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Bundeswehr
Das Militär kann auch für Frauen attraktiv sein

Seit die Bundeswehr eine Freiwilligenarmee ist, muss sie um jeden Rekruten werben. Deshalb soll der Soldatenberuf insgesamt attraktiver werden, auch für Frauen. Und tatsächlich steigt ihre Zahl trotz der zunehmenden Zahl gefährlicher Auslandseinsätze.

Von Claudia Ullrich-Schiwon | 20.11.2014
    Soldatinnen in der Ehrenformation der Bundeswehr während der Ankunft der Fregatte "Hamburg" an der Überseebrücke im Hafen von Hamburg
    Frauen in der Bundeswehr (dpa / picture alliance / Marcus Brandt)
    "Der erste rein."
    "Sicherheitsprüfung durchführen."
    "Wegtreten, Nächster."
    Nachdem Hauptfeldwebel Birgit Quibeldey den Rekruten die Waffen ausgehändigt hat, steht für die jungen Soldaten und Soldatinnen heute Schießtraining auf dem Plan.
    Birgit Quibeldey, 29, ist Zeitsoldatin und seit zehn Jahren bei der Truppe. Hier beim 22. Sanitätsregiment ist die blonde, mittelgroße, sportliche Frau für Materialbeschaffung und Bewirtschaftung zuständig.
    "Das bedeutet alles: Sanitätsmaterial, die Container, die Waffen und so weiter, dafür bin ich verantwortlich."
    Logistik sei eine sehr komplexe und abwechslungsreiche Tätigkeit, sagt sie. Ihr kleines Büro ist mit vielen Fächern und Ablagen wohl sortiert. An der Schranktür hängt ihre graue Uniformjacke gespickt mit Auszeichnungen. Ins Auge sticht eine große, goldene Brosche: Adler im Lorbeerkranz:
    "Das ist das Leistungsabzeichen der Bundeswehr. Das erhält man, wenn man den Marsch, die sportlichen Leistungen und das Schießen in Gold bestanden hat. Also die Sanitäter müssen ebenfalls genauso kämpfen und schießen können und an der Waffe ausgebildet sein, wie alle anderen Soldaten auch."
    Sind das gerade für Frauen attraktive Job Voraussetzungen?
    "Ja definitiv. Ich bin zu 100 Prozent Soldat. Ich mache das mit Leib und Seele und für mich ist er abwechslungsreich, die Kameradschaft ist für mich ein ausschlaggebender Punkt, warum mein Job so attraktiv für mich ist, und ja ich habe Freude daran."
    Der richtige Beruf trotz Auslandseinsätzen
    Auch Auslandseinsätze gehörten jetzt selbstverständlich mit zu diesem Beruf, betont Birgit Quibeldey. 2011 war sie mehrere Monate im afghanischen Kundus. Dort gab es ständig Angriffe auf das Feldlager, Konvois mussten mit fern gezündeten Sprengfallen rechnen und Patrouillen gerieten häufig in Hinterhalte der Taliban.
    "Also bei mir war es so, dass es einige heiße Phasen gegeben hat, in Afghanistan und natürlich stellt man sich die Frage, warum ist das jetzt so, warum müssen Kameraden fallen?"
    Auch nach diesem gefährlichen Einsatz hat Birgit Quibeldey keine Zweifel, dass sie den richtigen Beruf ergriffen hat. Ähnlich sieht es. Stabsunteroffizier Julia Schulze-Bertelsbeck. Die gelernte Arzthelferin will mindestens 16 Jahre bei der Truppe dienen. Sie weiß, aus ihrem Einsatz im Kosovo, dass Auslandseinsätze belastend sind und nicht die attraktive Seite des Berufes darstellen.
    "Natürlich nicht. Aber man muss sich halt mit dem Beruf Soldat befassen."
    Unterm Strich ist auch Julia Schulze-Bertelsbeck überzeugt, dass ihre Entscheidung für die Bundeswehr richtig war. Passt das auch zu ihrer Familienplanung?
    "Wie es dann aussehen wird, wenn ich mal Familie habe, Kinder habe, das werden wir dann sehen, wie ich mich dann da durchschlagen werde."
    Andere NATO-Partner zahlen mehr
    Mit ihrem Sold von circa 1.900 Euro netto ist sie sehr zufrieden. In einer Arztpraxis verdient sie nur etwa die Hälfte. Die 41-Stundenwoche sei bereits die Regel sagt sie und:
    "Die Arbeitszeiten sind, deutlich besser, man hat geregelte Arbeitszeiten, wenn man im normalen Dienst ist."
    Übungen, Lehrgänge sowie Auslandseinsätze sind davon natürlich ausgenommen. Ein Teil der Verbesserungspläne der Verteidigungsministerin scheinen zumindest beim 22. Sanitätsregiment in Ahlen Standard zu sein. Aber dennoch gärt Unmut in den Kasernen. Zum Beispiel über marode alte Gebäude oder Ausrüstungsmängel. Das steht jedoch nicht auf der Agenda der Attraktivitätsoffensive der Ministerin. Außerdem sieht die noch nicht abgeschlossene Bundeswehrreform weitere Standortverlegungen und Truppenfusionen vor. Darüber jedoch werden die Soldaten nur unzureichend informiert. Stabsunteroffizier Julia Schulze-Bertelsbeck:
    "Das ist halt das, was zur Zeit an vielen Soldaten nagt, diese Gedanken, dieser Kummer, dass wir noch nicht genau wissen was passiert."
    Unter dieser Ungewissheit und mangelnden Transparenz litten auch die Familien meint sie. Hauptfeldwebel Birgit Quibeldey hält die Zuschläge für die langen Auslandseinsätze für zu niedrig im Verhältnis zu den Gefahren in Krisengebieten. Andere NATO-Partner zahlten mehr. In wenigen Tagen fliegt sie in den Einsatz nach Mali.
    "Meine Taschen sind gepackt, ich bin bereit, es kann losgehen."
    Nach ihrer Rückkehr in vier Monaten will Birgit Quibeldey sich als Berufssoldatin verpflichten. Damit liegt sie im Trend. Denn seit 2001, seit Frauen alle militärischen Laufbahnen in den Streitkräften offen stehen, ist die Zahl der weiblichen Soldaten von knapp 7.000 auf heute 18.500 gestiegen.