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Bundeswehrgewehre als Einnahmequelle
Opposition kritisiert Waffenverkäufe durch Kurden

Kurdische Peschmerga-Kämpfer verkaufen Sturmgewehre und Pistolen, welche die Bundeswehr geliefert hat, weiter auf Waffenmärkten. Das zeigen Recherchen von NDR und WDR in der kurdischen Autonomieregion. Die Opposition ist entrüstet. Die Bundesregierung redet das Problem klein.

Von Theo Geers | 22.01.2016
    Peschmerga-Kämpfer halten nahe Kirkuk im Nordirak die Stellung.
    Peschmerga-Kämpfer halten nahe Kirkuk im Nordirak die Stellung. (imago/Backhaus)
    Eine Walther P1-Pistole, orginalverpackt für 1.200 Dollar, ein G3-Gewehr für 1.800 Dollar – zu solchen Preisen werden ehemalige Bundeswehrwaffen auf Basaren im Nordirak gehandelt, Waffen, an deren Schäften das Kürzel "BW" für Bundeswehr eingraviert ist. 20.000 G3- und G36-Gewehre und 8.000 Pistolen hat die Bundesregierung seit September 2014 an die kurdischen Peschmerga-Kämpfer im Nordirak geliefert – als Waffenhilfe im Kampf gegen den IS.
    Grüne: Bundesregierung muss Verkäufe kontrollieren
    Nun, wo einige dieser Waffen auf Basaren und in Waffengeschäften aufgetaucht sind, haben sich für Agnieszka Brugger die schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Endverbleibsklauseln, die die Peschmerga unterschrieben hätten, würden nicht überprüft, so der Vorwurf der Obfrau der Grünen im Verteidigungsausschuss im NDR, stattdessen hülle sich die Regierung in gespielte Naivität und schweige.
    "Wenn man sich schon dazu entscheidet, das gefährlichste Instrument der Sicherheitspolitik anzuwenden, nämlich Waffenlieferungen und das Risiko so groß ist, dass sie in falsche Hände geraten, dann hat man eine Verantwortung auch zu kontrollieren, was mit den Waffen passiert. Und ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung auch die Mittel hätte hier Kontrollmechanismen zu ergreifen."
    Rainer Arnold, Verteidigungsexperte der SPD, will das Auftauchen von ehemaligen Bundeswehrgewehren und –pistolen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk dagegen nicht überdramatisieren. Man könne unmöglich für jeden Kämpfer die Hand ins Feuer legen.
    "Dieses Risiko war uns von Anfang an bekannt. Es ist aber kein Massenphänomen. Wir müssen aufpassen, Einzelfälle nicht zum Anlass nehmen eine notwendige Entscheidung zu kritisieren. Es war immer die Abwägung zwischen größeren und kleineren Übeln."
    Unterlegene Peschmerga aufgerüstet
    Tatsächlich war es im Herbst 2014 keine leichte Entscheidung, die damals gegenüber dem IS militärisch krass unterlegenen Peschmerga mit Gewehren, Pistolen, Munition und auch Panzerabwehrraketen des Typs Milan auszurüsten. Anderseits ist auch bis heute kein westliches Land bereit, am Boden gegen den IS zu kämpfen. In dieser Abwägung ist es für Rainer Arnold klar:
    "Die größte Herausforderung für die Welt ist im Augenblick der Kampf gegen den IS. Und die Kurden leisten den Beitrag auch in unserem Sinne und Interesse in durchaus erfolgreicher Art und Weise. Und das bleibt für mich das entscheidende."
    Auf dieser Linie bewegt sich auch die Bundesregierung, wobei ein Sprecher des Verteidungsministeriums einräumte, dass die gestern im Fernsehen gezeigten Waffen mit hoher Wahrcheinlichkeit aus den seit Herbst 2014 erfolgten Lieferungen stammten. Damit werde die Kurden-Regierung in Erbil auch konfrontiert. Bislang gebe aber keinen Hinweis auf einen systematischen Missbrauch dieser Waffenlieferungen.
    Kein Kurswechsel
    Ein Kurswechsel bei der militärischen Unterstützung der kurdischen Kämpfer zeichnet sich daher nicht ab. Bereits im Dezember hatte das Verteidigungsministerium den Bundestag über weitere Lieferungen aus Waffenlagern der Bundeswehr informiert. Danach sollen noch einmal 4.000 Sturmgewehre vom Typ G36 und sechs Millionen Schuss Munition geliefert werden. Außerdem will die Bundeswehr noch einmal 200 panzerbrechende "Milan"-Raketen und fünf gepanzerte Fahrzeuge vom Typ "Dingo" an die Kurden abgeben. Geplanter Liefertermin ist bislang Ende März.