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Carl Djerassi
Die "Mutter der Pille" ist tot

Der Miterfinder der Anti-Baby-Pille ist gestorben. Carl Djerassi starb im Alter von 91 Jahren in San Francisco. 1960 revolutionierte er mit seiner Erfindung das Zusammenleben von Mann und Frau. Djerassi machte sich auch als Schriftsteller und Kunstmäzen einen Namen.

31.01.2015
    Porträt von Carl Djerassi
    Der Chemiker und Schriftsteller Carl Djerassi starb im Alter von 91 Jahren in Wien. (dpa / Boris Roessler)
    Djerassi bezeichnete sich selbst als "Mutter der Pille" – so der Titel seiner Autobiographie, die 1991 erschien. Den Begriff "Anti-Baby-Pille" lehnte Djerassi zeitlebens ab. Denn das Hormonpräparat richte sich nicht gegen Kinder, es sei vielmehr ein Mittel "für die Frauen", betonte er.
    Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hatte seine Verdienste einmal so zusammengefasst: "Djerassi verdient ein Denkmal. Die Pille ist ein Meilenstein in der Geschichte der Emanzipation der Frauen." Tatsächlich zeigte er sich selbst erstaunt über die enorme Bedeutung der Pille: "Niemand hatte damals geglaubt, dass Frauen das Mittel einmal so stark benutzen würden." Als Ursache für den Geburtenrückgang sah er die Pille nicht: "Das ist Unsinn. Paare beschränken sich aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Gründen auf weniger Kinder."
    Djerassi war mehr als die "Mutter der Pille"
    Carl Djerassi kam am 29. Oktober 1923 in Wien zur Welt, als Sohn eines österreichisch-bulgarischen Arztehepaars. Nach der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich 1938 floh er vor den Nazis in die USA und wurde dort zum Forscher.
    1951 gelang es Djerassi, das Hormon Progesteron, das den Menstruationszyklus regelt, künstlich herzustellen. Später entwickelte er zusammen mit den Kollegen Gregory Pincus und John Rock daraus die erste Verhütungspille, die 1960 auf den Markt kam. In späteren Jahren wies Djerassi wiederholt darauf hin, dass sein Leben mehr umfasse als die Erfindung der Pille. Er veröffentlichte etwa 1.200 wissenschaftliche Arbeiten und wirkte zum Beispiel an der Synthese von Cortison mit, das in vielen Medikamenten eingesetzt wird.
    Trotzdem wurde er sein Image nicht los. Im Mai 2014 sagte er der österreichischen Zeitung "Presse": "Das irritiert mich oft: Ununterbrochen werde ich nur zur Pille befragt." Dabei sei er gerade mal 28 Jahre alt gewesen, als er die erfunden habe. Jetzt sehe es so aus, als habe er seit damals nichts mehr getan. "Seit 25 Jahren habe ich mein Leben total verändert. Es gibt nicht viele Chemiker, die später auch Schriftsteller werden."
    Neue Karriere als Schriftsteller
    In der Tat sah sich Djerassi seit den 80er-Jahren vor allem als Roman- und Bühnenautor. In vielen seiner Werke setzt er sich mit dem Judentum, dem Wissenschaftsbetrieb und dem Kampf um Anerkennung auseinander. Er schuf auch ein neues Roman-Genre, das er "Science-in-Fiction" nannte - denn die wissenschaftlichen Inhalte seien im Gegensatz zur Science-Fiction nicht frei erfunden. Die Romane wurden Bestseller, seine Dramen - wie "Oxygen" und "Ego" - werden auf Bühnen in aller Welt aufgeführt, darunter auch in etlichen großen europäischen Theatern.
    Als Kunstsammler besaß Djerassi eine der größten Privatsammlungen mit Werken von Paul Klee - insgesamt sind es rund 160. Sie sind heute im Museum of Modern Art in San Francisco und der Albertina in Wien zu sehen.
    Djerassi lebte abwechselnd in Wien, London und San Francisco. Am Samstag starb er in San Francisco nach langer schwerer Krankheit, wie die Albertina unter Berufung auf Djerassis Sohn mitteilte. Er wurde 91 Jahre alt.