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Calderon-Stern-Kommission
Klimaschutz und Wirtschaftswachstum sind vereinbar

20 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft könnten die Folgekosten betragen, falls die Weltgemeinschaft nichts gegen die Klimaerwärmung unternimmt. "Jetzt handeln" wäre nicht nur billiger, sondern würde auch die Weltkonjunktur ankurbeln, lautet die Erkenntnis des britischen Ökonomen Sir Nicholas Stern.

Von Daniela Siebert | 16.09.2014
    Warnschild für CO2-Alarm im Kaliwerk Werra am Standort Hera bei Philippsthal (Hessen)
    Klimwandel: Die CO2-Konzentration beträgt 142 Prozent der vorindustriellen Zeit. (picture-alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Wirtschaftswachstum und Klimaschutz sind vereinbar: Das ist die Kernbotschaft der Studie. Adressaten dieses Berichtes sind sowohl Wirtschaftsbosse als auch Spitzenpolitiker weltweit, die durch ihre Entscheidungen zur Kohlenstoffreduzierung beitragen sollen. Indem sie etwa Investitionen entsprechend planen oder die nötigen Gesetze und Anreize vorgeben. Zu der illustren 24-köpfigen internationalen Kommission zählt auch Caio Koch-Weser aus dem Vorstand der Deutschen Bank, ehemaliger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Vorstandsmitglied der European Climate Foundation. Wenn die Vorschläge aufgegriffen würden, so Koch-Weser, dann wären bis zu 90 Prozent der zum Klimaschutz nötigen CO2-Reduktionen möglich:
    "Wir haben zur Zeit etwa 50 Giga-Tonnen CO2-Emissionen, wir müssten eigentlich bis 2030 bei 42 sein, um das zwei Grad Celsius Ziel zu erreichen und dieser Global Action Plan des Berichts würde je nach Qualität der Umsetzung 14 bis 24 Gigatonnen Reduktion beitragen können. Es ist nun natürlich an den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft, ob viele dieser Vorschläge umgesetzt werden und die Zeit drängt."
    10-Punkte-Aktionsplan
    Die Kommission schlägt einen 10-Punkte-Aktionsplan vor, der vor allem in den Bereichen Energie, Städte und Landnutzung ansetzt. Städte sollten dichter gebaut werden und deutlich mehr auf öffentliche Verkehrsmittel setzen, lautet eine Empfehlung; weg von fossilen Brennstoffen, insbesondere der Kohle, hin zu erneuerbaren Energien, Wasserkraft und Atomkraft, eine andere. Der Bericht berücksichtige bei der Atomkraft auch die Folgekosten für den Atommüll, so Caio Koch-Weser:
    "Ich sehe es so, dass es unwahrscheinlich sein wird, dass in den OECD-Ländern in großem Umfang zusätzlich Nuklearenergie-Kapazität aufgestellt wird, dass aber über die OECD-Länder hinaus und da natürlich vor allem China und andere hier durchaus und das sagt der Report auch eine Möglichkeit besteht."
    Mehr Energie-Effizienz, die Abschaffung von Subventionen für Kohle und andere fossile Brennstoffe sind weitere Faktoren. Auch die umstrittene CCS-Technik zur CO2-Lagerung propagiert die Kommission. Um langfristig Investitionen in kohlenstoffärmere Systeme zu umzulenken, seien verlässliche Preise pro Tonne CO2-Ausstoß notwendig. Das gehe weit über das ohnehin reformbedürftige Zertifikate-Handelsmodell hinaus:
    "Ob das eine Steuer ist weltweit, ob das ein Handelssystem von Rechten ist, da gibt es viele Ausprägungen, oder indirekt über Standards, im Grunde die Kernaussage des Reports ist: Man braucht einen starken, einen verlässlichen und einen mittel- und langfristig steigenden carbon price. Als Ökonom würde ich sagen: Das Beste wäre natürlich eine direkte Steuer, aber das ist naiv."
    Bodenerosion durch Baumpflanzungen und Wildwuchs bekämpfen
    Im landwirtschaftlichen Bereich empfiehlt die Studie unter anderem, die Bodenerosion durch Baumpflanzungen und Wildwuchs zu bekämpfen. Auch die Aussaat gentechnisch veränderter Pflanzen etwa in Form des Flut-resistenten Scuba-Reis hält sie für sinnvoll.
    Regierungen sollten ihre öffentlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung von kohlenstoffarmen Technologien verdreifachen. Und Caio Koch-Weser favorisiert noch einen weiteren Punkt:
    "Dass man den regulatorischen Rahmen schafft, der es für Unternehmen erforderlich macht, in ihrer Bilanzlegung die Nachhaltigkeit mit einzubauen. Dass man also nicht alle drei Monate nur sozusagen die finanziellen Resultate zeigt, sondern auch die Nachhaltigkeitsdimension im Sinne von Umwelt, Sozialem und anderem reinbringt."
    Der Bericht argumentiert mit Kosten und Nutzen: Je stärker die Auswirkungen des Klimawandels würden, desto größer werde das Schadensrisiko für die Wirtschaft.
    Inwiefern die Studie die Entscheidungen für mehr Klimaschutz tatsächlich beeinflussen kann, ist fraglich, denn sie ist eine Mischung aus Appellen und Methodensammlung. Da sie aber international von Persönlichkeiten wie dem ehemaligen mexikanischen Präsidenten Felipe Calderon und Nicholas Stern getragen wird, hat sie aber gute Aussichten die Diskussionen der nächsten Tage mitzubestimmen.