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Cameron in Brüssel
Let's talk about "Brexit"

Der britische Premier David Cameron will sein Land in der EU halten. Im Gegenzug fordert er aber Reformen. So will er EU-Bürgern Sozialleistungen in seinem Land bis zu vier Jahre verweigern. Ein Thema, das er in Brüssel mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Parlamentschef Martin Schulz angehen will.

Von Karin Bensch | 29.01.2016
    Der britische Premierminister David Cameron beim Gang in die Zentrale der Europäischen in Union in Brüssel, Pressevertreter halten ihm Mikrofone hin.
    Großbritanniens Premier David Cameron steht unter Druck: Er will nicht den Brexit, aber die EU zugunsten Großbritanniens reformieren. (afp / Georges Gobet)
    "Ich will die Organisation reformieren."
    Hatte David Cameron gesagt. Mit "Organisation" meint der britische Premierminister übrigens die Europäische Union. Doch viel mehr als die EU interessiert den konservativen Briten derzeit offenbar sein eigenes Land. Er will die britische Position in der EU neu verhandeln, sagte Cameron.
    Die britische Position, die sieht für ihn so aus: Die EU soll nicht weiter zusammenwachsen zu einer "ever closer union", einer immer engeren Union. Es soll mehr Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt geben. Und: EU-Bürgern, die in Großbritannien leben, sollen Sozialleistungen bis zu vier Jahren lang vorenthalten werden können. Doch das verstößt gegen europäisches Recht. Europäer dürfen in anderen EU-Ländern nicht schlechter gestellt werden als Einheimische. Um diese Änderungen durchzudrücken, hat Cameron eine Volksabstimmung angesetzt, in der die Briten darüber entscheiden sollen, ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht.
    Referendum bis Ende 2017
    Dieses Referendum soll spätestens bis Ende nächsten Jahres stattfinden, so Cameron. Möglicherweise kommt sie schon viel früher, im Juni dieses Jahres.
    Jo Leinen:
    "Ich bin der Meinung, dass die EU nicht ihre Seele verkaufen sollte, dass sie ihre Grundprinzipien über Bord werfen soll für das britische Referendum."
    Sagt der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen. Anderseits gibt es einige Punkte, für die es recht schnell und unkompliziert eine Lösung geben könnte. Zum Beispiel bei der Forderung nach mehr Wettbewerb und weniger Bürokratie. Das wollen auch viele andere Länder. Schwierig wird es beim Stopp von Sozialleistungen für EU-Bürger, meint der deutsch-britische Europaabgeordnete David McAllister von der CDU.
    "Also die britische Forderung, dass man erst nach vier Jahren in Großbritannien ein Anspruch hat, Sozialleistungen zu bekommen, dass ist mit dem Prinzip der Nichtdiskriminierung ganz schwer in Einklang zu bringen."
    Bei den heutigen Hintergrundgesprächen mit Kommissionschef Juncker und Parlamentschef Schulz wird es wohl genau darum gehen. Das Problem soll geklärt sein, bevor der "Brexit" zum großen Thema bei EU-Gipfel in drei Wochen wird. Offenbar bietet die EU Großbritannien eine neue "Notbremse" für die Zuwanderung an. Es werde eine Regelung vorgeschlagen, nach der jedes Mitgliedsland Arbeitnehmern aus anderen EU-Staaten bis zu vier Jahre lang Sozialleistungen vorenthalten könne, ist aus Verhandlungskreisen zu hören.
    Leinen: Wichtigere Probleme als britische Nörgelei
    Allerdings muss das betreffende Land die anderen EU-Mitglieder erst einmal davon überzeugen, dass sein Sozialsystem besonders belastet sei. Sollte man sich auf die "Notbremse" einigen, könnte am Sonntag bei einem Treffen mit EU-Ratspräsident Tusk ein entsprechender Entwurf verabredet werden, der dann Anfang nächster Woche an die übrigen 27 EU-Mitglieder geschickt würde. Der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen erwartet, dass man jetzt mit Großbritannien zum Schluss kommt.
    Jo Leinen:
    "Wir wollen dieses leidige Thema, Großbritannien drin oder raus endlich auch erledigt haben, weil Europa hat ganz andere Probleme als mit der Nörgelei aus Großbritannien sich noch Jahre rumzuschlagen."
    Seiner Einschätzung nach müssten für die Einigung nicht einmal die EU-Verträge geändert werden. Man könne dies mit Vereinbarungen regeln, meint Leinen.
    Jo Leinen:
    "Also es gibt Möglichkeiten eines Gentlemen's Agreement, wo man die Bedürfnisse aller Seiten berücksichtigen kann, ohne an den Grundlagen der EU zu rühren."
    Eine solches Gentlemen's Agreement würde wohl auch David Cameron gefallen. Dann könnte er eine Trophäe nach Hause tragen und seine Reformbemühungen als Erfolg verkaufen. Und letztlich würde das geschehen, was Cameron insgeheim selbst unterstützt: Dass, es keinen "Brexit" gibt, dass Großbritannien drin bleibt in der Europäischen Union.