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Bundeswehreinsätze im Ausland
"Zwischen Worten und Taten liegen Welten"

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen will mehr Auslandseinsätze, insbesondere in Afrika. Doch an einen echten Kurswechsel glaubt André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehr-Verbandes, nicht. Schon ihr Vorgänger Thomas de Maizière habe von mehr Verantwortung gesprochen, sagte er im DLF.

André Wüstner im Gespräch mit Friedbert Meurer | 27.01.2014
    Friedbert Meurer: An der Spitze der Bundeswehr hat es bekanntlich einen Wachwechsel gegeben. Ursula von der Leyen löste Thomas de Maizière ab, der ist wieder Bundesinnenminister geworden. Möglicherweise geht mit dem personellen aber auch ein Kurswechsel einher. Unter de Maizière hielt sich Deutschland aus dem Krieg zum Beispiel gegen Libyen heraus. Im UNO-Sicherheitsrat enthielt sich Deutschland parallel der Stimme. Jetzt sind von Ursula von der Leyen Töne zu hören, die schon etwas anders klingen. Deutschland soll seine Zurückhaltung bei Auslandseinsätzen überprüfen oder ändern. So darf man ihre Äußerungen wohl zusammenfassen.
    André Wüstner ist Vorsitzender des Bundeswehrverbands, des Interessenverbands von 200.000 Angehörigen und ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr. Guten Tag, Herr Wüstner!
    André Wüstner: Guten Tag, Herr Meurer!
    Meurer: Nehmen Sie da eine andere Tonlage wahr bei Frau von der Leyen im Vergleich zu Thomas de Maizière?
    Wüstner: Nein. Ich muss ehrlich sagen, ich nehme das nicht wahr. Thomas de Maizière sprach schon von mehr Verantwortung. Aktuell haben wir die Debatte um Afrika. Aber was sie gestern sagte, da muss man klar sagen: Zwischen Worten und Taten, da liegen noch Welten. Jetzt muss erst mal sondiert werden, man stimmt sich ab europäisch und dann wird man sehen, was Deutschland bereit ist zu bieten.
    Meurer: Es fängt manchmal mit Worten an. Wenn die Verteidigungsministerin sagt, Deutschland soll sich nicht immer dezent militärisch zurückhalten, ist das doch eine Ansage, oder?
    Wüstner: Ach nein. Das hörte ich schon unter wie gesagt Thomas de Maizière. Ein wichtiger Punkt, der kam heute ja in der Pressekonferenz von dem Sprecher von der Leyens. Der oberste Abholpunkt ist die Bundeskanzlerin und da würde uns schon mal interessieren, inwieweit sie denn einen Wandel in der Kultur der militärischen Zurückhaltung wie bisher sieht oder auch nicht. Bisher hören wir einzelne Minister, teilweise unabgestimmt. So wirklich nach einem einmütigen Regierungshandeln wirkt das noch nicht.
    "Afrika ist groß und es gibt eine Vielzahl von Problemfeldern"
    Meurer: Wo sehen Sie da Punkte, wenn Sie sagen, keine Einmütigkeit? Woran machen Sie das fest?
    Wüstner: Der Außenminister hat ja gestern noch eher zurückgerudert, was klare Zahlen und Angebote betraf. Er sagte bewusst, wir sind noch im Prozess. Frau von der Leyen nimmt schon das eine oder andere in den Mund, ohne dass es im Detail sondiert ist. Also ich bin mir noch nicht sicher, inwieweit man sich klar ist, was man denn jetzt in Afrika tatsächlich will. Und wer in Erdkunde aufgepasst hat, weiß: Afrika ist nicht klein, ist groß und es gibt eine Vielzahl von Problemfeldern.
    Meurer: Sie sagen ja, die Kanzlerin soll sich einschalten, aber vielleicht ist es so: Da ist jetzt eine resolute Frau an der Spitze der Bundeswehr und die wartet nicht auf die Kanzlerin, sondern marschiert alleine los.
    Wüstner: Ja dann ist es spannend zu beobachten, was die Bundeskanzlerin daraus macht. Noch mal: Allein Afrika, die Sahel-Zone, Zentralafrika, noch mal eine Ecke weiter weg mit unwahrscheinlich vielen Problemen, nur mit militärischen Mitteln irgendetwas zu bewegen, ist sehr begrenzt. Was man jetzt braucht, ist eine Afrika-Strategie, wo ein Ziel definiert ist, wo man wissen muss, was die Regierung tatsächlich vor hat, natürlich dann auch auf europäischer Ebene. Aber darum geht es und da haben wir bis jetzt noch nichts gehört.
    Meurer: Das sagt ja alles auch Frau von der Leyen, auch humanitäre, politische Maßnahmen, aber eben auch militärische Maßnahmen in Afrika. Sind Sie gegen einen Einsatz in der Zentralafrikanischen Republik?
    Wüstner: Das muss man jetzt abstimmen im Detail, die Lage vor Ort genau bewerten, inwieweit sich die Dinge, wie sie so schön sagte, am Flughafen als sicher erweisen oder nicht. Aber unter uns: Wenn es zu 100 Prozent sicher wäre, könnte auch der ADAC fliegen. Nein! Gegen die Einsätze an sich, wenn sie Politik eingebettet in ein Konzept beschließt, dann wird kein Berufsverband und keine Bundeswehr sagen, sie nimmt diesen Einsatzauftrag nicht wahr, und in Mali oder an anderen Orten sind wir ja schon massiv präsent. Überhaupt - und das stört mich ein bisschen in der Debatte - kommt viel zu kurz, dass wir mit rund 5000 Soldaten unterwegs sind, und auch der Vergleich zu den Franzosen hinkt in vielerlei Hinsicht, denn in Afghanistan ist Frankreich kaum noch präsent. Auch im Kosovo ist man in der Rückverlegung. Also man sollte nicht so tun, als verkaufen wir uns unter Wert.
    Vergleich zu Frankreich hinkt
    Meurer: Es hat aber viel mehr französische Soldaten als Opfer gegeben und britische als deutsche in Afghanistan.
    Wüstner: Ja, das muss man auch im Zusammenhang sehen, wann wo wie welche Soldaten gefallen sind. Ich glaube, da hinkt auch jeglicher Vergleich. Darum geht es mir auch nicht. Ich bin nur der Auffassung, man sollte nicht so tun, als ist es recht, dass wir uns unter Wert verkaufen.
    Meurer: André Wüstner, der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, über Äußerungen von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Herr Wüstner, danke und auf Wiederhören.
    Wüstner: Danke auch. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.