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BVB-Prozess
Verteidiger hält Staatsanwaltschaft für befangen

Vor acht Monaten erschütterte ein Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus des BVB die Fußballwelt. In Dortmund hat nun der Prozess gegen den 28-jährigen Tatverdächtigen begonnen. Der Verteidiger des Angeklagten warf dem Staatsanwalt eine beispiellose Vorverurteilung seines Mandanten vor.

Von Vivien Leue | 21.12.2017
    Der Angeklagte Sergej W. (2.v.r) steht am 21.12.2017 im Landgericht in Dortmund (Nordrhein-Westfalen) zur Anklagebank neben seinen Verteidiger Christus Psaltiros (r) und Carl Heidenreich (l). Dem 28-jährigen Mann wird 28-facher versuchter Mord vorgeworfen. (Teile des Bildes wurden aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen unkenntlich gemacht.)
    Der 28-jährige Angeklagte mit seinen Verteidigern am ersten Tag des Prozesses um den Sprengstoffanschlag auf den BVB-Bus. (picture alliance/dpa - Ina Fassbender)
    Noch vor der Verlesung der Anklageschrift kam es im Saal 130 des Landgerichts Dortmund zum Schlagabtausch zwischen dem Anwalt des 28 Jahre alten Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Carl Heydenreich warf dem zuständigen Staatsanwalt eine beispiellose Vorverurteilung seines Mandanten vor:
    "Ja, weil nach meiner Überzeugung dieser Staatsanwalt als Sitzungsvertreter untragbar ist, weil er sich bereits auf ein Ergebnis festgelegt hat."
    Der Staatsanwalt wies das zurück. Es gebe in diesem Fall keine entlastenden Umstände, alles deute auf den Angeklagten als alleinigen Täter hin.
    Der Angeklagte selbst wirkte blass und schüchtern, als er in den Gerichtssaal geführt wurde, unter dem Augenschein Dutzender Journalisten aus der ganzen Bundesrepublik. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 28-Jährigen vor, er habe am Abend des 11. April dieses Jahres mit einem Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund die Profispieler ermorden wollen, damit der Kurs der BVB-Aktie fällt. Der Angeklagte soll an der Börse auf diesen fallenden Kurs gewettet haben. Verteidiger Heydenreich zweifelt den Mordvorsatz an.
    "Wenn lediglich zwei von hundert Metallstiften den Bus treffen, der ein riesiges Teil ist, der nur zehn Meter entfernt ist von den Sprengsätzen, dann muss man sich schon fragen, ob der Täter den Bus treffen wollte, oder ob er nur ein Anschlagsszenario darstellen wollte, aber letztlich nicht verletzen oder gar töten wollte."
    "Das ist an die Substanz gegangen"
    Für die Insassen des BVB-Busses war allerdings schon dieses Anschlagsszenario erschütternd, wie einer der Nebenklage-Anwälte, Alfons Becker, heute berichtete:
    "Das ist an die Substanz gegangen. Das hat Wirkung nicht nur an dem Tag gehabt, sondern darüber hinaus auch, das dürfte selbstverständlich sein."
    Becker vertritt unter anderem den BVB und den Spieler Marc Bartra. Der Spanier wurde bei dem Anschlag schwer verletzt, Glassplitter schnitten in seinen Arm, er brach sich eine Speiche. Er und andere Bus-Insassen litten noch heute unter den Erlebnissen dieser Nacht, so Becker. Der Anwalt erwartet, dass einige der BVB-Spieler von damals als Zeugen geladen werden. Der Prozess ist bisher mit 18 Verhandlungstagen bis Ende März angesetzt.