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Bundeswehrsoldat unter Terrorverdacht
Schuster (CDU) fordert "Sicherheitsfilter" beim BAMF

Der unter Terrorverdacht stehende und als Flüchtling getarnte Bundeswehr-Oberleutnant sei bei internen Sicherheitsüberprüfungen "durchgerutscht", kritisierte Armin Schuster (CDU) im DLF. Schuster forderte, bei Anhörungen im Bundesamt für Migration (BAMF) Verfassungsschützer und Bundespolizisten als "Sicherheitsfilter" hinzuzuziehen.

Armin Schuster im Gespräch mit Christoph Heinemann | 28.04.2017
    Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster am 13. 2. 2017 nach einer Sitzung des Innenausschuss des Deutschen Bundestags.
    Armin Schuster (CDU) ist Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages, das sich mit dem Fall des unter Terrorverdacht stehenden Bundeswehrsoldaten beschäftigt. (imago / Christian Ditsch)
    Christoph Heinemann: "Das unfassbare Doppelleben eines deutschen Oberleutnants" titelt heute die Tageszeitung "Die Welt". Und in der Tat: Ein Bundeswehrsoldat soll sich als syrischer Flüchtling ausgegeben, unter falschem Namen Asylbewerber-Leistungen bezogen und einen Anschlag geplant haben. Die Ermittler gehen von einem fremdenfeindlichen Motiv aus. Der 28 Jahre alte Soldat sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.
    Aufgefallen war er bereits vor drei Monaten auf dem Flughafen Wien, weil er eine Pistole in einer Toilette vor den Sicherheitskontrollen versteckt hatte. In die möglichen Anschlagsplanungen soll ein 24 Jahre alter Student aus dem mittelhessischen Friedberg einbezogen gewesen sein; auch er sitzt inzwischen in U-Haft.
    Heute beschäftigt sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Deutschen Bundestages mit dem Fall und diesem Gremium gehört Armin Schuster an (CDU), Obmann der Union im Innenausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Morgen.
    Armin Schuster: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    "Der wird es sehr genau geplant haben"
    Heinemann: Herr Schuster, wie kann ein Deutscher in Deutschland als Asylbewerber durchgehen?
    Schuster: Das ist, glaube ich, nur vorstellbar, wenn man an die ziemliche Überlastung der deutschen Behörde Ende 2015 denkt. Ich vermute, das hat er ausgenutzt. Wenn man Oberleutnant bei der Bundeswehr ist, gehört man nicht zu denen, die da nicht durchblicken. Das ist ja immerhin ein Dienstgrad im gehobenen Dienst. Der wird es, vermute ich, sehr genau geplant haben. Und das Bundesamt für Migration war Ende 2015 längst nicht auf dem professionellen Stand, auf dem es heute ist.
    Schuster: Noch nicht alle Daten im Ferndaten-System
    Heinemann: Was sagt das jetzt aus über die Kenntnisse der Behörden über die Migranten, die in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen sind?
    Schuster: Ja, das ist das typische Problem der Bearbeitung von Altfällen, wo das Bundesamt jetzt intensiv einsteigt. Manche fragen sich, warum dauert so was zehn Monate, so ein Altfall, weil genau solche Fälle kann man sich eigentlich kaum denken. Aber die Fälle sind kompliziert und müssen nachgearbeitet werden. Wir haben ja heute ein Ferndaten-System, auf das jeder zugreifen kann, wo wir längst noch nicht alle drin haben. Sonst wäre der Bundeswehrsoldat sofort aufgefallen.
    Aber ich sage mal ganz ehrlich: Wir müssen mit solchen Besonderheiten rechnen, weil es leider unter den Flüchtlingen (und in dem Fall sogar ein Deutscher) Menschen gibt, die das brutal ausnutzen, was wir als humanitäre Hilfeleistung empfinden.
    Heinemann: Sind diese Unkenntnisse der Behörden ein Ergebnis von Frau Merkels Migrationspolitik?
    Schuster: Nein. Das ist eigentlich eher so ein bisschen die politische Verweigerungshaltung in allen Fraktionen hier im Deutschen Bundestag, außer der unseren. Das hört sich jetzt zwar komisch an, aber so ist es.
    "Verfassungsschutz und Bundespolizei einbeziehen"
    Heinemann: In der Tat.
    Schuster: Seit Monaten fordern wir in der Union und ich ganz persönlich, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundespolizei beim Bundesamt für Migration in die Befragungen mit einbezogen wird, weil wir beim Bundesamt für Migration schlicht eine Verwaltungsbehörde haben. Deren Sensibilität für Sicherheitsaspekte kann nicht so ausgeprägt sein, wie das bei einem Bundespolizisten oder einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz wäre.
    Sicherheitsfilter sind "keine Pauschalvorverurteilung"
    Heinemann: Aber, Herr Schuster, schauen wir uns doch bitte noch mal die Lage 2015/2016 an. Hunderttausende kamen auf einmal rein, die Behörden waren völlig überfordert. Noch mal die Frage: Ist das eine Folge von Frau Merkels Politik?
