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Lage in und um Syrien
Hunger, Wassernotstand und keine Perspektive

Rund 13 Millionen Syrer benötigen derzeit humanitäre Hilfe. Doch von den dreieinhalb Milliarden Dollar, die die Vereinten Nationen dafür 2018 brauchen, sind zurzeit nur gut 14 Prozent in der Kasse. Das hat Folgen: Nicht nur für die Geflüchteten, sondern auch für die Nachbarländer, die den Menschen Schutz bieten.

Von Carsten Kühntopp | 24.04.2018
    Syrische Flüchtlinge im Zaatari-Flüchtlingscamp in Jordanien.
    Rund eine Million Syrer leben als Flüchtlinge in Jordanien (pa/dpa/Saukkomaa)
    Etwa 30 Kilometer sind es von der Stadt Irbid zur syrischen Grenze. Hier, im Norden Jordaniens, haben besonders viele Syrer Zuflucht gefunden. Atalla Moussa hat eine Wohnung in seinem Haus an eine zehnköpfige Familie aus Syrien vermietet. Jetzt, so erzählt Moussa, reicht das Trinkwasser erst recht nicht mehr.
    "Ob die Lage mit der Ankunft der syrischen Flüchtlinge schlimmer geworden ist? Natürlich! Schon vorher hatten wir ja nicht genug Wasser. Aber jetzt leben mehr Menschen hier, und jetzt ist es für alle schlechter geworden, für das ganze Land. Das Wasser versiegt, und es wird schlimmer und schlimmer."
    Jordanien war schon immer eines der trockensten Länder der Welt. Die Regierung schätzt, dass mittlerweile mehr als eine Million Syrer in Jordanien leben, 15 Prozent der Bevölkerung. Iyad Dahiyat ist der Chef der Wasserbehörde. Er sagt, weil die meisten Flüchtlinge im Norden des Landes lebten, sei der Wasserverbrauch in dieser Region um 40 Prozent gestiegen.
    "Für uns bedeutet das - zusätzlich zur Krise - eine weitere Krise. Die erste Krise hatten wir, weil unsere Wasserressourcen versiegten. Jetzt gibt es durch den Zuzug der Flüchtlinge einen höheren Verbrauch und noch eine Krise."
    Kampf um Jobs und Ressourcen
    Etwa elf Millionen Syrer sind auf der Flucht, knapp die Hälfte davon haben das Land verlassen - und von ihnen sind die meisten in den Nachbarländern geblieben. Länder wie Jordanien oder dem Libanon, die ohnehin arm sind und schwache staatliche Strukturen haben. Dort konkurrieren die Syrer mit den Einheimischen um Jobs, um die natürlichen Ressourcen - oder ihr Zuzug hat die Preise explodieren lassen, was alle trifft.
    Nach wie vor steigt der Bedarf an humanitärer Hilfe, in Syrien und in der gesamten Region. Aus Sicht von Hilfsorganisationen war das vergangene Jahr eines der tödlichsten seit Beginn des Konflikts. Und dieses Jahr zeichne sich ein ähnlich düsteres Bild ab.
    Priorität hat, dass die Menschen genug zu essen haben
    Priorität hat für die Helfer nach wie vor, dass die Menschen genug zu essen haben. Denn wenn eine Familie hungert, nehmen sie die Kinder aus der Schule, damit die ein Zubrot verdienen - damit sind ihre Zukunftsaussichten in Gefahr. Dort, wo vorerst nicht mehr gekämpft wird, gehört Schulunterricht meist zum ersten, was die Menschen wieder einrichten - so in Deir ez-Zor; nachdem der IS von dort vertrieben wurde, ist die Stadt nun wieder in der Hand der Regierung. Ahlam, eine junge Lehrerin:
    "Ich dachte, dass alles vorbei ist, dass eine ganze Generation am Ende ist, dass ihre Zukunft verschwunden ist. Aber Gott sei Dank ist das Regime zurückgekehrt, und jetzt lernen unsere Kinder wieder. Sie lernen Lesen und Schreiben und das Land aufzubauen."
    Jedes dritte Kind in Syrien geht nicht zur Schule
    Doch noch immer geht jedes dritte Kind in Syrien nicht zur Schule. Und Geert Cappelaere von Unicef sagt: Das allgemeine Risiko für Kinder ist derzeit höher denn je; Cappelare nennt ein Beispiel:
    "In Syrien sind jeden Tag 3,3 Millionen Kinder der Gefahr durch Blindgänger ausgesetzt - Munition, die auch dort herumliegt, wo nicht mehr gekämpft wird. Kinder haben deswegen Gliedmaße verloren oder sind gelähmt. Das ist die traurige Wirklichkeit, jeden Tag."
    Etwa 13 Millionen Syrer benötigen derzeit humanitäre Hilfe. Doch von den dreieinhalb Milliarden Dollar, die die Vereinten Nationen dafür dieses Jahr brauchen, sind zurzeit nur gut 14 Prozent in der Kasse. Ein weiteres großes Problem: der Zugang zu den Menschen. Im vergangenen Jahr beantragten die Vereinten Nationen 172 Hilfskonvois. Doch die syrische Regierung genehmigte nur 47.