Mittwoch, 24. April 2024

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Can Dündar zur Eröffnung der Hamburger Lessingtage
"Es reicht nicht aus, im eigenen Land demokratisch zu sein"

In seiner Rede zu Eröffnung der Hamburger Lessingtage spricht der türkische Journalist Can Dündar über die Demokratie, die er sowohl in seinem Land als auch im Westen bedroht sieht. Man müsse nicht nur darauf schauen, wie Länder regiert werden, sondern auch, was sie in anderen Ländern unterstützen.

Rede von Can Dündar | 28.01.2018
    Der türkische Journalisten Can Dündar steht am 21.01.2018 im Thalia Theater in Hamburg an einem Pult auf der Bühne und hält eine Rede zur Eröffnung der Hamburger Lessingtage.
    Mit einer Rede zur Demokratie hat der türkische Journalist Can Dündar am 21.01.2018 die Hamburger Lessingtage eröffnet (dpa / Georg Wendt)
    Der türkische Journalist Can Dündar war langjähriger Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet". Er saß wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation drei Monate im türkischen Gefängnis und wurde im Februar vor zwei Jahren aus der Untersuchungshaft entlassen. Zur Zeit lebt Can Dündar in Deutschland im Exil, er ist Chefredakteur der Internetplattform "ozguruz.org" - zu Deutsch: "Wir sind frei"" und Mitbegründer des journalistischen Netzwerkes "Correctiv".
    Die im Hamburger Thalia-Theater seit dem letzten Wochenende stattfindenden Lessingtage beschäftigen sich in diesem Jahr mit der Demokratie und ihren aktuellen Gefährdungen durch den Terrorismus einerseits und den Populismus andererseits. In der Eröffnungsrede sprach Can Dündar, der im vergangenen Jahr als "europäischer Journalist des Jahres" ausgezeichnet wurde, über die Bedrohung der Demokratie, die er durchaus nicht nur in seinem Land zu finden glaubt.
    Demokratie über das Regieren im eigenen Land hinaus
    Dündar beginnt seine Rede mit einer Geschichte aus seiner Haft im Gefängnis in Silivri, westlich von Istanbul, um auf die Verhältnisse in seinem Heimatland zu sprechen zu kommen: "Die Türkei ist das größte Gefängnis der Welt geworden". In der Türkei sei eine vollständige Demokratie immer eine Utopie gewesen. Doch auch im Hinblick auf den Westen, in der Wiege der Demokratie, konstatiert Dündar: "Irgendwas läuft falsch". Könne man die USA und Europa überhaupt als "Wiege der Demokratie" bezeichnen?
    Man müsse nicht nur darauf schauen, wie die westlichen Länder regiert werden, sondern was sie in anderen Ländern unterstützen, um sie als demokratisch zu bezeichnen oder nicht: "Können wir die USA als Demokratie bezeichnen, wenn sie Militärputsche in Südamerika unterstützt? Können wir Frankreich als Demokratie bezeichnen, wenn wir an Algerien denken? Können wir die Niederlande als demokratisch bezeichnen, die in Bosnien das Massaker übersehen haben?"
    Es reiche nicht aus, im eigenen Land demokratisch zu sein, wenn man Folter in anderen Ländern unterstütze.