    Schuster: Na ja. Wissen Sie, Frau Merkel muss ja nicht bei ihrer Politik sich an den Typen, sage ich mal ganz bewusst, orientieren, die uns auf diese brutale Art und Weise ausnutzen. Im Gegenteil! Ehrlich gesagt glaube ich, dass auch viele Zuhörer sich so einen Fall niemals hätten vorstellen können. Das ist ungefähr so grotesk wie der Anschlag auf den Mannschaftsbus vom BVB. Wir orientieren uns an dem, was die Masse der Menschen ausmacht, und den Hunderttausenden, die wirklich vor Krieg und Vertreibung geflüchtet sind, denen müssen wir helfen.
    Dass da ein paar, ich sage mal ganz bewusst, widerwärtige Typen dabei sind, die das ausnutzen, daran werden wir unsere Politik mit Sicherheit nicht ausrichten, sondern wir werden konsequent handeln. Deswegen haben wir ja diese Forderung. Wir müssen diese Leute identifizieren. Dafür müssen in die Befragungen Bundespolizisten und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Das wiederum, glauben manche Kollegen hier aus den anderen Fraktionen, sei eine Pauschalvorverurteilung. Nein! Für mich ist es nichts anderes als ein plausibler Sicherheitsfilter, um solche Dinge auszuschließen.
    "250.000 Verfahren müssen noch abgearbeitet werden"
    Heinemann: Joachim Herrmann von der CSU fordert jetzt auch, alle Asylbescheide der letzten Jahre müssten noch einmal überprüft werden. Wie kann das geschehen, wie schnell und muss man das jetzt machen?
    Schuster: Diese Forderung ist auch nicht neu und die ist richtig. Nur haben wir im Moment noch etwa 250.000 Verfahren beim Bundesamt für Migration, die noch abgearbeitet werden müssen. Das Bundesamt ist zurzeit ziemlich schnell. Wir haben im Moment pro Monat um die 60, 80.000 Entscheidungen. Das ist absehbar. Und sobald dieser Berg abgebaut ist, geht es mit Sicherheit darum, all diese Fälle noch mal zu betrachten und dann noch mal, und zwar zu betrachten unter dem besonderen Gefahrenaspekt. Da erwarte ich, dass wir Sicherheitsbehörden hinzuziehen.
    "Wir haben 2016 Sicherheitsüberprüfungen für alle Soldaten eingeführt"
    Im Übrigen muss man sagen, wir können ja auch was Positives sagen. Dass die Zusammenarbeit mit Österreich so blendend funktioniert hat und dass der MAD, der Militärische Abschirmdienst gut funktioniert hat, ist auch mal ein Lob wert. Und eins haben wir auch getan, leider kam das für diesen Fall zu spät. Wir haben es geahnt, dass Extremisten in der Bundeswehr so einen Unfug treiben können, und deswegen haben wir im Oktober 2016 ja das Soldatengesetz reformiert und haben Sicherheitsüberprüfungen eingeführt für alle Soldaten, gleich ob sie Zeitsoldaten sind oder Wehrdienstleistende oder wer auch immer. Da wäre er auch hängen geblieben, dieser Fall. Allerdings haben wir es im Oktober 2016 gemacht und da ist er noch durchgerutscht.
    Heinemann: Herr Schuster, gibt es denn Informationen und Hinweise über ein mögliches Terrornetzwerk in der Bundeswehr?
    Schuster: Nein. Ich sitze ja im Parlamentarischen Kontrollgremium, wie Sie gesagt haben. Ich sage mal so: Der Militärische Abschirmdienst, auch das Bundesamt für Verfassungsschutz sind gerade nach dem NSU-Mord-Trio natürlich hoch sensibel. Wir informieren uns permanent genau über diese Frage. Und da gibt es im Moment keine Anhaltspunkte. Ich gehe im Moment auch davon aus, vorbehaltlich dessen, was ich gleich erfahre in der Sitzung, dass das ein oder zwei Einzeltäter waren. Vielleicht kommt noch einer dazu. Aber ein regelrechtes Netz oder Netzwerk, diese Information habe ich noch nicht.
    "Man muss davon ausgehen, dass das ein Rechtsextremer ist"
    Heinemann: Herr Schuster, Sie haben den Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund vor kurzem erwähnt. Jetzt dieser Fall. Müssen die Behörden künftig damit rechnen, dass vorgeblich islamistische Anschläge einen ganz anderen Hintergrund haben und dass versucht wird, die Schuld Migranten in die Schuhe zu schieben?
    Schuster: Ja das ist jedenfalls bei dem Soldatenfall jetzt offenkundig so. Man muss ja wohl davon ausgehen, dass das ein Rechtsextremer ist. Dieses Trittbrettfahren kennen wir allerdings. Wenn man Sicherheitsprofi ist weiß man, dass oft mit bestimmten Phänomenen, die gerade en vogue sind, Trittbrett gefahren wird.
    Deswegen überrascht es uns nicht. Das ist ja der Grund, warum das Bundeskriminalamt wirklich hervorragende Spezialisten beschäftigt, die in der Lage sind, solche Bekennerschreiben, wie man sie in Dortmund gefunden hat, zu analysieren. Und heute kann man das sagen: Es war offenkundig, dass das keinen islamistischen Hintergrund haben konnte. So viele Fehler waren in diesem Bekennerschreiben.
    Heinemann: Armin Schuster (CDU), der Obmann der Union im Innenausschuss des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Schuster: Auf Wiederhören, Herr Heinemann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.