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Missbrauchsskandal in Chile
Papst Franziskus sucht das Gespräch mit den Opfern

Fernando Karadima, der lange als wichtige Figur in der Katholischen Kirche Chiles galt, soll über Jahrzehnte sexuellen Missbrauch an Schutzbefohlenen begangen haben. Jetzt hat sich Papst Franziskus erstmals mit drei seiner Opfer getroffen. Für die Betroffenen ist das ein wichtiger Schritt.

Von Jan-Christoph Kitzler | 28.04.2018
    Eine Frau auf einer Demonstration am 24. Februar 2018 gegen den chilenischen Priesterausbilder Fernando Karadima. Auf dem Poster ist Karadima (l) zu sehen, als er von anderen Bischöfen (darunter auch Juan Barros, 3.v.r.) gesegnet wird. Darüber steht ein Vers aus aus der Apostelgeschichte: "Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben"
    Chilenische Bischöfe sollen viele Jahre sexuellen Missbrauch in der Katholischen Kirche durch Fernando Kardima gedeckt haben (imago / ZUMA Press)
    Es gibt keinen Zeitplan, nur viel Zeit. Und der Vatikan hat lediglich vermeldet, das erste Treffen habe bereits am Abend stattgefunden. Papst Franziskus hat drei Missbrauchs-Überlebende aus Chile in das Vatikanische Gästehaus Sankta Marta eingeladen. Er will die kommenden Tage mit ihnen verbringen. Der Vatikan hofft auf ein so wörtlich "Klima des Vertrauens und der Heilung der Leiden".
    Drei Männer sind der Einladung gefolgt: Wie andere waren sie in Chile von Fernando Karadima sexuell missbraucht worden, einer über lange Jahre wichtigen Figur in der dortigen Katholischen Kirche: Als seine Schüler gelten dutzende Priester und auch vier heutige Bischöfe. Der Vatikan hat zwar Karadima zum Beispiel die Feier öffentlicher Gottesdienste untersagt – aber Opfer beklagen, dass seine Taten nicht richtig aufgearbeitet wurden und dass Chiles Bischöfe den Täter lange gedeckt haben. Ihr Zorn richtet sich vor allem gegen Juan Barros, den Bischof von Osorno im Süden Chiles, von dem es heißt, er sei teilweise bei Missbrauchstaten dabei gewesen.
    Als der Papst im Januar in Chile war, sagte er noch: Gegen ihn lägen keine Beweise vor, das sei alles Verleumdung. Doch dann kam offenbar der Sinneswandel. Ein vom Vatikan entsandter Sonderermittler hatte 64 Zeugen befragt und über 2.300 Seiten Beweismaterial gesammelt. Danach sprach Franziskus in einem Brief an die chilenischen Bischöfe erstmals von eigenen Fehlern.
    Für Überlebende ein wichtiger Schritt
    Für Überlebende des Missbrauchs sind der Brief und die Begegnung ein wichtiger Schritt, nach langen Jahren, in denen die Katholische Kirche geschwiegen hat. Jose Andrés Murillo sagte in Rom vor dem Treffen mit dem Papst:
    "Nach und nach werden wir zu Vertretern vieler Menschen, die gelitten oder die sich im Kampf dagegen engagiert haben. Das ist ein weiterer Schritt. Hoffen wir, dass die Ergebnisse nicht von uns abhängen und schnell kommen. Wir wollen hier im Namen aller sein, die so viel erlitten haben. Einige Opfer des Missbrauchs durch Kleriker haben sich umgebracht. Andere kämpfen noch an unserer Seite."
    Hoffen auf das Ende der Missbrauchskultur
    Und auch Juan Carlos Cruz, der in den letzten Monaten immer wieder an die Öffentlichkeit gegangen war, hofft, dass sich durch die Begegnung mit dem Papst etwas ändert, nicht nur für die drei Männer, die es nach Rom geschafft haben.
    "Wir treffen uns einer nach dem anderen mit ihm in diesen Tagen. Wir sind nicht allein, mit uns sind alle, die diesen Missbrauch in der ganzen Welt erlitten haben und erleiden. Wir wollen Sand im Getriebe sein, damit das endlich das Ende der Missbrauchskultur und der Verdunklung durch Bischöfe und die Kirche ist."
    In ein paar Wochen werden auch die chilenischen Bischöfe in Rom erwartet. Ob dann weitere Konsequenzen gezogen werden, ist bislang offen. Bischof Juan Barros ist jedenfalls weiterhin im Amt und der Missbrauchstäter Fernando Karadima ist weiterhin Priester der Katholischen Kirche.