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Busek hofft auf Wahlsieg von Boris Tadic

Erhard Busek, EU-Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa, erwartet weitreichende Folgen aus der serbischen Präsidentenwahl am 3. Februar. Sollte sich der Nationalist Tomislav Nikolic im zweiten Wahlgang durchsetzen, sei eine Zuspitzung in der Kosovo-Frage zu erwarten, sagte Busek. Er warnte Serbien davor, "einen äußerst isolierten Standpunkt" einzunehmen.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 21.01.2008
    Dirk-Oliver Heckmann:! Wird Serbien seinen Weg Richtung Westen fortsetzen, oder werden die radikalen Kräfte Oberhand gewinnen bei den Präsidentschaftswahlen, deren erste Runde gestern abgehalten wurde? Amtsinhaber Boris Tadic stand dabei für ein weltoffenes Serbien, für eine Annäherung an die Europäische Union, der Ultranationalist Tomislav Nikolic für eine Hinwendung nach Russland. Wie zu erwarten war, hat keiner der beiden Kandidaten die notwendige absolute Mehrheit erzielt, aber Nikolic hat wie erwartet die Nase vorn gehabt. Die Stichwahl ist für den 3. Februar angesetzt.

    In der mazedonischen Hauptstadt Skopje begrüße ich jetzt Erhard Busek. Er ist der EU-Sonderkoordinator des Stabilitätspakts für Südosteuropa. Guten Morgen, Herr Busek!

    Erhard Busek: Guten Morgen!

    Heckmann: Gehen Sie davon aus, dass sich Nikolic auch in der zweiten Runde durchsetzt?

    Busek: Das ist schwer zu sagen, weil es jetzt entscheidend sein wird, ob die Wahlbeteiligung, die ja höher war als erwartet, sich so fortsetzen wird. Wenn das der Fall ist, nehme ich an, dass Tadic nach wie vor eine echte Chance hat. Die wirkliche Entscheidungsfrage wird die sein, wie die Stimmen, die auf drei andere Kandidaten sich jeweils verteilt haben, dann sich entscheiden, ob für Nikolic oder für Tadic.

    Heckmann: Aber sollte Nikolic Präsident werden am Ende, was wäre von ihm zu erwarten? Er hat sich ja beispielsweise nie von Vojislav Seselj distanziert, dem Parteichef der SRS, der in Den Haag vor dem Kriegsverbrechertribunal steht.

    Busek: Bezüglich Den Haag wird sogar noch mehr zu erwarten sein. Die Annahme der Radikalen ist, dass alle die, die wir eigentlich in Den Haag sehen wollen, alle nationale Helden sind, also genau das umgekehrte, wovon wir selber ausgehen. Aber die noch entscheidendere Frage ist, ob Serbien sich aus allem Möglichen herausnimmt. Dabei geht es nicht nur um die Beziehung zu Russland oder die Abwendung von der Europäischen Union, sondern es ist auch das Verhältnis zur Region. Serbien ist ja eingebettet, ist ja nicht der Nachbar von Russland, sondern hat mit vielen anderen zu tun, die natürlich den europäischen Weg gehen, und das wird natürlich zusätzliche Spannungselemente erzeugen.

    Heckmann: Eine Kernfrage, Herr Busek, war ja der Umgang mit dem Kosovo, das sich nach der Wahl höchstwahrscheinlich für unabhängig erklären wird sehr bald. In den 90er Jahren haben die Radikalen gefordert oder den Vorschlag ins Spiel gebracht, die albanische Minderheit im Kosovo gezielt mit Aids zu infizieren, um die Belgrader Herrschaft dort dauerhaft zu sichern. Mit welcher Reaktion rechnen Sie denn, wenn es eben zu dieser Unabhängigkeitserklärung kommt und wenn der Präsident Nikolic heißt?

    Busek: Es ist in beiden Fällen anzunehmen, dass die Situation sehr schwierig wird. Die gegenwärtige Regierung hat ja auch jede Art von Blockademaßnahmen und Abbruch von diplomatischen Beziehungen und et cetera angedroht. Der Ton wird aber natürlich dann schärfer werden. Es ist eine Zuspitzung, die dann zu erwarten ist, wo wir dann sehr bald zu einem sehr kritischen Punkt kommen, nämlich zur Frage, inwieweit Serbien nicht nur sich von der Europäischen Union abwendet, sondern überhaupt einen äußerst isolierten Standpunkt einnimmt.

    Heckmann: Nikolic hat im Vorfeld der Wahl gesagt, Serbien werde seine Kinder nicht mehr in den Krieg schicken. Glauben Sie einer solchen Ankündigung?

    Busek: Ich glaube schon. Was ich nicht ausschließen kann, ist, dass irgendwelche Wahnsinnigen zu den Waffen greifen. Das ist ja an sich in der Region schon des Öfteren passiert. Dass aber quasi eine Kriegserklärung erfolgt oder die Armee dann eingesetzt wird, nehme ich nicht an. Vor allem muss man auch wissen, dass der Präsident zwar der Oberkommandierende der Armee ist, aber in dem Sinne keine Entscheidungsgewalt hat. Die Dinge sehen nicht so aus, dass Nikolic etwa eine absolute Mehrheit hätte mit seiner Partei. Ich glaube eher, und alle diese Aussagen werden dazu führen, dass wir zu einer sehr klärenden Situation kommen.

