Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Burkaverbot in der Schweiz
Debatte noch lange nicht beendet

Seit 1. Juli dieses Jahres ist das Tessin der einzige Schweizer Kanton mit einem Burkaverbot. Wer dagegen verstößt, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 1.000 Franken rechnen. Nun hat eine konservative Gruppierung eine neue Initiative für ein landesweites Burkaverbot ergriffen.

Von Hans-Jürgen Maurus | 11.08.2016
    Arabische Muslima mit Burkas spazieren in der Innenstadt von München.
    Wer gegen das Burkaverbot im Tessin verstößt, muss mit einer Geldstrafe zwischen 200 und 1.000 Franken rechnen. (imago / Ralph Peters)
    In der Schweiz gibt es nur in einem einzigen Kanton ein Burkaverbot - nämlich im Tessin. Das mag überraschen, weil zwischen Lugano und Locarno kaum Burkas gesichtet werden. Dennoch gilt das offizielle Vermummungsverbot im öffentlichen Raum seit 1. Juli 2016, aufgrund der Volksabstimmung im September 2013, als sich die Mehrheit der Tessiner Bevölkerung für ein Verbot aussprach. Initiator der Volksinitiative war der 61-jährige Ex-Journalist und Einzelkämpfer Giorgio Ghiringelli aus Losone.
    Es gehe ihm darum, die Sicherheit zu stärken, sagte der parteilose Ghiringhelli damals, etwa gegen Hooligans oder randalierende Chaoten, mithilfe eines Vermummungsverbots in der kantonalen Verfassung. Dem streitbaren Tessiner, der seine Bewegung Guastafeste, auf gut deutsch "Spielverderber" getauft hatte, geht es aber primär um den Kampf gegen die Burka, die ein islamistisches Symbol sei, so Ghiringelli, der Islam sei zudem eine totalitäre, frauenfeindliche, rassistische Ideologie.
    Geldstrafe auch für Touristen
    Der Einzelkämpfer setzte sich durch, das Tessiner Wahlvolk nahm die Volksinitiative an. Wer gegen das Burkaverbot verstößt, muss mit einer Geldstrafe zwischen 200 und 1.000 Franken rechnen. Für Touristinnen gibt es keine Ausnahmen. Es wird durchgegriffen, betont der Tessiner Polizeichef Norman Gobbi: "Das ist Gesetz und das Gesetz gilt für alle - auch in diesem Bereich."
    Durchgreifen ja, allerdings nicht mit dem Holzhammer, so der Polizeidirektor: "Wir müssen vor allem die Provokationen verhindern und das heißt auch, Provokationen von den anderen Leuten - nicht nur von der Polizei. Dieses Ziel möchten wir auch mit dem Umgang erreichen: Das heißt, zuerst eine Information - bitte passen Sie auf, bei uns gilt das Burkaverbot, bitte nehmen Sie Ihre Verschleierung weg."
    Neue Initiative für landesweites Burkaverbot
    Der Polizeichef ahnte wohl, dass es auf der Piazza Grande in Locarno zu einer ersten Konfrontation kommen würde, als das Gesetz inkraft trat. Die Konvertitin Nora Illi zeigte sich im türkisfarbenen Niqab, einem Gesichtsschleier, in Begleitung des französisch-algerischen Unternehmers Rachid Nekkaz, der angekündigt hatte, alle Bußen von Burka-Trägerinnen zu bezahlen. Die Polizei griff ein, erinnerte an das Verbot, kündigte eine Buße an und kassierte von Nekkaz 200 Franken plus 30 Franken Gebühren wegen Anstiftung zum Gesetzesverstoß. Der nahm es gelassen, weil er schon in Frankreich mehr als 1000 Bußen, in Belgien mehr als 250 und in Holland zwei Geldstrafen bezahlt hat. Runde 220.000 Euro. Er sei bereit, mehr zu zahlen, um all jenen europäischen Ländern eine Demokratie-Lektion zu erteilen, welche offenbar die Bedeutung der Freiheit und der Toleranz vergessen hätten, so der Geschäftsmann in einem Zeitungsinterview, persönlich sei er aber gegen den Niqab in Europa.
    Die Debatte in der Schweiz ist mit dem Tessiner Burkaverbot noch lange nicht beendet. Erstens fürchten die Tessiner Hoteliers um ihre kaufkräftige arabische Klientel, zweitens hat eine konservative Gruppierung um den SVP-Politiker Walter Worbmann eine neue Initiative ergriffen, um ein Burkaverbot landesweit durchzusetzen: Ja zum Verhüllungsverbot, heißt die Initiative, niemand dürfe eine Person zwingen, ihr Gesicht aufgrund ihres Geschlechts zu verhüllen. Das Gesetz sieht allerdings Ausnahmen vor, zum Beispiel Gründe der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums. Die Schweizerische Bundeskanzlei hat die Vorlage geprüft und als gesetzeskonform bestätigt, jetzt haben die Initiatoren Zeit bis 2017, die erforderlichen 100.000 Stimmen zu sammeln, die es für eine Volksabstimmung braucht.