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Camouflage-Album "Greyscale"
Kalte Musik hinter verschlossenem Vorhang

Mit Songs wie "The Great Commandment" oder "Love is a Shield" wurde die schwäbische Band Camouflage in den 1980ern-Jahren berühmt. Jetzt ist, nach neun Jahren, erscheint ein neues Album des Trios - mit düsteren Klängen zu düsteren Gedanken.

Von Christoph Reimann | 21.03.2015
    "The Great Commandment" von Camouflage. Ein Hit von 1987. Er machte die Band aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen weltweit bekannt, aus den damaligen Teenagern Marcus Mey, Heiko Maile und Oliver Kreyssig wurden Stars. Der Song hat unzählige Menschen begleitet. Meyn, der Sänger der Band, kennt viele solcher Geschichten:
    "Mein erster Chef, dessen Frau hat mir erzählt, dass sie mit ihrer Freundin immer heimlich rauchen gegangen ist, sie haben sich immer davon geschlichen und haben dann ein Versteck gehabt, und dort hatten sie auch einen Kassettenrekorder, und dort lief immer unser erstes Album. Das heißt, wenn sie Musik hört von unserem ersten Album, dann sind sofort diese Bilder da, wie sie mit ihrer Freundin dasitzt und über Jungs quatscht und sie dabei geraucht haben. Solche Sachen."
    Camouflage sind das, was man einen Nostalgie-Act nennt. Man liebt ihre Songs, weil sie einen an ganz bestimmte Zeiten und persönliche Erlebnisse erinnern. Für die Musiker kann das auch eine Last sein, zumal der Synthiepop Ende der 80er schnell wieder außer Mode war und abgelöst wurde von Grunge und Techno. Immer weniger Menschen interessierten sich für die kühlen, elektronischen Synthie-Popsongs von Camouflage.
    "Du machst halt dein Ding, und auf einmal kommt es halt nicht mehr an. Das war schwierig, das war extrem schwierig. Das führte dann dazu, dass wir uns umorientieren mussten. Dass wir sagen mussten: Okay, wir können nicht mehr nur Musiker sein, wir müssen jetzt mal gucken, wie wir anderweitig auch noch Geld verdienen. Und das haben wir dann eben gemacht, jeder für sich."
    Die Musiker arbeiteten als Manager für Plattenfirmen, als Grafikdesigner oder machten Werbemusik. Offiziell löste sich die Band nie auf, aber neue Platten erschienen immer seltener. Seit Mitte der Nullerjahre erlebt der Synthesizer, dieses stilprägende elektronische Tasteninstrument, ein kleines Revival. Das allerdings sei kein Grund, weshalb Camouflage jetzt wieder mit ihrem alten Sound zurück sind im Musikgeschäft, sagt Marcus Meyn:
    "Wir müssen keine Musik machen, die klingt wie in den 80ern. Das passiert bei uns automatisch, weil wir solche Songs schreiben noch immer, weißt du. Wenn wir einen Song machen, wir ihn produzieren, dann klingt er eben auf eine gewisse Art und Weise. Wir haben uns jetzt nicht irgendwie angespornt gefühlt: Wow, der Synthesizer ist in, lass uns mal wieder eine neue Platte machen. Sondern es war Zeit, eine neue Platte zu machen."
    Schwermütige Stimmungen
    Das neue Album haben Camouflage in Originalbesetzung aufgenommen. 13 Songs befinden sich darauf, drei davon sind Instrumentalstücke, die allesamt das Wort Grau im Namen tragen: "Light Grey", "Dark Grey" – und das titelgebende Stück, "Greyscale":
    "Der Begriff kommt aus dem Grafischen. Du siehst auf Andrucken von Büchern oder Plattencovers, Fotos, was weiß ich was, siehst Du gerne Farbpaletten daneben. Und das eine davon ist meistens eine Graueskalierung. Und das dachten wir, ist etwas, das uns ganz gut beschreibt. Wir sind nicht das eine, nicht das andere, wir sind zwischendrin. Selbst da gibt's dann auch noch mal eine Abstufung. Und dachten wir: Das ist eigentlich perfekt. Lass und doch die ganze Platte so nennen.
    Grau hat auch immer etwas Melancholisches, genauso wie sich durch Musik von Camouflage schon immer eine gewisse Schwermut zieht. Sie ist typisch für den Synthiepop, dessen Geburtsstunde ja ebenfalls in eine dunkle Zeit fiel: mitten in den Kalten Krieg. Nicht zwangsläufig sieht Marcus Meyn die Musik von Camouflage als Reaktion auf das damals angespannte politische Klima. Vielmehr habe das Nachdenkliche, das Melancholische ihn und seine Mitmusiker schon immer angezogen.
    "Das ist Teil unserer Seele. Wir sind immer die, die das Licht ausmachen oder den Vorhang zuziehen, um in eine bestimmte Stimmung zu kommen und Gefühle, die man in sich trägt, die man sonst vielleicht gar nicht so rauslassen kann, so eine Schwermut auch, die dann einfach in Musik umzusetzen. Und das dann eben auch als Ventil zu benutzen. Dinge sich von der Seele zu schreiben."
    Textlich gibt es auf dem neuen Album kein übergeordnetes Thema. Auch mit Mitte vierzig zweifeln die drei Musiker noch an der Liebe und hängen am liebsten ihren düsteren Gedanken nach:
    "Seien es jetzt Gedanken über das tägliche Leben, über die teilweise Hoffnungslosigkeit, die Sprachlosigkeit, das Grauen, das Entsetzen, das einen umgibt. Krieg in der Ukraine, Flugzeuge werden abgeschossen. Es gibt Seuchen, es gibt Armut, es gibt was weiß ich was alles. Und diese Sprachlosigkeit haben wir versucht, in Musik und Worte umzusetzen in dem Song The End of Words."
    Das neue Album von Camouflage ist kein plumper Comeback-Versuch. Die Songs sind solide geschrieben, mit den Mitteln von heute produziert, und man glaubt den Musikern gerne, dass sie Lust haben, gemeinsam Musik zu machen. Besonders innovativ sind Camouflage mit ihrem Original-Retro-Sound aber auch nicht. Deshalb dürfte "Greyscale" vor allem langjährige Fans der Band ansprechen – genauso wie die aktuelle Tour. Auf der werden dann auch wieder die alten Hits zu hören sein.
    "Das ist selbstverständlich. Weil das macht uns ja auch glücklich, zu sehen, dass es die Leute glücklich macht. Das wäre ja bescheuert, wenn wir es dann nicht spielen würden, weißte. Ich mein, was soll's. Du brichst dir ja keinen Zacken aus der Krone, nur weil du diese beiden Nummern oder drei, vier Nummern, spielst, weil die Leute das einfach hören wollen. Gut, dafür spielste 16 andere Nummern, die du dann unbedingt spielen willst, weißte. Und der Abend ist gelungen, wunderbar."