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"Bundeswehr nicht attraktiv für junge Menschen"

Verteidigungsminister Thomas de Maizière kritisierte, zu Guttenberg habe bei der Finanzierung der Bundeswehrreform mit "Wunschzahlen" gearbeitet. Die Mittel seien die Achillesferse dieser Reform, sagt der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat. Ohne Anschubfinanzierung werde die Bundeswehr ihre Aufgaben nicht erfüllen können.

Harald Kujat im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 19.05.2011
    Jasper Barenberg: Was sein Vorgänger mit betont großer Geste begann, das will Thomas de Maizière nun gewissenhaft Schritt für Schritt umsetzen. Deutlich verkleinern will der Verteidigungsminister die Bundeswehr in den nächsten Jahren und sie zugleich besser rüsten für weltweite Einsätze. Auch der Apparat soll schlanker werden und effizienter. "Die Wunschzahlen, die ich vorgefunden habe, passten mit den Planungen der mittelfristigen Finanzplanung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zusammen." So hatte sich de Maizière am Sonntag noch mit Blick auf die Vorplanungen seines Amtsvorgängers geäußert. Heißt das nun, zu Guttenberg hat ihm ein heilloses Chaos hinterlassen? – Das hat mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann General a.D. Harald Kujat gefragt, den ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr.

    Harald Kujat: Das würde ich so nicht beantworten, die Frage. Was zu Guttenberg hinterlassen hat, ist ein Reformansatz, bei dem der Wunsch das bestimmende Prinzip war. Das würde ich schon so sagen. Das war nicht zu Ende gedacht, das war auch nicht im Ansatz richtig begonnen, da sind Dinge zu früh aufgegeben worden, wie die Wehrpflicht beispielsweise, das Ganze war nicht stimmig. Der neue Verteidigungsminister hat im Grunde die Reform wieder vom Kopf auf die Füße gestellt, das ist richtig, und sein Ansatz ist, glaube ich, auch sehr vernünftig.

    Dirk-Oliver Heckmann: Die Verteidigungsexpertin der FDP, Elke Hoff, hat gesagt, die Schieflage beim freiwilligen Wehrdienst habe vor allem zu Guttenberg zu verantworten. Die Wehrpflicht sei in einem Hauruck-Verfahren ausgesetzt worden. War das also der Hauptfehler?

    Kujat: Nein, das war nicht der Hauptfehler, aber das war natürlich ein wichtiger Fehler, der auch die Zukunft der Reform ganz entscheidend beeinflussen wird. Wissen Sie, dass die Wehrpflicht ganz wichtig für die Nachwuchswerbung ist, weil wir ja immer etwa 50 Prozent, teilweise sogar mehr aus dem Wehrpflichtigen-Aufkommen für die Regeneration der Streitkräfte einsetzen konnten, das war natürlich ein ganz wichtiger Faktor. Die Wehrpflichtigen fallen jetzt weg und wir müssen auf dem offenen Markt den Nachwuchs suchen und stehen damit in Konkurrenz mit der Wirtschaft, und die Dinge werden schwieriger, weil auch die Jahrgangsstärken schwieriger werden. Das alles war vorher bekannt und es ist richtig, dass dann trotzdem im Hauruck-Verfahren die Wehrpflicht aufgegeben wurde. Das war natürlich ein Fehler!

    Heckmann: Zu Guttenberg hatte ja mit 15.000 Freiwilligen gerechnet, jetzt also die Absenkung auf 5000 Freiwillige. Ist das das Eingeständnis der Regierung, dass sie eigentlich gar keine Mittel hat, um diesen Dienst attraktiv zu machen?

