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Bunt, lecker, ungesund

Die Lebensmittelindustrie geht auf Kundenfang - und fängt bei den ganz Kleinen an. Verbraucherschützer kritisieren das und verweisen auf die Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln, die sich gezielt an Kinder richten. Viel zu fettig, viel zu salzig seien viele der Produkte.

Von Verena Kemna | 26.01.2012
    Kindercornflakes, Kindersuppen, Kinderpudding, Kinderjogurt, die Regale in den Supermärkten sind voller Lebensmittel, die auf den ersten Blick, besonders für Kinder geeignet sind. So manche Minifrikadelle wird im Internet sogar mit einem eigenen Hörspiel beworben.

    "Wir schaffen es, ich habe noch meine Frikadellen!"

    Die Verbraucherzentrale Bremen hat 39 sogenannte Kinderlebensmittel anhand der Ampelfarben grün, gelb und rot getestet. Über 40 Prozent der untersuchten Produkte enthielten zu viel Zucker, ein Drittel der Lebensmittel enthielten zu viel Fett und 16 Prozent der getesteten Produkte enthielten zu viel Salz. Solche Produkte bewirbt die Lebensmittelindustrie mit Comicfiguren, bunten Bildern und Kinderspielzeug. Da kapitulieren viele Eltern vor den Wünschen ihrer Kleinsten.

    "In der Werbung ist es zu sehen. Die Kinder sagen, das habe ich im Fernsehen gesehen, das will ich auch haben, alle Kinder haben das da auch und das ist schwierig, als Eltern dagegen zu stehen und zu sagen, ja, das kann schon sein, und das irgendwie zu erklären, schwierig."

    Zwar gilt seit 2009 eine Selbstverpflichtung der Lebensmittelindustrie mit dem Ziel, Kinder vor Werbung zu schützen. Doch eine Studie der Universität Hamburg zeigt, dass die Selbstverpflichtung ins Leere läuft. Demnach hat die Werbung auf Fernsehkanälen, die bei Kindern beliebt sind, im Jahr 2010 deutlich zugenommen. Nach wie vor wirbt die Lebensmittelindustrie etwa mit Spielzeugen in den Verpackungen, sowie mit Aufklebern und Spielen, die direkt auf den Verpackungen angebracht sind. Gerd Billen vom Verbraucherzentrale Bundesverband betrachtet die Selbstverpflichtung als gescheitert. Er appelliert an die Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner, CSU.

    "Eigentlich müsste die Bundesregierung ja ein Monitoring durchführen, um regelmäßig zu untersuchen, wie sieht es mit der Umsetzung aus. Ein solches Monitoring hat nicht stattgefunden und deshalb ist Frau Aigner jetzt in der Pflicht, das, was über eine Selbstverpflichtung offenkundig nicht funktioniert, einzufordern und mit der Industrie zu verhandeln, dass bestimmte Werbemethoden schlicht nicht mehr stattfinden."

    Die Kids-Verbraucher-Analyse untersucht seit Jahren das Medien und Konsumverhalten der 6 bis 13-jährigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland. Demnach achtet jedes dritte Kind bei Cornflakes oder Müsli auf eine bestimmte Marke. Kinder gelten als zahlungsfähige Kundengruppe, die sich laut Kids Verbraucher Analyse für ihr Taschengeld am liebsten Süßigkeiten kaufen. Christoph Sokolowski vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde verteidigt im ZDF die Werbestrategien der Industrie für Kinderlebensmittel.

    "Comicfiguren und ähnliche Sachen sind Teil einer kindgerechten Aufmachung eines Produkts. Wir als Erwachsene wollen ja auch nicht nur rein graue oder schwarze Packungen haben. Unsere Sinne sollen auch angesprochen werden und indem wir kindgerechte Verpackungen haben, nehmen wir eben die Bedürfnisse von Kindern, die eben so gestrickt sind, ernst."

    Im Sinne der Verbraucher fordert Gerd Billen vom Bundesverband der Verbraucherzentralen dagegen ein Ende der gängigen Praxis.

    "Lebensmittel sind Lebensmittel, Spielzeug ist Spielzeug. Das eine kauft man im einen Laden, das andere im anderen. Also dass man diese Vermischung schlicht untersagt. Wie soll man denn junge Menschen zu einem vernünftigen Umgang mit Lebensmitteln erziehen, wenn die einen vielleicht das Überraschungs-Ei kaufen, aber die Schokolade gar nicht mehr essen, weil sie nur an die Figur wollen. Also, das passt nicht zusammen."