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Burundi
Oppositionelle und Tutsi fliehen nach Ruanda

15.000 Menschen sind bereits aus Burundi nach Ruanda geflohen. Denn eine der Hutu-Regierung treue Jugendorganisation macht Jagd auf Oppositionelle und die Tutsi-Minderheit. Beide sind gegen eine weitere Amtszeit des burundischen Präsidenten.

Von Jesko Johannsen | 02.05.2015
    Flüchtlinge aus Burundi im Auffanglager Auffanglager Gashora in Ruanda
    Flüchtlinge aus Burundi im Auffanglager Gashora in Ruanda (Jesko Johannsen)
    John Sibomana vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen hat zwei kranke Mädchen entdeckt. Sie sind etwa fünf Jahre alt, nicht ansprechbar und liegen unter freiem Himmel auf einem Tuch auf dem Boden. Er macht sich Sorgen, fragt nach ihrer Mutter, findet aber nur eine Bekannte. Sie muss ihm versprechen, dass die Mutter mit den Mädchen zur Krankenstation geht.
    Jugendgruppe Imbonerakure droht Oppositionellen
    Die Mädchen und ihre Mutter gehören zu mittlerweile mehr als zehntausend Flüchtlingen aus Burundi in diesem Auffanglager in Ruanda. Auch Aline Kamatamo ist hierhergekommen. Auf ihrem Arm hat sie ihren sechs Monate alten Sohn.
    "Wir sind geflohen, weil wir Angst vor der Jugendgruppe Imbonerakure haben. Sie sind zu unserem Haus gekommen und haben gesagt, dass sie uns töten werden, weil wir nicht den Präsidenten wählen. Nachdem wir hier angekommen sind, haben wir zu Hause angerufen und erfahren, dass unser ganzer Besitz gestohlen und unser Haus niedergebrannt wurde."
    Alle Flüchtlinge hier haben Angst vor der Jugendgruppe Imbonerakure. Sie gehört der Partei CNDD-FDD von Burundis Präsident Nkurunziza an. Schwer bewaffnet macht sie Jagd auf alle, die nicht Parteimitglied sind. Häuser von Oppositionsanhängern werden markiert und die Bewohner bedroht und auch getötet. Entlang der Grenze zu Ruanda hat die Gruppe Wachposten aufgestellt, um Flüchtlinge abzufangen. Viele kommen erst nach vielen Tagen Flucht, nachts und nur mit den Kleidern, die sie tragen. Aline Kamatamo ist mit ihrem Kind auf dem Rücken durch einen Grenzfluss geschwommen. Auch Innocent Ndibanje hatte eine schwere Flucht:
    "Ich bin mit dem Fahrrad auf kleinen Wegen nach Ruanda gekommen. Auf den Hauptstraßen wird man zusammengeschlagen. Von Soldaten oder anderen, die uns daran hindern wollen, nach Ruanda zu kommen."
    Flüchtlingslager seit April eröffnet
    Materialausgabe für die Neuankömmlinge. Decken, Seifen, Sanitärprodukte und Moskitonetze werden verteilt. Konstantina Loupeidou vom UN-Flüchtlingswerk koordiniert die Abläufe im Lager seit es Anfang April eröffnet wurde.
    "Als der Zustrom anfing, war hier keine Infrastruktur. Es gab nur Bauruinen aus der Zeit vor dem Krieg 1994. Wir renovieren sie und bauen große Gemeinschaftszelte für die Familien, die aus Burundi kommen."
    Aus Baumstämmen werden die riesigen Zelte zusammengebaut mit 20 Zimmer für je fünf Personen. Doch die Flüchtlinge kommen schneller, als die Zelte fertig werden.
    "Die Menschen kommen sofort zu den großen Zelten. Das macht es uns schwer, am Ende Räume einzuteilen, weil die Flüchtlinge schon alle drin wohnen, um sich vor dem Wetter zu schützen."
    60 Prozent der Flüchtlinge sind Kinder
    Es ist Regenzeit in Ruanda. Die teils heftigen Regenfälle verwandeln das Lager regelmäßig in eine Schlammwüste. Abwässer fließen zwischen den Zelten, denn Toiletten und Duschen sind noch Provisorien. Viele Flüchtlinge haben nur ihr Moskitonetz als Schutz für die Nacht.
    60 Prozent der Flüchtlinge sind Kinder. Viele von ihnen kommen alleine ohne Eltern oder Familienmitglieder. Gerardine Benimana von der Hilfsorganisation Plan International registriert täglich mehr als 50 Kinder, die alleine auf der Flucht sind.
    "Wir hören von den Kindern, dass es in ihren Dörfern unsicher geworden ist. Die Eltern entscheiden sich dann, ihre Kinder alleine nach Ruanda zu schicken, damit sie hier in Sicherheit sind. Darum haben wir so viele Kinder, die alleine gekommen sind."
    Plan International und andere Kinderhilfsorganisationen kümmern sich nicht nur um diese Kinder, sondern suchen auch nach ihren Eltern.
    "Wir versuchen auch herauszufinden, ob die Eltern in einem Auffanglager registriert sind, um die Familien wieder zusammenzubringen. Eltern kommen auch zu uns und sagen, dass sie ihre Kinder suchen. Wir schauen dann, ob wir die Kinder finden und dann werden die Familien wieder zusammengebracht."
    Aufbrechen von Hutu-Tusi-Rivalitäten?
    Der Flüchtlingsstrom aus Burundi ist Folge einer politisch schwierigen Lage. In Burundi ist eine Hutu-Regierung an der Macht. Beobachter befürchten nun eine neue systematische Verfolgung von Tutsi – der Minderheit im Land. Stephan Klingebiel vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik sieht die aktuelle Entwicklung als Ergebnis der gescheiterten Demokratisierung des Landes nach dem Friedensvertrag von 2005.
    "Leider ist es in Burundi, gerade wenn man sich das Parteiensystem ansieht, doch noch sehr stark von diesen ethnischen Zugehörigkeiten geprägt. Das Potenzial, dass so etwas instrumentalisiert und auch perzipiert wird, ist natürlich ganz, ganz groß."
    Schon jetzt werden der bewaffneten Jugendmiliz der Regierungspartei geplante Tötungen zugetraut. Für die flüchtenden Tutsi ist neben der Todesangst vor allem erschreckend, wie schnell ihre Verfolger sich radikalisiert haben, sagt Remi Sirabahenda.
    Aus Freunden werden Mörder
    "Es ist schwer anzuerkennen, was aus unseren Freunden geworden ist. Sie hatten auch Felder oder Kühe und wir haben sie Freunde genannt. Plötzlich hat sich etwas geändert und jemand, der mal dein Freund war kommt mit Waffen zu dir und ist auf der Seite der Regierung."
    Aline Kamatamo will mit ihrem Baby deshalb auch nicht sobald zurück in ihre Heimat.
    "Nein. Es ist zu unsicher. Die Menschen werden noch lange fliehen und ich glaube, es wird Krieg geben."
    Niemand im Auffanglager Gashora kann und will prognostizieren, wie viele Menschen noch aus Burundi kommen werden. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen hat sich allerdings auf 50.000 Flüchtlinge eingestellt.