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Catherine Ringe
Handgemacht, genreübergreifend und bunt

Sie war die Muse von Godard, hat Bowie den Kopf verdreht, Theater gespielt, Pornos gedreht und sich mit Serge Gainsbourg angelegt: Catherine Ringer, frühere Sängerin der französischen Kultband Les Rita Mitsouko, veröffentlicht aus Anlass ihres 60. Geburtstags ein Album über Liebe und Sex im Alter.

Von Marcel Anders | 11.11.2017
    Elegant, leichtfüßig und voller Lebenslust: Catherine Ringer ist mit neuem Album zurück
    Elegant, leichtfüßig und voller Lebenslust: Catherine Ringer ist mit neuem Album zurück (imago stock&people)
    "Mit der Zeit wird es leichter, mit dem Schmerz umzugehen. Ich bin zwar immer noch traurig, aber ich akzeptiere die Situation. Einfach, weil ich in einem Alter bin, in dem es normal ist, dass Leute sterben. Und das Leben ist wie deine Probleme: Du bemühst dich, sie zu lösen. Aber sobald dir das gelingt, kommen schon die nächsten auf dich zu."
    Zehn Jahre hat Catherine Ringer um ihren Lebensgefährten, Fred Chichin, getrauert, der 2007 an Krebs gestorben ist. Jetzt wagt sie sich wieder an die Öffentlichkeit und veröffentlicht Songs, die sehr an Les Rita Mitsouko erinnern. Ein Duo, dem Cathrine über 27 Jahre und sieben Alben vorstand und das sie nicht so einfach abstreifen kann. Auf "Chroniques et fantaisies" setzt sie den multikulturellen Sound zwischen New Wave, Funk, Chansons und arabesken Einflüssen fort. Und verfolgt alte Ziele auf neue Weise:
    "Wir haben immer versucht, uns international durchzusetzen. Denn wir haben globale Musik gehört und wollten ein Teil davon sein. Wir wollten uns nicht auf Frankreich beschränken. Wir haben sechs Mal in New York gespielt und öfter in Deutschland. Doch es hat nicht sollen sein. Jetzt denke ich: Wenn es passiert, passiert es, aber ich bin da nicht mehr so hinterher, wie es mal war."
    Politisch und lebensfroh
    Die Gelassenheit ist nicht gespielt - und setzt sich in der Musik fort. Die ist verspielt, elegant und leichtfüßig. Handgemacht und genreübergreifend und bunt. Und sie strotzt vor Lebenslust. Mit netten Fantasien über Partys und heiße Flirts – aber auch politischen Kampfansagen. In "Obstination", zu Deutsch "Hartnäckigkeit", wettert sie gegen den Front National, gegen Rechtspopulismus und Rassismus.
    "Ich bleibe hier und kämpfe für mein Land. Denn es ist eine andere Welt da draußen - eine, die mir nicht gefällt. Und mittlerweile sind die Deutschen das Maß aller Dinge. Uns wird ständig gesagt: Die machen das so oder so. Was lustig ist. Ich erinnere mich, noch welche Angst meine Eltern um mich hatten, als ich in den frühen 80ern mit dem Zug nach Deutschland gefahren bin. Da war der Zweite Weltkrieg noch sehr in den Köpfen."
    In den Köpfen der Grand Nation sind auch noch Ringers lautstarke Dispute mit Journalisten und Künstlerkollegen. Allen voran Filmemacher Jean-Luc Godard, der 1985 eine Dokumentation zum Album "The No-Comprendo" drehte - und fürchterlich mit Catherine aneinander rasselte. Genau wie der große Serge Gainsbourg, der es wagte, vor laufender TV-Kamera über die Vergangenheit der Sängerin als Erotik-Darstellerin zu lästern - und eine verbale Breitsalve als "Trunkenbold" und "Lustmolch" erntete.
    Weltoffene Popmusik
    "Ein Klassiker! Er hat es geliebt, Frauen zu provozieren und wütend zu machen. Nur: Er war einfach so. Deswegen kann ich ihm nicht böse sein. Selbst wenn ich es in dem Moment war. Nach dem Motto: 'Wie bitte? Was sagen Sie da? Schauen Sie sich selbst an – Sie sind viel schlimmer. In Ihren Songs und in der ganzen Art, wie Sie sich geben.'"
    Kontrovers ist Catherine Ringer heute nicht mehr, aber immer noch populär - als Musik-Ikone der 80er und 90er, die mit Iggy Pop, Conny Plank und den Sparks gearbeitet hat, ihrem ehemaligen Designer Jean-Paul Gaultier zum Durchbruch verhalf. Und für eine weltoffene französische Popmusik steht. Alleine wie im Verbund mit Ex-Partner Fred Chichin, sein 10. Todestag ist am 28. November.
    "Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich den Tag begehen könnte. Erst wollte ich befreundete Musiker einladen und ein paar Songs spielen, aber das ist kompliziert zu organisieren. Wahrscheinlich zeige ich zwei Filme, die wir 1989 in Indien und in Russland vor Ende des Kommunismus gedreht haben. Keine Ahnung, ob das klappt, aber irgendetwas mache ich auf jeden Fall."