Aus den Feuilletons

Die #MeToo-Debatte ist noch lange nicht zu Ende

Die italienische Schauspielerin Asia Argento bei ihrer flammenden Rede bei den 71. Filmfestspielen in Cannes
Die italienische Schauspielerin Asia Argento bei ihrer flammenden Rede in Cannes © imago stock&people
Von Hans von Trotha · 22.08.2018
Die Schauspielerin Asia Argento hat die #MeToo-Debatte mit ausgelöst. Nachdem am Wochenende die "New York Times" berichtete, dass Argento 2013 einen damals minderjährigen Schauspieler missbraucht haben soll, geht die Debatte in den Feuilletons weiter.
Auf der taz-Kultur prangt das Bild einer Vespa, auf der der Schriftzug "Sexismus, du mieses Stück Deutschland" spazieren gefahren wird. Es illustriert ein Interview mit Anne Wizorek, die 2013 den Hashrag #aufschrei initiiert hat und nun zum Hashtag #MeToo sagt:
"Allein die Tatsache, dass der Begriff 'Opfer' ein Schimpfwort ist, sagt alles über den Zustand unserer Gesellschaft aus."
Es sei "ein klassisches Muster von diskriminierenden Machtstrukturen, dass diejenigen, die auf das Problem hinweisen, als schlimmer empfunden werden, als das eigentliche Problem."
Womit wir, ob wir wollen oder nicht, bei Asia Argento wären, die die #MeToo-Debatte mit ausgelöst und jetzt in eine neue Runde befördert hat, als sei es ein Drehbuch, dem ein turning point gefehlt hat.

Harvey Weinstein ist "fast erleichtert"

"Asia Argento", fasst die taz zusammen, "war eine der ersten Frauen, die öffentlich erklärten, von ... Harvey Weinstein vergewaltigt worden zu sein. Am vergangenen Wochenende berichtete die 'New York Times', dass Argento 2013 einen zu dem Zeitpunkt minderjährigen Schauspieler missbraucht haben soll. (...) In einem Statement schrieb sie (...), dass sie sich dem Inhalt des Artikels "entschieden entgegenstellt".
Harvey Weinstein, berichtet die taz, habe "sich mittlerweile über seinen Anwalt zu Wort gemeldet. Er sei "fast erleichtert" angesichts der Vorwürfe gegen Asia Argento. Tarana Burke, Erfinderin des Hashtags #MeToo ... , schrieb auf Twitter, dass es bei sexueller Gewalt um Macht und Privilegien gehe. "Und das ändert sich auch nicht, wenn der Täter dein Lieblingsschauspieler, -aktivist oder -professor ist – egal welchen Geschlechts."

Ein Feminismus "naiv wie Rousseau"

Sarah Pines nutzt die Gelegenheit in der Welt, um sich auf ihre Weise von Metoo zu distanzieren: "Warum", fragt sie, "ist für den MeToo-Feminismus der Gedanke an sexuell übergriffige oder einfach nur brünftige Frauen so unerträglich? (...) Auch wenn die MeToo-Bewegung gute Absichten hat", schreibt Pines:
"Es bringt nichts, wenn ein konfuses Opferkonglomerat sich aufführt wie naive Mamsellen auf Pariser Debütantinnenbällen, immer auf der Flucht vor bartzwirbelnden Halbhalunken, die ihnen an die Wäsche wollen. (...) Ein Feminismus, der überall das Patriarchat wittert und Frauen wie Argento als Opfer vorangegangener Chauvinismen sieht, ist", so Sarah Pines, "naiv wie Rousseau."

Hatte der gemeinsame Dreh einen Einfluss?

Oder wie Jens Jessen, könnte man hinzufügen, wollte man ihr folgen. Der meint in der Zeit: "Was zehn Jahre später möglicherweise in einem Hotelzimmer geschah, war in dem Film schon präfiguriert", den Argento zuvor mit dem jungen Schauspieler gedreht hat.
"Oder umgekehrt", meint Jessen: "Der Film könnte ein Rollenverhältnis in der Kindheit des jungen Mannes angelegt haben, das sich später ausnutzen oder doch lenken ließ. Aber", fragt Jessen, "muss man es so sehen? Sind zehn Jahre nicht eine lange Zeit? Lässt sich überhaupt ein 17-Jähriger gegen seinen Willen in ein Hotelzimmer bugsieren, ausziehen und aufs Bett werfen? ... Vielleicht", vermutet Jessen, "liegt in (den) Krokodilstränen, die von interessierter (vorwiegend männlicher) Seite um sein bitteres Schicksal geweint werden, die eigentliche Heuchelei, zumindest eine strategisch eingesetzte Weltfremdheit, die so tut, als wären junge Männer auf ähnliche Weise wehrlos wie junge Frauen – als ließe sich auf diese Weise eine Geschlechtersymmetrie herstellen, die das Schuldkonto ausgleicht, von dem die #MeToo-Debatte eine Ahnung gegeben hat."
Opfer – Täter – Strukturen. Diese Debatte ist noch lange nicht zu Ende.

Der Hass auf den Hai

Gefürchteten Räubern in der Rolle des Opfers widmet die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift "Wenn Haie aus Tornados regnen" eine ganz andere Erörterung. Interviewt wird eine Meeresbiologin, die, dies schon mal zur Beruhigung, feststellt, es sei "völlig unrealistisch, dass Haie aus einem Tornado regnen". Das geschieht in der Fernsehserie "Sharknado", einer laut Süddeutsche Zeitung "irre(n) Mischung aus Horror, Comedy und Science-Fiction. Es geht um Haie, die in einen Sturm geraten und dann die Menschheit terrorisieren. ... Die eigentlichen Opfer im Film sind die Haie. Sie werden bombardiert, zersägt, mit Laserwaffen zerstört."
Das lässt die Süddeutsche Zeitung die Meeresbiologin Katharina Fietz fragen: "Woher kommt der Hass auf den Hai?" Und die antwortet: "Haie werden oft auf sehr krasse Weise dafür eingesetzt, ein Bild des Schreckens zu verbreiten." Allerdings, gibt sie zu bedenken: "Im Durchschnitt werden pro Jahr vier Todesfälle durch Haie verzeichnet. Umstürzende Getränkeautomaten oder ein Blitzschlag sind da häufigere Todesursachen."
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