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Cathrina Claas-Mühlhäuser

Cathrina Claas-Mühlhäuser leitet den Aufsichtsrat des Familienunternehmens Claas mit Stammsitz in Ostwestfalen. 1913 gründete ihr Urgroßvater August Claas den Landmaschinenhersteller mit jetzt 9000 Mitarbeitern.

Von Ursula Mense | 13.05.2011
    Es riecht ein wenig streng, wenn man in Harsewinkel aus dem Auto steigt. Das verwundert nicht weiter zu dieser Jahreszeit. Wir sind auf dem Land, im östlichen Westfalen, nicht weit von Bielefeld. Dort, wo einer der weltgrößten Landmaschinenbauer zuhause ist: die Firma Claas Landtechnik.

    Gigantische Konstruktionen, sogenannte Großbaugruppen aus Stahl beziehungsweise Blech, Guss und Kunststoff laufen hier über kaum sichtbare Montagebänder.

    "Wir haben jetzt Hochsaison, das heißt, wir bauen auf dieser Linie bis zu 20 Einheiten pro Tag, da ist der Durchlauf relativ schnell, dass wir nach einem halben Tag fertig sind. Bei mir in der Grundmontage sind es 16 Montagestände, bis der Mähdrescher funktionsfähig ist."

    Lexion heißt der neueste und größte sogenannte selbst fahrende Mähdrescher. Er ist enorm wendig und schnell, lässt sich mit einer Hand steuern und schafft es trotz seiner 20 Tonnen Gewicht, den Ackerboden schonend zu behandeln. Eine Spezialgummiraupe, von Claas erfunden und konstruiert, macht das möglich.

    "Wir haben technisch die Nase vorn beim Bodendruck. Bei uns ist das ein großes Thema, weil mit jeder Überfahrt der Boden verdichtet wird und wir im Sinne der Nachhaltigkeit versuchen, die Anzahl der Überfahrten zu reduzieren und den Druck pro Quadratmeter."

    Cathrina Claas-Mühlhäuser ist die Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens und Hauptgesellschafterin. Und sie ist die Tochter des Firmenchefs Helmut Claas, der 85-jährig in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben an seine Tochter übergeben hat. Sie ist hier aufgewachsen, nur wenige Meter vom Unternehmen entfernt, in das der Vater sie als Kind immer sonntags mitnahm. Damals sammelte sie dort Schrauben und machte später ein Praktikum in der Lehrwerkstatt, wo sie lernte, zu feilen und mit Bohrmaschinen umzugehen. Nach der Ausbildung zur Industriekauffrau, ihrem BWL-Studium in St. Gallen und einigen Jahren beim Schweizer Hochtechnologiekonzern ABB entschied sie sich für das Familienunternehmen. Nach reiflicher Überlegung und gründlicher Vorbereitung aus freien Stücken, wie sie gern betont. Inzwischen ist sie mit ihren 35 Jahren, - seit Kurzem Mutter -, voll und ganz im Unternehmen angekommen.

    "Als Hauptgesellschafterin dieses Unternehmens lege ich natürlich Wert darauf, auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen."

    Ob sie irgendwann einmal ins operative Geschäft einsteigen will, lässt sie offen. Mit Sicherheit aber könnte sie das, sagt Dr. Theo Freye, Sprecher der siebenköpfigen Konzernleitung. Kompetent in der Sache sei sie und bringe persönlich so wichtige Eigenschaften wie Dialogbereitschaft und die Fähigkeit zuzuhören mit. Er begrüßt, dass mit ihr das grundsolide und bodenständige Familienunternehmen, wie er sagt, fortgesetzt werde: "Wir hatten eine knappe Milliarde verfügbar im vergangenen Jahr und das zusammen mit einer Eigenkapitalquote von knapp 40 Prozent, kennzeichnet sicherlich ein sehr gesundes Familienunternehmen."

