Donnerstag, 28. März 2024

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Bußgeldbescheid für Kamerateam in München
Pressefreiheit auf dem Bürgersteig

Ein Kamerateam der ProSieben-Sendung "Galileo" erhält einen Bußgeldbescheid, weil es ohne Drehgenehmigung in einer Münchener Fußgängerzone gedreht hat. Der genannte Grund: Bei der Sendung handle es sich nicht um "aktuelle journalistische Berichterstattung". Ein Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung?

Von Kai Rüsberg | 12.03.2018
    Passanten gehen in München durch die Fußgängerzone.
    Wegen einer Straßenumfrage in der Münchener Altstadt bekam der Kameramann Sundro Ganser einen Bußgeldbescheid. Die Stadt München hat sich mittlerweile bei ihm entschuldigt. (pa/dpa/Hoppe)
    Am Morgen hatte Kameramann Sundro Ganser einen Anruf aus der Redaktion des Wissenschaftsmagazins Galileo erhalten. Er sollte die Meinung von Passanten in München zu einem aktuellen Thema mit der Fernsehkamera aufnehmen.
    "Ich habe hier in München sogenannte Vox Pops, das ist quasi eine Straßenumfrage, für den Sender ProSieben gedreht, für die Sendung Galileo und bei diesen Vox Pops wurde ich dann von zwei Polizisten angesprochen, die gefragt habe ob ich eine Drehgenehmigung besitze, die ich nicht hatte."
    Er stand zu diesem Zeitpunkt in einer bekannten Einkaufsstraße mit seinem kleinen Team. Er hatte die Kamera auf der Schulter und nicht einmal ein Stativ dabei.
    "Die Situation vor Ort: Das ist die Theatinerstraße, das ist eine Fußgängerzone, aber es ist dort ausreichend Platz und dadurch dass Sommerferien waren, war allerdings nicht allzu viel los. Diese Straßenumfragen machen wir normalerweise mit der Schulterkamera, das heißt ich hatte lediglich meine Kamera auf der Schulter und hatte noch zwei Praktikantinnen von ProSieben dabei, die eine hat die Ton-Angel gehalten, also das Mikrofon und die andere hat die Leute gefragt."
    Bußgeldbescheid ein halbes Jahr später
    Kurz vor Ende der geplanten Drehzeit kamen die Beamten und stoppten die Aufnahmen.
    "Ich wurde in meiner Arbeit behindert, die beiden Polizisten platzten mitten in ein Interview mit einem Passanten hinein und haben mich vor allem daran gehindert - unter der Androhung eines Platzverweises, wenn ich jetzt noch weiter drehen würde - diesen Beitrag fertig zu drehen."
    Jetzt erst, ein halbes Jahr später, erhielt er einen Bußgeldbescheid. 128 Euro soll er zahlen, weil er seinen Dreh nicht angemeldet hatte. Das Filmen mit der TV-Kamera sei verboten, weil es sich bei der Sendung nicht um so wörtlich im Bescheid "aktuelle journalistische Berichterstattung" handeln würde. Das Programm sei Infotainment und anmeldepflichtig.
    Folgen für andere Journalisten?
    Für Dennis Amour, den Geschäftsführer des bayrischen Journalistenverbands BJV, ist ein solches Verhalten der Behörden ein Eingriff in die Grundrechte.
    "Aus meiner Sicht ist es ein ewiges Problem in Hinblick auf Artikel 5, da in die Berichterstattung Freiheit zugesichert wird. Nach meiner Auffassung kann es nicht sein, dass Behörden willkürlich Grenzen einziehen, wo es dann darum geht, aktuell von nicht aktuell zu unterscheiden. Wie man sieht, ist das auch fast gar nicht möglich."
    Der BJV fordert, dass sich Journalisten und Redaktionen jederzeit und auch kurzfristig frei entscheiden können, wann sie und wo sie und worüber sie berichten. Amour meint, der Bescheid könnte auch Folgen für andere Journalisten haben.
    "Dann kann das durchaus zur Folge haben, dass Journalisten sich auch eingeschüchtert fühlen und automatische sich im Grunde selbst Grenzen auferlegen, weil sie möglicherweise die Auseinandersetzung mit den Behörden scheuen. Man muß natürlich immer bei diesen kleinen Dingen auch auf die weiteren Folgen schauen."
    Entschuldigung via Twitter
    Auf Anfrage des Deutschlandfunks beschwichtigt der Sprecher der Stadt München Stefan Hauf: Er sehe keine Rechtsgrundlage für den Bescheid und erklärt das Vorgehen der Bußgeldstelle so:
    "Das sind Kriterien, die sich offensichtlich die Dienststelle selber gegeben hat. Die wohl sonst für den Vollzug von Sondernutzungsgenehmigungen - also z.B. wenn jemand einen Werbefilm drehen will oder sonstige Spielfilmaufnahmen ohne wirklichen Grund machen will - dann sind die eigentlich zuständig."
    Tatsächlich soll es auch in München weiterhin Einschränkungen für Film und Video-Dreharbeiten geben. Diese betreffen aber nur solche Dreharbeiten, die andere behindern, saht Hauf.
    "Konkret war das die Polizei, die diese Anzeige erstattet hat, und da scheint wohl jetzt ein, ich sag mal, wohl ein Missverständnis vorzuliegen. Wie der Fall sich jetzt im Moment darstellt, hat der Kollege ohne weitere Hilfsmittel, Aufbauten, Absperrung oder sonstiges gedreht. Das darf er auf öffentlichen Straßen ohne Genehmigung."
    Die Stadt hat kurz vor der Sendung auf Twitter angekündigt, dass hier keine Drehgenehmigung notwendig sei und sich bei Sandro Ganser entschuldigt.