Donnerstag, 25. April 2024

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Camerons Philosophie sei es, "immer die EU zu kritisieren"

Neben den europaskeptischen Tory-Politikern hat auch die Labour-Party dem britischen Premier David Cameron bei der Abstimmung zum EU-Haushalt eine Niederlage zugeführt. Denis MacShane, Labour-Abgeordneter, verweist auf die schlechte Situation vor Ort. Gleichzeitig kritisiert er die Regierung Camerons.

Denis MacShane im Gespräch mit Friedbert Meurer | 01.11.2012
    Friedbert Meurer: Guten Tag, Herr MacShane!

    Denis MacShane: Guten Tag!

    Meurer: Herr MacShane, sind Sie jetzt auch unter die Europaskeptiker gegangen?

    MacShane: Nein, ganz im Gegenteil! Es gibt zwei Gründe, warum die Labour-Partei gestern Abend gegen David Cameron ihre Stimme gegeben hat. Sie können meine Rede in the House of Commons auch lesen. Und der erste war sehr, sehr einfach, dass wie europäische Abgeordnete von England, Schweden, Finnland, Dänemark, Niederlande: Wir sind nicht zufrieden mit Herrn Barrosos Budget. Dieses Budget von Herrn Barroso ist ein rechtes Budget, das ist so ein Austeritätsbudget, das gibt überhaupt gar nichts für das Jobwachstum, um neue Jobs zu schaffen.

    Meurer: Aber Sie wollen ja den Geldhahn noch mehr zudrehen. Dann ist ja kein Geld mehr da für Wachstum?

    MacShane: Nein, nein. Da geht es um eine Reorganisation dieses Budgets, statt dass wir weitergehen mit den altmodischen agrarprotektionistischen Subventionen und Strukturregionalfonds, die nicht sehr gut funktionieren, sollen wir dieses Budget an Wachstum und Jobs orientieren. Und der zweite Grund – und das ist richtig, das ist wahr: Bei uns bin ich in meinem Wahlkreis und ich muss meinen Wählern, meinen Mitbürgern erklären, sie müssen riesige Schritte in ihrer Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Schulen und Krankenhäusern unternehmen. Ich habe 750 Jobs in meinem lokalen Spital, die bedroht sind. Und jetzt müssen sie mehr Geld an Brüssel geben. Und das ist sehr, sehr schwierig zu rechtfertigen in dieser Zeit, in diesem Land, vielleicht nicht in Deutschland.

    Meurer: Ist das Verhalten von Labour, Herr MacShane, populistisch?

    MacShane: Nein, ich denke nicht. Ich mache ja immer in meinen Reden deutlich – ich habe zwei Reden gestern im House of Comons gehalten -, es gibt einen anderen konservativen Vorschlag, dass man die freie Bewegung der europäischen Mitbürger beendet. Und ich war stark gegen ihre These. Aber es ist wichtig, zu unterstreichen, dass seit 15 Jahren haben Herr Cameron, Herr Hague, sein Außenminister früher, der Leader der konservativen Partei, seit 15 Jahren die haben nicht ein gutes Wort für Europa geäußert, gefunden. Und das hat die ganze Aubiose bei uns geändert, denn man hatte immer, immer nur heftige Kritik gegenüber Europa. Jetzt spricht man viel über die Idee eines Referendums und unsere Presse, nicht von Leuten, die ihre Steuern in England bezahlen, besetzt, unsere Presse macht auch jeden Tag Propaganda gegen Europa.

    Meurer: Umso mehr wundert man sich doch hier, Herr MacShane, wenn ausgerechnet Sie und Labour mit radikalen Tory-Europagegnern gemeinsame Sache machen im Unterhaus.

    MacShane: Oh, ich denke, im Bundestag sieht man Koalitionen gegen die Regierung des Tages, die die Labour Party gegen Herrn Cameron hat. Und die Tatsache, dass er seit zweieinhalb Jahren im Amt nichts Positives über Europa gesagt und geäußert hat. Europa war nur für ihn ein Problem. Und ja, es war ein original konservativer Vorschlag. Und ja, das ist klar, eine Niederlage gegen Herrn Cameron, die hat auch Labour in den 90er-Jahren gehabt. Das ist nicht, dass wir jetzt eine antieuropäische Euroskeptiker-Partei sind, ganz im Gegenteil. Wir wollen eine funktionierende Europäische Union mit England, Großbritannien, im Herzen Europas. Aber das ist unmöglich mit dieser antieuropäischen Regierung, die wir jetzt heute haben. Also, das ist eine innenpolitische Sache!

    Meurer: Verstehe ich Sie richtig, Herr MacShane? Sie wollen auch, dass die Europäische Union massiv finanzielle Einschnitte vornehmen soll?

    MacShane: Nein, nicht massiv. Sie können mir alle meine Freunde im Deutschen Bundestag, alle meine Freunde wie Martin Schulz im Europäischen Parlament hier zu mir in meinen armen Wahlkreis in Nordengland schicken, um zu erklären, warum sie Pensionierte, sie mit vielen Problemen zuhause, sozialen Problemen, sie weniger Geld von der britischen Regierung kriegen, bekommen, aber wir riesige Schecks, 300 Millionen und mehr für nächstes Jahr nach Brüssel schicken. Und wer erklärt das mir? Ich bin Pro-Europäer, aber ich habe keine Antwort in dieser Zeit, in diesem Moment, in diesem Land, um zu rechtfertigen mehr und mehr Geld für die Europäische Union und weniger Geld für die Leute, die Hilfe brauchen von ihrer Regierung, ihrer Stadt in meiner Region.

    Meurer: In Deutschland will man auch sparen. Auch die Kanzlerin will, dass nicht eine Billion Euro ausgegeben wird. Wollen Sie wirklich, dass die Kosten nicht nur eingefroren werden, sondern sogar noch die Haushaltszahlen der letzten Jahre unterschritten werden?

    MacShane: Ja, es gibt diesen Vorschlag, eingefrorenes Budget plus Inflation. Und das meint – das ist am Ende des Tages ein Kompromiss – 320 Millionen Pfund nächstes Jahr von London nach Brüssel. So, ich denke, in diesem Moment … Auch, dass dieses Budget überhaupt keine Hilfe an einen griechischen oder spanischen Jungen gibt, der keinen Job, keine Zukunft, keine Hoffnung hat. Wir haben diesen Stillstand, konservative, rechts dominierte Kommission in Brüssel. Die hat so ähnlich wie früher dieses alte und altmodische und gigantische Budget noch einmal als Vorschlag. Wenn wir echte Reformen innerhalb des Budgets hätten: Aber da hat Herr Cameron nichts zu tun, weil seine ganze politische Philosophie seit 15 Jahren ist, immer die EU zu kritisieren und diese der englischen Bevölkerung sehr negativ vorzustellen.

    Meurer: Auch die britische Opposition will, dass die Europäische Union mehr spart – das war Denis MacShane, Abgeordneter von Labour, gestern Abend bei der Unterhaussitzung mit dabei. Herr MacShane, schönen Dank nach London und auf Wiederhören.

    MacShane: Vielen Dank – Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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