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Camerons's Nachfolge
Jetzt schon "Yesterday's Man"?

Nach einem erfolgreichen britischen Referendum über den Verbleib in der EU könnte Premier David Cameron als Regierungschef mit der drittlängsten Amtszeit nach Winston Churchill und Margret Thatcher in die Geschichte eingehen. Dass er bereits öffentlich über einen Nachfolger spekuliert hat, ärgert ihn nun selbst.

Von Friedbert Meurer | 19.08.2015
    David Cameron zwischen den Flaggen Großbritanniens und der EU.
    Großbritanniens Premier David Cameron: Jetzt schon ein "Yesterday's Man"? (dpa/EPA/Julien Warnand)
    Es war kurz vor der Unterhauswahl am 7. Mai des Jahres. Tories und Labour liegen in den Umfragen gleichauf, die Sozialdemokraten rechnen sich gute Chancen auf den Wahlsieg aus. Amtsinhaber David Cameron wirft eine letzte Karte ins Spiel, als er ein Fernsehteam der BBC zu einer Homestory zu sich nach Hause einlädt.
    "Auf die Frage des Reporters, ob er denn auch 2020 bei der nächsten Wahl noch einmal antreten will, antwortet Cameron: ein frisches Gesicht an der Spitze wäre gut. Zwei Amtszeiten sind wunderbar, drei wären zu viel."
    Dann kommt der Wahltag mit einer Riesenüberraschung. Die Tories mit David Cameron an der Spitze gewinnen haushoch und können wieder alleine regieren, ohne eine Koalition mit den Liberaldemokraten.
    Der Moderator verkündet Punkt 10 Uhr vor den Glockenschlägen von Big Ben die Prognose. Die Sensation ist perfekt. David Cameron ist klarer Wahlsieger. Und am nächsten Morgen steht fest: erstmals seit 1998 gibt es wieder eine Alleinregierung der konservativen Tories. Cameron ist auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel soll bei der letzten Bundestagswahl in der Wahlnacht ein Stein vom Herzen gefallen sein, dass CDU und CSU knapp die absolute Mehrheit verpassten. Cameron könnte jetzt ein Gefangener seines Erfolges werden – ohne die Liberaldemokraten und angesichts einer gelähmten Labour-Partei fordert der innerparteiliche rechte Flügel den politischen Durchmarsch von ihm, unter anderem aus Europa heraus.
    "Die Queen verliest im Unterhaus die Regierungserklärung Camerons. Wir werden das Verhältnis zwischen dem Königreich und der EU neu ausverhandeln. Deswegen werden wir schnell die gesetzlichen Grundlagen schaffen, um ein Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union bis zum Ende des Jahres 2017 abzuhalten."
    The Times: Cameron plant Rückzug für Frühjahr 2018
    Das Referendum wird wohl schon im Frühsommer 2016 stattfinden. Cameron müsse mehr politisches Theaterdonnern veranstalten, um die Europäer zu beeindrucken. Und die Rechtspopulisten von UKIP höhnen, Cameron und seine Leute seien bloß eine lahme Sofa-Gang.
    Wenn Cameron das Referendum zum Erfolg führt – also Großbritannien Mitglied einer reformierten EU bleibt - und die Wirtschaft weiter boomt, dann hätte er viel erreicht. Er könnte als Premier mit der drittlängsten Amtszeit nach Winston Churchill und Margret Thatcher in die Geschichte eingehen.
    Der Tageszeitung "The Times" zufolge plant Cameron sogar schon im Frühjahr 2018 aufzuhören, damit sein Nachfolger einen Amtsbonus für die Unterhauswahl in 2020 mitnehmen kann. Aber wer kommt in Frage? Der populäre Londoner Bürgermeister Boris Johnson wird als politisches Kraftpaket offenbar nicht mehr gebraucht, die Tories stehen unangefochten da. Einer seiner vielen Scherze scheint sich zu bewahrheiten.
    "Die Chance, dass ich Premierminister werde, so Johnson einmal, ist so groß wie die, Elvis Presley auf dem Mars zu finden."
    Cameron bevorzugt ohnehin seinen Finanzminister George Osborne als potenziellen Nachfolger – der saniert erfolgreich den Haushalt, mutet allerdings auch der Mittelschicht heftige Einsparungen zu. Ist Osborne nicht viel zu unbeliebt dadurch geworden, fragen sich Parteifreunde?
    Premierminister Cameron ist hier in Italien, Osborne vertritt ihn im Unterhaus. Cameron soll es bedauern, vor der Wahl über die Zeit nach 2020 philosophiert zu haben. Bloß jetzt nicht als "Yesterday's Man!" erscheinen, als Mann von gestern. Die Frage lautet: Kann er den Tories noch neue Ziele setzen? Camerons berühmte wenig kluge Antwort auf die Frage, warum er Premierminister werden will, wird wieder in Erinnerung gerufen: Weil ich glaube, dass ich gut darin wäre. Bei ihren jetzigen fast unbeschränkten Möglichkeiten und einer Labour-Partei tief im Existenzkampf wollen zumindest einige Tories mehr von ihrem Premierminister sehen.