Freitag, 19. April 2024

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Burkini-Streit in Frankreich
"Eine Kriminalisierung von Badekleidung"

Die Obersten Verwaltungsrichter haben das Burkini-Verbot in Frankreich gekippt - damit sei das Thema aber längst nicht erledigt, sagte die Medienwissenschaftlerin Valerie Robert im Deutschlandfunk. In dem Streit gehe es um Rassismus, Wahlkampf und darum, einen Sündenbock für andere Probleme zu haben.

Valerie Robert im Gespräch mit Oliver Ramme | 27.08.2016
    Eine Frau in Burkini steht mit den Füßen im Wasser und schaut aufs Meer.
    Eine muslimische Frau mit Burkini am Strand von Oued Charrat nahe Marokkos Hauptstadt Rabat. (AFP / FADEL SENNA)
    Der Streit um das Burkini-Verbot an einigen französischen Badestränden habe die wirklichen Probleme in den Hintergrund gedrängt, sagte Robert. Stattdessen sei die Frage einer angeblich gefährdeten nationalen Identität zum Zentrum der politischen Debatte in Frankreich geworden. Die Angst vor einem sozialen Abstieg sei in eine Angst vor Muslimen und Arabern umgewandelt worden. Die Thesen des Front National seien längst salonfähig geworden.
    Das Absurde sei, so Robert, dass es im Grunde nur um einen Badeanzug gehe. Dahinter verstecke sich aber etwas Wichtigeres, nämlich ein institutionalisierter Rassismus. "Das heißt, den Moslems wird sozusagen das Recht auf Sichtbarkeit abgesprochen." Im Grunde gehe es auch gar nicht um Muslime, sondern um die arabisch-stämmige Bevölkerung. Für diese würden nun ständig neue spezifische Regelungen erfunden. Die Politiker seien bereit, Grundrechte und Grundfreiheiten für einen Teil der Bevölkerung außer Kraft zu setzen "durch die Kriminalisierung eines Badeanzugs".
    Auch Islamisten sind gegen den Burkini
    Interessant sei dabei, dass die Frauen gar nicht gefragt würden, warum sie einen Burkini tragen. Denn in dieser vermeintliche Debatte dürfe es nur Schwarz oder Weiß geben, die Betroffenen kämen selber gar nicht zu Wort. Dabei werde vergessen, dass Islamisten selbst den Burkini verurteilten, denn aus ihrer Sicht dürften Frauen überhaupt nicht baden gehen, egal in welchem Outfit.
    Robert kritisierte, dass wieder einmal Frauen die Konsequenzen politischer und soizialer Konflikte ausbaden müssten. Die Politiker müssten daran erinnert werden, dass niemand einer Frau sagen dürfe, was sie tragen dürfe oder nicht tragen dürfe.
    Erschreckend sei auch die unsägliche Dummheit mancher Politiker. Zum Beispiel gebe es inzwischen sozialistische Politiker, die von den Moslems "Unauffälligkeit" verlangten. "Es gibt also einen ganzen Teil der Bevölkerung, der sich nicht mehr zeigen darf, und das alles nur für eine Wahlkampagne, die gerade angefangen hat." Die Franzosen steckten in einer wirtschaftlichen Krise, und mit den Moslems beziehungsweisen Arabern bekämen sie nun einen Sündenbock serviert.