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Cartoonist Rudi Klein
Gott ist ein Loch

Gott ist – ein Loch? So scheint es zumindest in den Comics, die Rudi Klein seit 2006 für die österreichische Tageszeitung "Der Standard" zeichnet. Der Lochgott bildet die Grundlage für allerhand hintersinnigen Humor. Man müsse die Menschheit ein bisschen fordern, findet der österreichische Cartoonist.

Von Paul Lohberger | 08.03.2018
    Rudi Klein: "Ja, wenns nicht zu kalt ist, zeichne ich hier. Es ist ein Laden, es ist ein Studio, es ist eigentlich alles, und es hat mir immer Spaß gemacht, damit zu spielen, dass Leute reinkommen und sich wundern, ob's da was zu kaufen gibt, weil: Es ist ein Geschäftslokal. Diese Verunsicherung hab ich gern, dass da eben nicht drüber 'Fleischer' steht und in der Auslage Fleisch ist.
    Die Geschichten liegen auf der Straße
    Viele Leute möchten Dinge aus der Auslage kaufen, hinter welcher Rudi Klein sitzt, wie das große geschwungene K, das von einer alten Geschäftsfassade stammt. Sein Laden hat große Fenster mit Holzrahmen und eine Metalltür, wie sie in den 1970ern verbaut wurden. Die Inneneinrichtung besteht aus vielen Holzladen und Vitrinen. Was einst ein Geschäft strukturierte, ist nun heillos vollgeräumt. Es stapeln sich Büromaterial, Leinwände und Papierblätter, Originale und Sammelbände. Aktuell auch erotische Fotos molliger Damen, das ist Rohmaterial für ein Collagen-Projekt. Außerdem: eine Mao-Büste aus Keramik. Ein ausgestopfter Fuchs. Zahlreiche bunte Spielsachen aus Blech und Plastik.
    Das würde man nicht vermuten, denn Rudi Kleins Bilder sind sehr aufgeräumt. Braucht der Zeichner die Fülle als Inspiration?
    Rudi Klein: "Ich kauf oder stehle, oder was auch immer, Dinge, wo mir eine kleine Geschichte dazu einfällt. Es gibt ja dieses Buch von mir, nicht gerade ein Weltbestseller, 'Der Herr der Dinge', mit über 200 Fotos, wo ich über diese verquere Sicht auf die Welt schreibe: Ich find irgendein Teil auf der Straße, und mir fällt eine Geschichte dazu ein, und das hat meist nichts mit dem wirklichen Verwendungszweck zu tun."
    Der Humor ist eher intellektuell
    Rudi Klein zeichnet klar definierte Körper, die nicht naturalistisch und doch lebendig und ausdrucksstark sind. Gerne lässt der Zeichner am Papier Platz frei, Hintergründe gibt es kaum. Texte sorgen für Spannung und Erläuterung, der Humor ist eher intellektuell:
    "Was haben der Finanzmarkt und alte Socken gemeinsam? – Keine Ahnung!? – Richtig!!!"
    Das Ausdenken geschieht in Ruhe und dauert oft länger als das Zeichnen. Bei der Ausführung kann dann Musik für Schwung sorgen. Seit 66 Jahren lebt Rudi Klein in Wien, seinen Lebensunterhalt konnte er immer mit seinen Zeichnungen bestreiten. Für das Magazin "Profil" liefert er wöchentlich aktuelle Illustrationen zum Leitartikel. Andere Printmedien geben ihm einfach Platz für seine Zeichnungen. Die Stadtzeitung "Falter" druckte lange Zeit alles, nur nicht die zwei Striche mit dem Titel "Die 79-Euro-Zeichnung" – das entsprach dem Honorar.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Der österreichische Comic- und Cartoonzeichner Rudi Klein (Czernin Verlag)
    Der Lochgott entstand für den "Standard", Wiens linksliberale Qualitätszeitung. Die Inspiration kam tatsächlich aus geistigen Quellen: "Ich hab zuerst an einen Weisen gedacht, weil mir von meiner damaligen Freundin so Bücher geschenkt wurden von irgendwelchen indischen Philosophen, die lauter Schwachsinn dahergelabert haben. Dann ist mir der Gedanke gekommen: Für jede blöde Idee auf der Welt gibt es eine Rechtfertigung, philosophischer oder analytischer Art. Dafür wollte ich eine Figur schaffen. Und irgendwann ist es ein Gott geworden, der in einem Loch wohnt."
    Nun spricht das Loch zu den Figuren, nachdem es seine Schöpfung erläutert hat: Gleich darauf schuf Gott die Schaufel und nach mühsamen Graben endlich das selige Loch. Um die Arbeit zu erleichtern, schuf er dann auch noch Bagger und Bohrturm.
    In Rudi Kleins Vorstellung wohnen im Loch auch Gläubige, die der Gott an- und runtergezogen hat. Auf einer Zeichnung muss das Loch von einem Laster mit Allmacht betankt werden. Als runder schwarzer Fleck ist der Lochgott Rudi Kleins am stärksten reduzierte Figur. Zudem bieten absolute Figuren wie Tod, Teufel oder eben Gott einen schier unerschöpflichen Quell an Assoziationen.
    Rudi Klein: "Das ist wie ein Jazzthema, wo man improvisieren kann – es ist immer gut, ein einfaches Grundsetting zu haben und damit zu spielen." Wie müsste beispielsweise der Teufel als Gegenteil zum Loch aussehen? Wie ein großer Zapfen, der das Loch zumachen oder ausfüllen könnte?!
    Das Böse ist ein großer Zapfen
    Rudi Klein: "Das war natürlich klar, dass die Assoziationen zu Löchern gleich ins Sexuelle abgleiten – ich bemüh mich, das nicht überzustrapazieren, aber natürlich gibt’s so eine kindliche Freude an Provokation noch, das gehört zum Berufsbild dazu."
    In "Neue Offenbarungen" erfährt man, dass das Böse nur in seiner Selbsteinschätzung ein großer Zapfen ist – in Wirklichkeit ist es aber ein kleiner Zapfen, erklärt der Lochgott – respektive Rudi Klein.
    Rudi Klein: "Ich war immer der Meinung, dass man die Menschheit ein bisschen fordern muss. Wenn ich denselben abgeschmackten Witz wie in Privatfernseh-Witzesendungen zum 20. Mal mache, hat das den Vorteil, dass alle ihn kennen und furchtbar lachen, aber dafür muss man halt ein simples Gemüt haben. Und für die zeichne ich halt nicht."