    Kujat: Wir müssen differenzieren. Wenn wir von diesen 15.000 sprechen, dann sind das 15.000 freiwillig Wehrdienstleistende, junge Frauen, junge Männer, die sich verpflichten, zwischen neun und 23 Monate Dienst zu leisten. Das sind zunächst mal nicht die Freiwilligen, die länger Dienst in der Bundeswehr leisten wollen, oder sogar Berufssoldaten werden. Hier beträgt der Regenerationsbedarf etwa zehn Prozent der Gesamtstärke, das heißt also etwa 17.- bis 18.000, und die können durch diese 15.000 freiwillig Wehrdienstleistenden nicht aufgebracht werden, und da nur 5000 angesetzt werden, werden es noch weniger sein. Also diese ganze Berechnung über diese freiwillig Wehrdienstleistenden, das ist verfehlt von Anfang an gewesen. Ich bin auch absolut dagegen gewesen, dass man eine solche Kategorie einführt. Das führt zu nichts.

    Heckmann: Der Verteidigungsexperte der SPD Arnold hat gesagt, die Regierung sei uninspiriert bei der Anwerbung von Soldaten. Eine gute Idee werde durch schlechtes Management kaputtgemacht. Würden Sie das also insofern teilen?

    Kujat: Es ist natürlich nicht besonders Erfolg versprechend, wenn man Briefe an die potenziellen Wehrdienstleistenden schickt und sie auffordert, in die Bundeswehr zu kommen. Aber das ist nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist eigentlich, dass die Bundeswehr nicht attraktiv ist für junge Menschen, und das ist nicht nur aus finanziellen Gründen so, sondern das hat sehr, sehr vielfältige Ursachen. Das hängt damit zusammen, dass die Ausrüstung und Bewaffnung nicht hochmodern ist, wie die jungen Menschen heute erwarten, also technologisch, sehr stark technologisch geprägt ist, das hängt mit den Einsätzen zusammen, mit den Risiken, die damit verbunden sind, das hängt mit den dauernden Versetzungen zusammen, der Trennung von der Familie, und das hängt auch damit zusammen, dass die Bundeswehr in der Bevölkerung nicht das Ansehen hat, das ihr eigentlich zukommt.

    Heckmann: Was folgt daraus?

    Kujat: Es folgt daraus, dass genau diese Umstände beseitigt werden müssen. Die Bundeswehr muss tatsächlich aus diesem Schattendasein heraus. Der ehemalige Bundespräsident Köhler hat ja von einem freundlichen Desinteresse für die Bundeswehr gesprochen, und damit ist eigentlich sehr viel charakterisiert.

    Heckmann: Der Spardruck, der auf der Bundeswehr lastet, durch den Finanzminister soll ja offenbar reduziert werden. Es sollen möglicherweise nicht mehr diese 8,3 Milliarden eingespart werden in den nächsten Jahren. Ist das insofern das richtige Signal?

    Kujat: Nun, bisher wissen wir noch nicht genau, ob das und in welchem Maße das eintritt. Der Verteidigungsminister hat heute gesagt, dass diese Zahlen erst im Juni, Ende Juni vorliegen werden. Das heißt, dass hier auch noch eine Reihe von Unsicherheiten für den Erfolg der Reform liegen. Der Ansatz, den er gewählt hat, Aufgaben, Fähigkeiten und Mittel wieder miteinander in Einklang zu bringen, ist richtig, aber die Achillesferse dieser Reform sind natürlich die Mittel. Wenn nicht eine Entlastung eintritt, wenn nicht sogar eine Anschubfinanzierung erfolgt für diese Reform, dann wird die Bundeswehr ihre Aufgaben nicht erfüllen können. Wenn es nicht gelingt, Betriebskosten dramatisch zu reduzieren, das heißt also auch Standorte zu schließen, dann wird die Bundeswehr eben nicht in der Lage sein, diese Fähigkeiten, die sie braucht, zu erlangen. Auch wenn der Ansatz völlig richtig ist, diese Dinge müssen aber geklärt werden.

    Barenberg: General a.D. Harald Kujat, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, im Gespräch mit meinem Kollegen Dirk-Oliver Heckmann.

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