Übersetzt in die nüchternen Zahlen der Wahlumfragen kann das nur ein rot-rot-grünes Bündnis bedeuten, das gegebenenfalls mit einer eigenen regierungsfähigen Mehrheit aufwarten könnte. Aber Zahlenspiele sind das eine. Bei den Inhalten liegt ein solches Bündnis noch weit auseinander. Sarah Wagenknecht, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Deutschen Bundestag, hat heute im Interview der Woche des Deutschlandfunks noch einmal den sozialen Korrekturbedarf angemahnt, den die Linkspartei mit Blick auf eine mögliche Koalition als notwendig ansieht.
    "Wir haben in Deutschland seit der Jahrtausendwende in etwa eine Politik, die auf massive Weise soziale Sicherungssysteme zerstört hat. Die Rente, die Arbeitslosenversicherung, auch im Gesundheitsbereich, in immer mehr Bereichen werden Menschen in unsichere und prekäre Situationen gebracht. Und das muss sich ändern. Und, wenn Herr Gabriel das möchte, wenn er wirklich eine Politik möchte, die eben gerade auch die Verheerungen der Agenda 2010 zurücknimmt, dann hat er uns als Partner. Aber, wenn er einfach nur Kanzler werden will, aber es soll sich politisch nichts ändern, dann ist es wahrscheinlich nicht eine gute Idee, das mit der Linken zu versuchen."
    Wagenknecht zeigt sich in dem Gespräch jedoch skeptisch. Die Haltung der SPD sei uneindeutig und schwanke von Tag zu Tag. Ein gemeinsames Projekt setze jedoch gerade in den sozialen Fragen ein klares Bekenntnis der Sozialdemokraten voraus.
    "Ich glaube auch, dass wir ein anderes Wahlergebnis hätten, wenn die Menschen daran glauben würden, dass es wirklich eine alternative Regierungsoption gibt, weil das ja viele auch dazu ermutigen würde, wieder zur Wahl zu gehen, die sich längst zurückgezogen haben. Also insoweit ja, aber ich möchte eine Politik, wo die Menschen sich dann auch wieder aufgehoben fühlen und nicht das Gefühl haben, hier wird eigentlich von mächtigen Wirtschaftslobbys über ihre Köpfe hinweg regiert."
    Aber die Sozialpolitik ist nicht die einzige Trennwand zwischen den Linken und der SPD. Auf eine weitere wies der SPD Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann im Gespräch mit dem Berliner "Tagesspiegel" hin. Die Linke müsse "ohne Vorbehalte akzeptieren, dass jede Bundesregierung der internationalen Verantwortung Deutschlands etwa im Rahmen der Nato jederzeit gerecht werden müsse". Wer die die Auslandseinsätze der Bundeswehr kategorisch ablehne, sei nicht anschlussfähig, fügte der SPD-Politiker hinzu. Eine Koalition mit der SPD könne es nur mit verlässlichen Abgeordneten geben. Oppermann wandte sich damit gegen den Linken Flügel in der Linkspartei.
    Antwort erhielt Oppermann prompt von Bodo Ramelow. Der Ministerpräsident von Thüringen, der als ein Pragmatiker innerhalb der Linken gilt und einer rot-roten Regierungskoalition vorsteht, rät seiner Partei im Gespräch mit der deutschen Presseagentur, "an der Nato-Frage diese Koalitionsmöglichkeit nicht unmöglich zu machen". Die Partei müsse ja nicht gleich zum begeisterten Nato-Anhänger werden. Die Erfahrung von eineinhalb Jahren Rot-Rot-Grün in Thüringen habe gezeigt, dass strittige Themen, auch nicht in jedem Fall gleich endgültig entschieden werden müssten. Im Deutschlandfunk betonte Sarah Wagenknecht dagegen, dass gerade durch die aktuellen Entscheidungen der Nato das Verhältnis zu Russland immer schwieriger werde.
    "Das, was die Nato jetzt macht, seit Jahren und forciert eigentlich in der letzten Zeit, das sind Kriegsspiele. Und das ist eine hochgefährliche Politik. Wir müssen doch einfach einsehen, dass es in Europa Sicherheit nur mit Russland gibt und nicht gegen Russland."
    Diese beiden kleinen Ausschnitte zeigen bereits, dass die Gräben für ein rot-rotes Regierungsbündnis auf Bundesebene sicherlich noch zu groß sein dürften, um sie bis zum Herbst des kommenden Jahres aus dem Weg räumen zu können. Denn da hat man es auf beiden Seiten mit Grundsatzfragen zu tun, die nicht einfach beiseite geschoben werden können. Schaut man auf die aktuellen Wahlumfragen, dann scheint derzeit der Druck auch wieder etwas geringer zu werden. Die internen Querelen und Zerlegungsversuche in der AfD sorgen bereits für deutliche Einbrüche in der Zustimmung für die Partei. Der vom Meinungsforschungsinstitut Emnid für die "Bild am Sonntag" erhobene Deutschlandtrend weist für die AfD nur noch zehn Prozent aus, mit sinkender Tendenz.