    Heckmann: Herr Busek, welchen Anteil hat die Europäische Union an dem Wahlergebnis? War es klug, im Vorfeld der Wahlen von einer Anerkennung des Kosovo zu sprechen? Hat man damit nicht die Menschen in Richtung Radikale getrieben?

    Busek: Das möchte ich nicht sagen, denn es war jedem klar, dass diese lange hinausgezögerte Entscheidungsfrage letztlich irgendwann einmal zu einem kritischen Punkt kommt und man wirklich sagen muss, was man will. Die Alternativen sind ja relativ gering. Man muss auch einmal deutlich sagen: Sollte Kosovo weiter bei Serbien bleiben, sind ja die Serben nicht in der Lage, das Problem zu lösen. Das gilt genauso für Nikolic.

    Heckmann: Hat die Europäische Union genug getan, um die demokratischen Kräfte zu unterstützen?

    Busek: Ich glaube schon. Das was ein bisschen kritisch zu sehen ist, ist, dass die zivile Gesellschaft in Serbien nach diesen Anstrengungen - die Trennung von Milosevic und dann natürlich der Tod oder der Mord an Djindjic - ein gewisses Ausmaß an Erschöpfung hat. Vielleicht muss man hier mehr tun. Das ist aber weniger eine Sache der Europäischen Union als der zivilen Gesellschaften in Europa überhaupt.

    Heckmann: Es gab allerdings schon Signale aus Brüssel, die eben aufzeigen sollten eine europäische Perspektive. Da ist das Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen zu nennen. Das ist ja mittlerweile schon paraphiert, noch nicht unterschrieben. Möglicherweise soll es noch vor dem zweiten Wahlgang unterschrieben werden. Soll das geschehen, oder soll das an Bedingungen geknüpft werden?

    Busek: Das ist eine Streitfrage innerhalb der Regierung. Kostunica will ja im Falle eines Beschlusses einer EU-Mission nach Kosovo sich von diesem Abkommen distanzieren, während der stellvertretende Ministerpräsident Covic erklärt hat, er hat den Flug schon gebucht. Das ist hier also eine interne Situation. Wahrscheinlich wird es zu einer gewissen Verhärtung der Sprache führen. Ich halte das aber für keinen Fehler, denn ich glaube, dass man gegenüber Serbien immer sehr klare Standpunkte einnehmen muss, die dann auch entsprechend verstanden werden.

    Heckmann: Und sollte Brüssel selbst bereit sein, eben diesen Schritt zu tun vor den Wahlen noch?

    Busek: Das Angebot an sich existiert. Es liegt in Wirklichkeit auf der serbischen Seite, ob vor oder nach den Wahlen.

    Heckmann: Es gibt ja einige Länder die sagen, man sollte es an die Bedingung knüpfen, dass Belgrad besser mit Den Haag kooperiert.

    Busek: Das ist nach wie vor vor allem ein Standpunkt der niederländischen Regierung. Das hat auch sehr viel für sich, weil wir etwa gegenüber Kroatien sehr hart gewesen sind und gegenüber Bosnien auch den Standpunkt haben. Also eine Aufweichung einer prinzipiellen Frage halte ich für problematisch.

    Heckmann: Herr Busek, zwei Drittel aller Serben - ich hatte es gerade eben schon gesagt im Gespräch mit unserem Korrespondenten - sind für den EU-Beitritt. Was ist aus Ihrer Sicht der Grund dafür, dass so viele Serben dann doch lieber die Isolation wählen offenbar?

    Busek: Ich glaube, das ist weniger so. Serbien hat an sich eine europäische Tradition, und Sie dürfen nicht vergessen, dass durch den Ausschluss und die Schwierigkeit, etwa auch ein Visum zu bekommen, besonders die junge Generation leidet, während unter den Alten natürlich sehr viele waren, die unter den Bedingungen Jugoslawiens - und das waren ja relativ radikale Bedingungen - ganz selbstverständlich reisen konnten und es gab auch jede Menge wirtschaftliche und personelle Beziehungen.

    Heckmann: Wenn man jetzt einen Strich unter alles macht, wie optimistisch sind Sie, dass Serbien nicht abdriftet?

    Busek: Ich glaube, dass wir weiter dran bleiben müssen. Das ist nicht eine Sache, die sich von heute auf morgen entscheidet. Selbst wenn es zu einer weiteren Polarisierung kommt, gebe ich hier nicht auf. Ich glaube, dass man hier in einer Strategie permanent versuchen muss, mit den Serben im Dialog zu bleiben. Ich bin aber persönlich der Meinung, dass die Europäische Union an sich einen klaren und harten Standpunkt haben sollte. Das ist eine Sprache, die traditionell in Serbien besser verstanden wird. Sie wird sicher nicht geliebt, aber das andere wird dann eher eigentlich als ein Sieg Serbiens ausgelegt. Solche Wege und Bewertungen sind ja nicht sinnvoll.

    Heckmann: Über den ersten Wahlgang in Serbien und die politischen Folgen habe ich gesprochen mit Erhard Busek. Er ist der Sonderkoordinator der EU für den Stabilitätspakt für Südosteuropa. Herr Busek, danke Ihnen nach Skopje.

    Busek: Herzlichen Dank.