    Auch der Haupt-Betriebsratsvorsitzende Heiner Strotjohann preist die Vorzüge des Familienunternehmens, erprobt gerade wieder im Umgang mit dem Krisenjahr 2009. Weil der Umsatz einbrach, musste auch Personal abgebaut werden. Was in erster Linie Zeit- und Leiharbeiter betraf:

    "Sodass mit Kurzarbeit und durch Ausschöpfung der sog. Arbeitszeitausgleichskonten es für unsere Kernmannschaft in der Produktion keinerlei Abbau gab."

    Nach einem rapiden Wachstum mit jährlichen Zuwachsraten von 13 Prozent brach 2009 vor allem das Geschäft mit Erntemaschinen und Traktoren in West- und Osteuropa ein; allein in Russland um 70 Prozent und erholte sich im darauffolgenden Jahr kaum. Trotzdem aber habe man schwarze Zahlen geschrieben sagt Konzernsprecher Freye:

    "Ich gehe davon aus, dass wir in diesem Jahr wieder drei Milliarden Euro erreichen, von daher an die Zeit von 2005 anknüpfen."

    In Nordamerika sitzen die größten Konkurrenten. Dennoch ist Claas dort gut aufgestellt, bei den Häckslern sogar führend. Darüber hinaus bleibt aber gerade der osteuropäische Markt interessant. Neben einem dichten Vertriebsnetz hat Claas dort bereits eine Produktionsstätte, die größer werden soll:

    "Wir rechnen damit, dass Russland langfristig die Größe Nordamerikas oder West- und Zentraleuropas haben wird. Das Absatzpotenzial ist enorm, und der Investitionsdruck der Landwirtschaft ist sehr groß."

    Cathrina Claas-Mühlhäuser weiß, wovon sie spricht. Sie hat in den vergangenen Jahren an die 30 Länder besucht, in denen Claas aktiv ist. Das sind außer den Standorten in Frankreich, in Nord- und Südamerika, auch zwei in Indien. Da sie mit der Landwirtschaft aufgewachsen ist - die Familie hat in England einen 600 Hektar großen Betrieb mit Ackerbau und Schweinemast, - kennt die Claas-Tochter die Probleme der Bauern.

    Dass sie vier Sprachen spricht und dabei unprätentiös und natürlich wirkt, ist sicher von Vorteil. Eine Firmenchefin, die in Jeans und Gummistiefeln über Land fährt und mit den Kunden unverkrampft fachsimpelt. Das kommt an und gefällt auch Dieter Dueringer, zuständig für das Osteuropageschäft, der schon oft mit ihr unterwegs war:

    "Da ist nicht irgendwo ein Greenhorn mitgefahren, sondern schon jemand, der wusste, wie sie ihre Fragen zu stellen hat. Das ist nicht nur für die Kunden wichtig, sondern auch für die Händler, dass sie sehen, dass der Eigentümer sich interessiert."

    So sei Cathrina immer schon gewesen, sagt ihre langjährige Freundin Anne-Cathrin Uebeleisen, selbst Landwirtin: spontan, fröhlich, ehrlich und direkt. Und sie könne eben gut zuhören. Dass sie auch tough sein kann, wenn sie muss und bereit ist, unangenehme Entscheidungen zu fällen, traut man ihr ohne Weiteres zu. Dazu hat sie nicht nur das Recht, sondern versteht das auch als Pflicht den Interessen der Familie und dem Traditionsunternehmen gegenüber. Nicht alle Manager aber konnten in der Vergangenheit damit umgehen und ertragen, dass eine selbstbewusste 35 Jahre junge Frau ihnen sagt, wo es lang geht. Dann half die einvernehmliche Trennung:

    "Dass die Gesellschafterfamilien, denen die Firma gehört, das letzte Wort haben, das halte ich für ganz normal."
    Die Gesellschafter des Landmaschinenherstellers Claas: Volker Claas, Cathrina Claas-Mühlhäuser, Helmut Claas und Reinhold Claas im Jahr 2010.
    Ein Familienunternehmen: Volker Claas, Cathrina Claas-Mühlhäuser, Helmut Claas und Reinhold Claas im Jahr 2010. (Claas Gruppe)