Zum Tod des YSL-Gründers Pierre Bergé

Im Zeichen des Poeten

Der YSL-Gründer Pierre Berge.
Der YSL-Gründer Pierre Berge. © EPA
Von Kathrin Hondl · 08.09.2017
Mäzen, Geliebter, Manager: Nicht nur Yves Saint Laurent verhalf Pierre Bergé zum Durchbruch. Der Mode-Tycoon unterstützte Politiker von Mitterrand über Chirac bis Ségolène Royal und Emmanuel Macron und rettete "Le Monde". Nun ist er mit 86 Jahren gestorben.
"Moi je reste à l’ombre ..." - "Er bleibe lieber im Schatten, er möge den Schatten",...
... sagte der 86-jährige Pierre Bergé vor einem guten halben Jahr in einem Fernsehinterview. Und tatsächlich war er ein Mann, der vor allem im Hintergrund wirkte - als erfolgreicher Unternehmer und als Freund und Förderer von Kunst und Kultur. Die französische Republik ernannte Pierre Bergé zum "Grand mécène des arts et de la culture". 2001 war das, mehr als 50 Jahre nachdem er als 17-jähriger aus seinem Heimatort auf der Atlantikinsel Oléron nach Paris gekommen war. Von seinem ersten Tag dort 1948 erzählte Pierre Bergé oft, denn was damals geschah erschien ihm als Wink des Schicksals.
"Ich war im Kino gewesen, in einem Cocteau-Film, und spazierte auf den Champs-Elysées, als über mir plötzlich jemand aus dem Fenster sprang. Er landete neben mir auf dem Trottoir. Ich kannte ihn nicht, erst am nächsten Tag las ich in der Zeitung, dass es der Dichter Jacques Prévert war. Ich habe das immer als ein Zeichen gesehen, dass mir an meinem ersten Tag in Paris ein Dichter auf den Kopf gefallen war."

Zuerst das kreative Werk und danach das Geschäft

Denn fortan sollten Künstler die Hauptrolle spielen im Leben von Pierre Bergé - und er eine entscheidende Rolle für die Karriere dieser Künstler. In den 50ern lebte er acht Jahre lang mit dem Maler Bernard Buffet zusammen. An der Seite von Pierre Bergé, der ihm Geliebter und Manager in Personalunion war, stieg Bernard Buffet zum Star der französischen Nachkriegskunstszene auf. Doch dann, 1958, lernte Pierre Bergé eine neue, seine grosse Liebe kennen, den jungen talentierten Yves Saint Laurent. Und auch dessen Karriere förderte er mit ausserordentlichem Geschick und Erfolg. 1961 gründeten Bergé und Saint Laurent das Unternehmen, das mit den Entwürfen Saint Laurents die Modewelt revolutionieren sollte.
"Ohne mich hätte es dieses Modehaus Yves Saint Laurent natürlich nicht gegeben. Talentiert wie er war, hätte er sicher auch etwas anderes machen können. Aber dieses Modehaus habe ich geschaffen – für ihn. Ich habe es so gestaltet, dass es zu ihm passte, zu seiner Kreativität. Bei mir kam immer zuerst das kreative Werk und danach das Geschäft, es war nie umgekehrt."
Und das Geschäft lief. Pierre Bergé machte viel Geld, und er machte viel aus dem Geld. Er engagierte sich im Kampf gegen Aids und für die Rechte von Homosexuellen, unterstützte Politiker von Miterrand über Chirac bis Ségolène Royal und Emmanuel Macron, und er investierte Zeit seines Lebens in Medienunternehmen. 2010 wurde er Teilhaber und in gewisser Weise auch ein Retter des unter der Zeitungskrise leidenden Traditonsblatts "Le Monde". Vor allem aber liebte und förderte Pierre Bergé Kultur und Kunst. Mehrere Jahre leitete er in Paris das Théâtre de l’Athénée, von 1988 bis 93 war er Präsident der Pariser Oper. Und zusammen mit Yves Saint Laurent sammelte er Kunst. 2009, nach dem Tod Saint Laurents, versteigerte Bergé die Sammlung. Mit dem Erlös – mehr als 373 Millionen Euro – förderte er unter anderem die medizinische Forschung und seine Stiftung, die Fondation Yves Saint Laurent, die Kultur- und Bildungsprojekte unterstützt und vor allem das Erbe Yves Saint Laurents bewahrt. Noch dieses Jahr sollen in Marrakesch und Paris zwei Yves-Saint-Laurent-Museen eröffnen.

Helfen ohne Gegenleistung

Mäzen sein, sagte der Geschäftsmann Pierre Bergé 2016 im Radiosender France Culture, "Mäzen sein heisst den Menschen zu helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten".
"Viele Leute glauben, Kultur ist notwendig. So wie man die Zähne putzen muss, zweimal am Tag, braucht es ein bisschen Kultur. Man muss sich dann langweilen gehen im Theater oder Konzert. Aber das ist für mich keine Kultur. Kultur muss man leben! Sie muss Teil von einem sein, sie muss Teil des Lebens sein. Sie muss unverzichtbar sein. Unverzichtbar ist das richtige Wort."
"Frankreich verliert einen aussergewöhnlichen Mann" schrieb die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo heute auf Twitter. Ein Verlust, der besonders im Kulturleben schmerzlich zu spüren sein wird.
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