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Calexico
Neue Einflüsse in die typische Soundästhetik eingebunden

Der Klang von mexikanischen Mariachi-Trompeten hat im Soundkosmos der Band Calexico schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Für ihr neuntes Studioalbum, "Edge Of The Sun", waren Sänger Joey Burns und Schlagzeuger John Convertino in einem kleinen Studio in Mexico City. Ein idealer Ort, um Songs zu schreiben, findet Convertino.

Von Anke Behlert | 11.04.2015
    Coyacán ist ein malerisches Viertel in Mexico City mit eindrucksvollen Kolonialbauten und baumgesäumten kleinen Straßen. Dort spürt man kaum etwas vom Lärm und der Hektik, die man sonst mit dieser riesigen Stadt verbindet. Und deshalb ist es auch ein idealer Ort, um Songs zu schreiben findet Calexico-Drummer John Convertino.
    "Ich hab dort meinen Geburtstag gefeiert. Die Leute kamen mit Mariachis und Churros in heißer Schokolade vorbei, das war großartig. Manchmal gab es auch mitten am Tag ein Feuerwerk, aber davon abgesehen war es sehr ruhig. Wenig Verkehr auf den Straßen, ein Park und das Haus von Frida Kahlo waren gleich um die Ecke. Wir hatten also viel Zeit und Ruhe, um an Demos zu arbeiten."
    Das Ergebnis dieser Sessions ist "Edge of the sun", das weitaus weniger nach Mexiko klingt, als man es vielleicht erwarten würde. Das war auch für Sänger Joey Burns eine überraschende Erfahrung, erzählt er. Aber man könne solche Dinge eben nicht erzwingen.
    "Ich dachte es würden mehr Songs wie "Cumbia de donde" herauskommen. Aber wir haben dort zum Beispiel auch "Falling from the sky" geschrieben, das war eher überraschend. Wenn man in diesem Prozess drin ist, dann hört man nicht einfach auf. Außerdem ist es schwer zu sagen: Ok, ich will genau diese Art von Song schreiben und dann macht man es. So arbeiten wir nicht. Bei uns funktioniert das eher instinktiv und viel weniger Kopf gesteuert."
    Im Gegensatz zum letzten Album "Algiers", das die unterschwellige Düsternis seines Entstehungsortes New Orleans in der Musik trug, gibt es auf "Edge of the sun" kein allumfassendes Thema. Die Platte lebt von musikalischen Gegensätzen und unterschiedlichen Stimmungen. Geradlinige Indie-Rock-Nummern wechseln sich mit Elektro-Cumbia und schunkelndem Americana ab.
    Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit anderen Musikern ist in der Calexico-DNA fest verankert. Eine so lange Gästeliste wie bei "Edge of the sun" ist aber selbst für Burns und Convertino neu. Von alten Bekannten wie Neko Case und Sam Beam bis zu der guatemaltekischen Sängerin Gaby Moreno und der Grammy-Gewinnerin Carla Morrison, alle durften mitmachen. Vor allem Calexico-Keyboarder Sergio Mendoza hat hierbei eine wichtige Rolle gespielt.
    (John Convertino) "Sergio hatte die Idee, für jeden Song einen anderen Gast zu finden. Zum Beispiel Neko Case, Joey war erst unsicher und meinte, dass sie sicher viel zu tun hätte. Aber Sergio sagte, ruf sie doch einfach an! Er hat uns ermutigt und auch mit Carla Morrison und Gaby Moreno in Kontakt gebracht."
    (Joey Burns) "Wir haben uns nicht vorher überlegt, wer bei welchem Song mitmachen sollte. Das hat sich einfach ergeben und war ein natürlicher Prozess."
    Eines der eindrucksvollsten Stücke auf "Edge of the sun" ist der Song "World undone". Er beginnt sehr zurückhaltend mit geflüsterten Textzeilen über einem Bluesriff, gewinnt immer mehr an Intensität und schraubt sich zum Schluss mit Hilfe von Bouzouki, Violine und einem treibendem Groove unheilvoll in die Höhe. Bei diesem Song ist die griechische Band Takim mit von der Partie, die Calexico in Athen kennengelernt haben, wie Joey Burns zu berichten weiß.
    "Als wir letzten Sommer in Europa auf Tour waren, hatten wir in Athen einen Tag frei. Unser Tourmanager kommt aus Deutschland und er wollte zurück, weil die Hotels billiger sind und außerdem war ja Fußball-WM. Wir sind dann aber geblieben und haben im Lizzard Sound Studio ein paar Songs aufgenommen. Die Band Takim war auch dort und wir haben sie gefragt, ob sie nicht bei ein paar Stücken mitspielen wollen. Und das hat wunderbar funktioniert, wir haben uns alle super verstanden."
    "Edge of the sun" ist Calexicos bislang poppigstes Album geworden, das mit vielen kleinen Überraschungen wie Stücken im Offbeat und einmal mehr großartigem Songwriting aufwartet. Scheinbar mühelos gelingt es ihnen, neue Einflüsse in die für sie typische Soundästhetik einzubinden, ohne dass es gewollt oder angestrengt klingt. Ob Mexiko oder Griechenland – es ist immer wieder eine große Freude, dieser Band zu folgen, wohin auch immer die Reise geht.